Mittwoch, 20. Juli 2011

Tag 817 - Alles auf Liebesspieler II

Wegen der langen Schreibpause greife ich jetzt auf ein Ereignis zurück, das schon ein paar Wochen zurückliegt.

Dieser eine Tag von dem ich schreiben möchte, dieser eine Samstag Morgen im April, er war irgendwie nicht wie ein gewöhnlicher Samstag. Ich ging nach dem Aufstehen kurz zum "Offie" um die Ecke, um Zeitung und Milch zu holen, da kam mir schon der erste seltsame Verdacht. Jeder schien nur noch in einer Geheimsprache zu sprechen, die viele gemurmtelte Zahlen enthielt.
Ich stellte fest, dass die Sun Zeitung doppelt so dick als sonst war, sogar nachdem ich die überflüssige Fernsehzeitschrift herausgeschüttelt hatte. Liest heutzutage überhaupt noch jemand das Fernsehprogramm?

"The Midnight Club", meinte der asiatisch angehauchte Ladenbesitzer verschwörerisch und zwinkerte. "Nein danke", lehnte ich die vermeindliche Einladung ab, und nahm die typisch blickdichte Off-Licence-Tüte mit meinem Einkauf entgegen.

An der Tür versperrte ein glatzköpfiger Hooligan Typ den Weg. "Don't Push it!!" brüllte er ohne Vorwarnung. Aber irgendwie schien er mit seiner Drohung keinen Erfolg zu haben. "11 to 1" gab ihm ein faltiges Ömchen am Gehstock zur Antwort und wedelte aufgeregt mit einem Gala Magazin. Der Hooligan grinste zahnlückig.

"Midnight Club", murmelte ich immernoch kopfschüttelnd, als ich Zuhause die Treppen hinaufstieg. Dort erwarteten mich der Gawjus mit seinem besten Kumpel. Und während ich noch meine Schuhe abstreifte, hatten die beiden schon die Zeitung aus der Tüte gepfriemelt und blätterten hektisch zum Mittelteil.

"Midnight Club!"

Wieder dieser mysteriöse Mitternachtsclub. Und als die Herren dann von der Zeitung abließen, konnte ich endlich mal nachsehen, was denn eigentlich los war. Ich starrte erst mehrere Sekunden auf die bunte Doppelseite, bis sich mir die Lösung auftat. Ein wenig enttäuscht war ich ja. "Pferderennen? Midnight Club ist ein Pferd? Seit wann interessiert ihr euch für Pferderennen?"


Ist ja nicht irgendein Pferderennen, sondern DAS Pferderennen, wurde ich sofort aufgeklärt. Es wäre nämlich GRAND NATIONAL DAY. Das ist das wichtigste Pferderennen des Jahres. Vierzig Pferde starten gleichzeitig und legen eine mit Hindernissen gespickte Strecke über sieben Kilometer zurück. Ein verdammt gefährliches Ereignis, und sehr umstritten. Aber der beste Grund und mal eine ordentliche Summe im Wettbüro zu setzen.

Wetten schließen sie ja gerne ab, die Briten. Es gibt ja auch nichts, auf das man kein Geld setzen kann. Das Ende der Welt nächsten Donnerstag? Die Wette steht 1.000.000 zu 1. Auf den eigenen Todestag wetten? Aber klar doch. Fragt sich nur, was man mit dem Gewinn dann noch anstellen will. Und hätte Papa Middleton damals gewettet, dass seine Tochter mal einen Prinzen heiraten würde, dann hätte er bestimmt einen Teil der Hochzeitskosten übernehmen können.

Der Verlust von Geld will ja gut vorbereitet sein, und so pflanzten sich der Gawjus mit Kumpel Simon für die nächsten zwei Stunden mit Notizzettel und Kugelschreibern vor den Fernseher und verfolgten die Berichterstattung von der Rennbahn. Einschätzungen, Vorstellung der Pferde und Jockeys, Chancen, Prognosen…


Freundlicherweise durfte ich einen der Zettel fotografieren, um zu dokumentieren, was am Ende der Recherche überhaupt herauskam.
Und dann ging es los, ins Wettbüro.


Mein erstes Wettbüro. Es erinnerte mich ein wenig an ein Wartezimmer. Leute saßen und standen umher, und starrten gebannt auf die Monitore an der Wand.


‚Midnight Club’, stand dort überall. Und ‘What a Friend’. Und ‘Don’t push it’.
Die Wetten standen 7 zu 1 für Midnight Club. Dieses Pferd hatte wohl die größte Chance zu gewinnen, aber es würde nicht so viel Geld dabei herausspringen. Besser verdienen könnte man, wenn man auf einen Außenseiter setzen würde, bei dem die Wetten 100/1 standen. Das wusste ich natürlich alles nicht, sondern der Gawjus erklärte es mir, während er seine Wettscheine ausfüllte.


„Du musst auch wetten!“ beharrte er anschließend und drückte mir einen Wettschein in die Hand. Na gut.
Ich kreuzte also drei Pferdenamen an, und setzte jeweils zwei Pfund auf „Each Way“. Wenn eines der Pferde unter die besten Drei kommen würde, dann bekäme ich die Gewinnquote multipliziert mit meinem Einsatz. Midnight Club würde mir 14 Pfund einbringen. Plus meinen Einsatz. Aber ich setzte auf zwei Außenseiter, und ein Pferd im Mittelfeld, das von einem weiblichen Jockey geritten wurde. Und dann hatte ich doch noch das Gefühl, einen Fünfer riskieren zu müssten und pickte den Namen ‚Ballabriggs’. Ich setzte fünf Pfund auf Gewinner.

Nach dieser harten Arbeit musste natürlich gleich der nächste Pub angesteuert werden, für einen seltenen Luxus, der sich „Daytime Drinking“ nennt.



Bei Risiken und Nebenwirkungen erschlagen Sie den Wirt und fluchen wie ein Apotheker. Hicks.

Und dann ging das Rennen los. Dramatische Szenen. Vierzig Pferde, keine Startlinie. Ein chaotischer Massenstart. Erste Hürde, schon zwei Reiter aus den Sättel gehauen. Zweite Hürde, zwei weitere leere Sättel. Der Sprecher schoss mit Wortfetzen um sich, wie eine epileptische Maschinenpistole. Die ersten Wettzettel landeten zerknüllt in der Ecke. Wirklich jeder im Pub starrte gebannt auf die Leinwand und die wippenden Pferdeköpfe. Bei jedem Hindernis wurde angespannt die Luft angehalten. Noch alle da? Wieder jemand liegengeblieben? Die galoppierende Masse schob sich über Hürde um Hürde. Es war unmöglich zu sehen, wer denn jetzt eigentlich führte. Und nach knapp zehn Minuten die letzten Meter. Ich hörte den Namen Ballabriggs, dann wieder Ballabriggs, und plötzlich rief jemand neben mir „BALLABRIGGS!“ Und dann jubelten alle.

Und nach ein paar Minuten bekam ich bestätigt, dass Ballabriggs das Rennen gewonnen hatte. Mein Gewinnerpferd.

Die Dame im Wettbüro lachte über meine Aufregung. Sie nahm meinen Wettschein entgegen und drückte mir ein Bündel Scheine in die Hand. 85 Pfund! Nicht schlecht für das erste Mal. Für das erste Jahr, korrigierte ich mich sofort. Dass das jetzt nicht zur Gewohnheit wird.
Aber nächstes Jahr werde ich wieder dabei sein, mit wichtiger Miene im Laden um die Ecke die Odds diskutieren, und mit meinem Fünf-Pfund-Schein auf den Gewinner setzen. GRAND NATIONAL DAY, juhuuu!

Dienstag, 12. Juli 2011

Kochrezept: Gegrillter Seebarsch

Zutaten:

1 Zitrone
2 Knoblauchzehen
Salz
Pfeffer
Italienische Kräuter
1 Ärmelkanal

1 Wegwerfgrill

1 Eifriger Fischermann

1 Seebarsch


Zubereitung:

Mitleid überwinden und dem armen Barschi eins überbraten.


Aufsteigende Übelkeit überwinden und Barschi chirurgisch gründlich von allen Organen befreien (Kein Bild hiervon aus ethischen Gründen). Mit einem Messer die Schuppen abbürsten.


Knoblauchscheiben wahllos im Inneren des Fisches verteilen. Würzen.


Zitronenscheiben dekorativ dazustecken.


Chopins Trauermarsch summen und den Barschi in Alufolie hüllen.


Ungefähr zwanzig Minuten über glühenden Kohlen grillen und gelegentlich wenden.


Fertig