Und wieder einmal hat mein Leben eine neue, leere Seite aufgeschlagen, die es nun zu füllen gilt. Wenn ich einmal zurück blättere sehe ich meinen Umzug nach England. Das Leben als Aupair in einem anderen Land, in dem ich niemanden kannte. Es kostete Überwindung, loszugehen und Freunde zu machen. Alleine im Pub zu sitzen, auf fremde Menschen in einer ungewohnten Sprache zuzugehen, die Eigenschaften und Alltäglichkeiten der englischen Kultur zu lernen. Doch mit Aufgeschlossenheit kommt man weit. Ich wurde bald in die zwielichtige Gemeinschaft im "Pub der Randgruppen und Aussätzigen" aufgenommen, saß jeden Donnerstag Abend auf "meinem" Barhocker am Tresen und lernte Leute und Gepflogenheiten kennen. Mein Englisch wurde besser, damit auch mein Selbstvertrauen, ich bekam einen kleinen ehrenamtlichen Job in einem Charity Shop und verstand mich sehr bald prächtig mit den Tee trinkenden und Keksen essenden Ömchens, ich lernte Gawjus kennen, seine Familie, wir zogen in die Wohnung unter dem Dach, ich fand erst den schlechtesten Job der Welt, gleich danach fiel mir aber mein Traumjob gerade zu in den Schoß, wir verlobten uns zum dreijährigen Jubiläum, heirateten zum fünfjährigen Jubiläum.
Und im verflixten siebten Jahr England, halte ich plötzlich ein winziges Wesen in den Armen, mit spärlich behaartem Kartoffelkopf, und es sieht mich an und verzieht die Mundwinkel zum größten Lächeln, und plötzlich ist alles so unbedeutend und klein, und es fühlt sich so an, als hätte ich mein Leben lang nur auf diesen Moment gewartet. Auch wenn er mir kurz darauf einen Schwall Formulamilch in den Ausschnitt kotzt.
So magisch wie dieses ganze emotionale Babyzeugs aber auch ist, das mit der leeren Seite ist wahr. Mein Leben wie ich es kannte, existiert nicht mehr. Alle sozialen Kontakte die ich täglich arbeitsbedingt pflegen konnte, sind verschwunden. Wenn alle anderen arbeiten, habe ich "Freizeit" und streife durch die Straßen in der Stadt. Wenn alle anderen abends in den Pub gehen, bin ich Zuhause, bade mein Kind und bringe es ins Bett. Ich fühle mich, als wenn ich mit der Geburt von Voldi wieder in einem fremden Land angekommen bin. Muss die Sprache lernen, neue Freunde machen.
Man kriegt ja langsam Erfahrung in dem Gebiet.
Als Aupair habe ich Baby- und Kleinkindgruppen gemieden wie die Pest. Die Mütter! Wie ein furchteinflößender, mehrköpfiger Drachen füllten sie den Raum aus und sahen mit rauchenden Nüstern auf mich Nichtmutter herab. Ich war ein Eindringling eine Bedrohung. Potentiell männerstehlend mit meiner Jugend, wahrscheinlich kindesmisshandelnd mit meiner Unerfahrenheit. Nirgends habe ich mehr Ablehnung erfahren als in Mamagruppen. Dementsprechend erschien mir der Gedanke an Gruppen teilzunehmen zunächst sehr abwegig.
Aber dann flatterte ein Brief ins Haus vom lokalen Familienzentrum. Bei diesem hatte ich mich nach der Geburt registrieren lassen. Alle paar Wochen kann ich Voldi dort wiegen lassen, und die sogenannten Health Visitors stehen bei Fragen mit Rat und Tat zur Seite. Gut, manchmal können sie auch falsch liegen. "Mein Kind zahnt", erwähnte ich bei einer Wiegung. Die HV lächelte leicht und versicherte mir, dass dies der häufigste Irrglaube aller neuer Eltern wäre. Er sei noch viel zu jung.
Zwei Wochen später hatte Voldi nicht nur einen, sondern zwei Giftzähne.
Jedenfalls, der Brief. Dem Familienzentrum war wohl aufgefallen, dass es im März ungewöhnlich viele Babys gegeben hatte. Daraufhin beschlossen sie alle Märzeltern anzuschreiben und eine Art Selbsthilfegruppe zu gründen. Einmal in der Woche würden für zwei Stunden verschiedene Themen behandelt warden. Von Geburtstrauma über Milchentwöhnung und Zahnpflege. Der Brief war sehr vage, deswegen hatte ich keine Ahnung wie das vonstatten gehen sollte. Ich stellte mir einen etwas unpersönlichen Hörsaal vor in dem langweiliges Zeug vorgetragen warden sollte, und jede Menge brüllender Babys.
Überraschenderweise war es wirklich nett. Ein Stuhlkreis, 15 Mamas mit Baby im selben Alter, in der Mitte des Kreises bunte Decken, Matten, und Spielzeug.
Ziemlich schnell stellte sich heraus, dass wirklich alle Mütter in dieser Gruppe im selben Boot waren. Erstes Kind, Mutterschaftsurlaub, Leben auf den Kopf gestellt. Das Highlight eines Tages konnte ein Trip zum Supermarkt sein. Wirklich alle waren mehr als aufgeschlossen mit anderen Kontakte aufzubauen, sich auszutauschen und einfach mal mit einer anderen erwachsenen Person zu sprechen. Es wurde sehr schnell beschlossen einen online Gruppenchat zu gründen, jeder schrieb seine Nummer auf, und es war einfach nur nett. Kein mehrköpfiger Drachen, kein Höllenfeuer, keine Rivalitäten. Wir begrüßten uns in der darauf folgenden Woche wie alte Freunde. Tips wurden getauscht, Windeln und Vorschläge für Babygruppen, denen man sich anschließen könnte. Mittlerweile bin ich sehr ausgebucht mit Aktivitäten, und habe mich bereits zweimal mit der selben Mutter zum Mittagessen und Kaffee getroffen. Für nächste Woche haben wir uns auch schon verabredet.
Der Schock saß tief, als Voldi ein frischgebackenes Lördchen war. Gawjus ging den ganzen Tag arbeiten, ich hatte das Baby, und nichts zu tun außer Wäsche machen. Ich wusste nicht, wie ich das Jahr durchstehen sollte. Doch jetzt genieße ich jede Sekunde. Es ist Sommer! Voldi und ich machen jeden Tag worauf wir Lust haben!
Und falls ich mal ein Aupair treffen sollte, in einer dieser Babygruppen, dann werde ich ganz besonders nett sein.
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Donnerstag, 18. August 2016
Montag, 18. Juli 2016
Summer in the City
Sommer in England geht folgendermaßen:
358 Tage im Jahr über das Wetter seufzen.
Wenn dann die alljährliche Woche Sommer stattfindet, umso mehr seufzen. Es ist zu heiß, zu trocken, zu schwül, die falsche Art von Sonne, die Bahnschienen werden weich und biegen sich, Züge sind gecancelled, die Autobahn in Richtung Küste ist komplett verstopft (und Abends noch einmal dasselbe in Gegenrichtung), T-Shirts werden vom Leib gerissen, blasse tätowierte Bierbäuche wandern in Herden zum Park, ungesund aussehende Aggro-Mums kramen dieses eine unvorteilhafte Sommerkleid aus dem Schrank, das eigentlich mal ein Rock war, und jetzt bis unter die Achseln hochgezogen so viel Haut wie möglich freilegt für sonnenbedingten Flächenbrand, Geschäfte machen am ersten Tag des Sommers einen Millionenumsatz mit Sonnencreme, am zweiten Tag mit Après Creme, die Liegewiesen im Park sind mit leeren Flaschen und Chipspackungen übersät, auch der Strand gleicht am späten Nachmittag einer Müllhalde, Arbeiter melden sich krank um dann einen Tag später mit signalrot verbrannter Nase wieder genesen zu sein, die Fußgängerzone hallt von Flip Flops, die sich anhören als würden hunderte von Hände auf Putensteaks patschen, der Eisvan dreht endlose Runden durch die Wohngebiete, die Yankee Doodle Melodie überschneidet sich mit anderen Eisvans und resultiert in ein nervtötendes Krankee Doodle, Menschen in schlecht isolierten Dachwohnungen (ich!) pressen sich platt auf den Boden, der Schweiß fließt, die Klamotten kleben, die Pubs und Restaurants hängen alle Türen und Fenster aus um ein mediterranes Urlaubsgefühl zu schaffen, Rauchschwaden steigen von Wegwerfgrills empor, alte Ömchens kippen an Bushaltestellen in die Horizontale, im Supermarkt benötigt man Schal und Handschuhe, weil die Klimaanlage auf Antarktis gestellt wurde, der Nachbar reinigt seinen Pool, nur in einem winzigen Badehöschen bekleidet, Autofahrer rufen sich durch die geöffneten Fenster laute Beschimpfungen zu, die Sonne brennt und brutzelt, der Asphalt flimmert, flachgetretene Kaugummis erwecken wieder zum Leben und setzen sich Fäden ziehend an den dünnen Flip Flop Sohlen fest, jeder Gang zum Laden um die Ecke wird gut überlegt und abgewogen, zwischen Babykopf und mütterlicher Armbeuge bildet sich triefende Nässe, und sowohl Kind als auch Mutter sind erleichtert, wenn der Körperkontakt sich nur auf das notwendigste beschränkt.
Ein paar Tage später ist der Spuk dann vorbei. Die Sommersachen trocknen noch auf dem Wäscheständer, während man wieder in Wollsocken auf dem Sofa sitzt und die Regentropfen an der Scheibe herunterrinnen sieht. "Wir hatten dieses Jahr mal wieder gar keinen richtigen Sommer", denkt man enttäuscht. Vielleicht ja nächstes Jahr.
358 Tage im Jahr über das Wetter seufzen.
Wenn dann die alljährliche Woche Sommer stattfindet, umso mehr seufzen. Es ist zu heiß, zu trocken, zu schwül, die falsche Art von Sonne, die Bahnschienen werden weich und biegen sich, Züge sind gecancelled, die Autobahn in Richtung Küste ist komplett verstopft (und Abends noch einmal dasselbe in Gegenrichtung), T-Shirts werden vom Leib gerissen, blasse tätowierte Bierbäuche wandern in Herden zum Park, ungesund aussehende Aggro-Mums kramen dieses eine unvorteilhafte Sommerkleid aus dem Schrank, das eigentlich mal ein Rock war, und jetzt bis unter die Achseln hochgezogen so viel Haut wie möglich freilegt für sonnenbedingten Flächenbrand, Geschäfte machen am ersten Tag des Sommers einen Millionenumsatz mit Sonnencreme, am zweiten Tag mit Après Creme, die Liegewiesen im Park sind mit leeren Flaschen und Chipspackungen übersät, auch der Strand gleicht am späten Nachmittag einer Müllhalde, Arbeiter melden sich krank um dann einen Tag später mit signalrot verbrannter Nase wieder genesen zu sein, die Fußgängerzone hallt von Flip Flops, die sich anhören als würden hunderte von Hände auf Putensteaks patschen, der Eisvan dreht endlose Runden durch die Wohngebiete, die Yankee Doodle Melodie überschneidet sich mit anderen Eisvans und resultiert in ein nervtötendes Krankee Doodle, Menschen in schlecht isolierten Dachwohnungen (ich!) pressen sich platt auf den Boden, der Schweiß fließt, die Klamotten kleben, die Pubs und Restaurants hängen alle Türen und Fenster aus um ein mediterranes Urlaubsgefühl zu schaffen, Rauchschwaden steigen von Wegwerfgrills empor, alte Ömchens kippen an Bushaltestellen in die Horizontale, im Supermarkt benötigt man Schal und Handschuhe, weil die Klimaanlage auf Antarktis gestellt wurde, der Nachbar reinigt seinen Pool, nur in einem winzigen Badehöschen bekleidet, Autofahrer rufen sich durch die geöffneten Fenster laute Beschimpfungen zu, die Sonne brennt und brutzelt, der Asphalt flimmert, flachgetretene Kaugummis erwecken wieder zum Leben und setzen sich Fäden ziehend an den dünnen Flip Flop Sohlen fest, jeder Gang zum Laden um die Ecke wird gut überlegt und abgewogen, zwischen Babykopf und mütterlicher Armbeuge bildet sich triefende Nässe, und sowohl Kind als auch Mutter sind erleichtert, wenn der Körperkontakt sich nur auf das notwendigste beschränkt.
Ein paar Tage später ist der Spuk dann vorbei. Die Sommersachen trocknen noch auf dem Wäscheständer, während man wieder in Wollsocken auf dem Sofa sitzt und die Regentropfen an der Scheibe herunterrinnen sieht. "Wir hatten dieses Jahr mal wieder gar keinen richtigen Sommer", denkt man enttäuscht. Vielleicht ja nächstes Jahr.
Montag, 27. Juni 2016
Kein Senf zum Brexit
Zu Brexit möchte ich mich gerade gar nicht äußern. Jeder in Besitz eines internetfähigen Gerätes, ob des Buchstabierens mächtig oder nicht, hat hierzu online schon seinen Senf abgelassen. Ganz ehrlich, es wird langweilig. Ich gucke lieber Fußball EM , oh my goodness, ISLAND, und harre den Dingen, die noch kommen mögen, oder auch nicht. In meinem eigenen Kleinbritannien ist noch alles beim alten: Kaka-Windeln, die garantiert keinem EU Standard entsprechen, nationaler Dauerregen, und Schlafentzug statt Schlafanzug.
Falls es bald keine Bananen mehr zu kaufen gibt, werde ich berichten.
Falls es bald keine Bananen mehr zu kaufen gibt, werde ich berichten.
Dienstag, 14. Juni 2016
12 von 12 im Juni
Da ich Dank schlafloser Nächte wieder vermehrt in der wilden Bloggerwelt umherstreife, ist mir dieses 12 von 12 untergekommen, an dem viele Blogger am 12. jeden Monats teilnehmen. Einfach 12 Fotos des ganz normalen Tagesablaufs schießen und drauf los erzählen.
Juhuu, ich auch! Heute ist allerdings schon der 14. Und an einem Tag passiert bei mir auch nicht genug um 12 Fotos zu schießen, die abwechslungsreich und in irgendeiner Weise interessant sind. Kann ich diesen Monat meine eigenen Regeln erfinden? Hier 12 von den ersten 12 Tagen im Juni in zufälliger Reihenfolge:
Voldi hat seine Füße entdeckt. Dass dies wirklich solch ein Aha-Erlebnis werden würde, hätte ich nicht gedacht. Stundenlang verbrachte er mit angehobenen Beinen, fassungslos diese rosafarbenen Knubbel begutachtend. Probeweise wackelte er mit den Zehen und versuchte danach zu greifen. Doch die Beine gehorchen dem Meister noch nicht ganz so gut, und weigerten sich, in die gewünschte Richtung zu knicken.
Kaffee, Eis, und Schuhe gucken mit meiner Schwägerin und ihrer kleinen Tochter. Ich bin ja so froh, dass mir mit Voldi der ganze rosa Kram erspart bleibt.
Ich habe kein Foto vom Eis gemacht. Das wäre jedoch wirklich sehenswert, denn in unserem Ort hat eine echte italienische Eisdiele aufgemacht. Jeden Morgen werden die verschiedenen Sorten frisch zubereitet, sind cremig und so hochkonzentriert, dass der kleinste Becher Schokoeis - in der Größe eines Schnapsglases - schon größte Glücksgefühle auslöst. Und Pappsattgefühl.
Gutes Eis ist in England nicht so einfach zu kriegen. Zumindest in London. Hier fährt regelmäßig der Eiswagen durch die Straßen, laute Musik dudelnd, aber außer den abgepackten Sorten gibt es nur Mr Whippy Softeis. Das Eis erinnert an sehr leichte Schlagsahne und enthält so viel Luft, dass es einem eigentlich Kalorien entziehen sollte. Richtig kalt fühlt es sich auch nicht an. Sehr enttäuschend.
Am 19. Juni ist Vatertag. Einen ganzen Nachmittag habe ich damit verbracht, Voldi in verschieden lächerliche Kostüme zu quetschen um ein besonders cooles Foto hinzukriegen, das ich Gawjus auf ein personalisiertes Vatertagsgeschenk drucken lassen kann. Zum Glück hat Voldi eine Engelsgeduld, aber zigtausend Fotos später war doch keines dabei, das mir ansatzweise gefiel. Ich entschied mich schließlich für den Superman, wegen den niedlichen Füßen, und ließ einen Holzschlüsselanhänger anfertigen. Leider sind die Füße darauf abgeschnitten.
Ach ja, und seither habe ich durch puren Zufall einige sehr gute Fotos geschossen, die bestimmt viel besser ausgesehen hätten. Seufz.
Ich kaufe Voldi so gerne Sachen. Jedes Mal wenn ich in einen Laden gehe muss ich mich sowas von zurückhalten. Kürzlich habe ich eine Reality Sendung gesehen, in der eine Mutter ihren beiden Kindern jeden Tag ein Geschenk kaufte, das sie nach der Schule auspacken durften. Ich weiß nicht mehr, worum es genau ging, aber die Szene blieb mir in Erinnerung, als die Lütten nämlich am Nachmittag eintrafen flippte eines davon gleich aus, weil es nämlich BEIDE Geschenke haben wollte und nicht nur eines. Rabäääääh.
Für die aktuelle Spielzeuganschaffung für Voldi bestand eher keine Notwendigkeit, allerdings hatte ich damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Das Kind liebt es! Freddie's on the go garden von Lamaze und Voldi sind unzertrennlich. Er verbringt jeden Tag Ewigkeiten damit, die verschiedenen Texturen und Muster zu untersuchen. Die Flügel von Freddie dem Glühwürmchen knistern verlockend. Dann gibt es noch eine kleine Hummel, die ein dezentes Klingelgeräusch macht, wenn angestoßen. Und auf der Blume ist ein kleiner Spiegel angebracht. Wenn wir unterwegs sind, hänge ich das Teil an den Kinderwagen, im Auto an den Babysitz. Wenn wir zum Mamatreff oder Kaffee trinken gehen, ist es immer in der Tasche dabei, beim kleinsten Anzeichen von Quengeln wird Voldi ein happy Baby sobald er Freddie und Konsorten erblickt. So ein guter Kauf, ich klopfe mir immernoch auf die Schulter dafür.
Es lebe die englische Pubkultur. Niemand wirft einem schiefe Blicke zu, wenn man Sonntag Nachmittags mit Baby einen trinken geht. Tagsüber sind Kinder genau so willkommen, wie der zahlende Gast. Manche Pubs haben Familienbereiche, damit die unschuldigen Kiddies etwas vom obligatorischen Trunkbold an der Theke separiert werden, andere erlauben den Kinderwagen überall.
So hat sich unser Social Life etwas in Richtung Nachmittag vorgezogen.
Spontaner Sommerausbruch, zumindest für ein paar Stunden. Voldi schläft immer dann ein, wenn ich mit dem Kinderwagen in die heimische Straße einbiege. Um ihm etwas mehr notwendigen Mittagsschlaf zu garantieren, drehe ich oft noch eine extra Runde um den Block.
Einfach mal Gras unter den Füßen spüren. Ich finde zusammen mit hochkonzentriertem Schokoeis ist dies ganz oben auf der Glücklich-mach-Skala. Hoffentlich bekommen wir dieses Jahr einen guten Sommer. Momentan ist es wechselhaft. Mal wird man nass geregnet, nur damit kurze Zeit später die Sonne hinter den dunklen Wolken hervorblitzt und hämisch lacht. Dann regnet es wieder.
Schokoeis, Gras unter den Füßen... wie sieht es aus mit Seifenblasen? Es gibt so viele Dinge, die glücklich machen.
Noch etwas gekauft fürs Kind, diese Sommeranzüge habe ich jedoch im Second Hand Shop abgestaubt. Kurze Ärmel, kurze Beine, ich fühle mich sehr optimistisch.
Zweimal am Tag gehört das Fläschchen machen zu meiner wichtigsten Aufgabe. Es ist so viel zu beachten! Das Wasser muss gekocht werden, und für eine halbe Stunde auf 70 Grad runtergekühlt. Wenn es noch zu heiß ist, tötet es die Nährstoffe im Milchpulver. Wenn es zu kalt ist, sterilisiert es das Pulver nicht. Auch die Flaschen müssen steril sein. Erst das Wasser eingießen bis zur gewünschten Marke. Statt Milliliter habe ich mir jetzt angewöhnt in Unzen zu denken, da ein Messlöffel Milchpulver pro Unze Wasser dazugegeben wird. Verschließen und schütteln. Kurz abkühlen lassen, dann gleich in den Kühlschrank. Wenn Voldi Hunger hat stelle ich die gekühlte Flasche für einige Minuten in ein heißes Wasserbad.
Eigentlich sollte man jede Flasche frisch zubereiten. Allerdings wenn ich nachts ein hungriges Kind im Arm habe, kann ich nicht eine halbe Stunde auf die richtige Wassertemperatur warten. Daher mache ich immer ein paar Flaschen auf Vorrat. Diese Methode hat sich jetzt seit drei Monaten gut bewährt, obwohl verpönt, weswegen man sich öffentlich nicht dazu bekennen sollte. Ups, zu spät.
Die Queen hat letztes Wochenende ihren 90. Geburtstag gefeiert. 90! Schaut sie euch an, sie ist jung wie nie! Das grüne Kostüm in Signalfarbe stand ihr ganz fantastisch. Man konnte sie sicher auch vom Weltall aus sehen. Stelle mir vor, wie grüne Marsmännchen an ihren Teleskopen sitzen und die Queen of Mars bejubeln.
Ich hatte ein größeres Kuchenprojekt anlässlich des vierten Geburtstages unseres Neffen. Einen Paw Patrol Kuchen hatte er sich gewünscht. Ich musste das Kinderprogramm erstmal googeln. Es sind Hunde, die irgendwelche Heldentaten vollbringen.
Eigentlich war ich ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Der Kuchen war ein Funfetti Cake. Ein Rührkuchen, in dem bunte Streusel eingearbeitet sind, die durch das Backen zerlaufen und bunte Flecken hinterlassen. Um die ganze Sache etwas rutschiger zu machen, hatte ich noch eine Schicht Buttercreme in den Kuchen geschmiert, die ich mit Lebensmittelfarbe blau einfärbte. Etwas zu viel Lebensmittelfarbe, wie ich mir sagen ließ. Alle Kinder, die den Kuchen konsumierten, hatten danach nicht nur blaue Hände, Münder, und Kleidung, sondern schockten auch ihre Eltern am folgenden Tag mit blauen Toilettenhinterlassenschaften. Sorry!!!
Oh, das war es ja schon. Hat Spaß gemacht! Ich stell mir gleich mal einen Wecker für nächsten Monat, dass ich den 12. auch nicht verpasse.
Juhuu, ich auch! Heute ist allerdings schon der 14. Und an einem Tag passiert bei mir auch nicht genug um 12 Fotos zu schießen, die abwechslungsreich und in irgendeiner Weise interessant sind. Kann ich diesen Monat meine eigenen Regeln erfinden? Hier 12 von den ersten 12 Tagen im Juni in zufälliger Reihenfolge:
Voldi hat seine Füße entdeckt. Dass dies wirklich solch ein Aha-Erlebnis werden würde, hätte ich nicht gedacht. Stundenlang verbrachte er mit angehobenen Beinen, fassungslos diese rosafarbenen Knubbel begutachtend. Probeweise wackelte er mit den Zehen und versuchte danach zu greifen. Doch die Beine gehorchen dem Meister noch nicht ganz so gut, und weigerten sich, in die gewünschte Richtung zu knicken.
Freddie das Glühwürmchen schaut auch ganz interessiert |
Kaffee, Eis, und Schuhe gucken mit meiner Schwägerin und ihrer kleinen Tochter. Ich bin ja so froh, dass mir mit Voldi der ganze rosa Kram erspart bleibt.
Ich habe kein Foto vom Eis gemacht. Das wäre jedoch wirklich sehenswert, denn in unserem Ort hat eine echte italienische Eisdiele aufgemacht. Jeden Morgen werden die verschiedenen Sorten frisch zubereitet, sind cremig und so hochkonzentriert, dass der kleinste Becher Schokoeis - in der Größe eines Schnapsglases - schon größte Glücksgefühle auslöst. Und Pappsattgefühl.
Gutes Eis ist in England nicht so einfach zu kriegen. Zumindest in London. Hier fährt regelmäßig der Eiswagen durch die Straßen, laute Musik dudelnd, aber außer den abgepackten Sorten gibt es nur Mr Whippy Softeis. Das Eis erinnert an sehr leichte Schlagsahne und enthält so viel Luft, dass es einem eigentlich Kalorien entziehen sollte. Richtig kalt fühlt es sich auch nicht an. Sehr enttäuschend.
Früh übt sich, was eine Schuhlady werden will |
Am 19. Juni ist Vatertag. Einen ganzen Nachmittag habe ich damit verbracht, Voldi in verschieden lächerliche Kostüme zu quetschen um ein besonders cooles Foto hinzukriegen, das ich Gawjus auf ein personalisiertes Vatertagsgeschenk drucken lassen kann. Zum Glück hat Voldi eine Engelsgeduld, aber zigtausend Fotos später war doch keines dabei, das mir ansatzweise gefiel. Ich entschied mich schließlich für den Superman, wegen den niedlichen Füßen, und ließ einen Holzschlüsselanhänger anfertigen. Leider sind die Füße darauf abgeschnitten.
Ach ja, und seither habe ich durch puren Zufall einige sehr gute Fotos geschossen, die bestimmt viel besser ausgesehen hätten. Seufz.
Die Darth Vader Faust des Todes |
Ich kaufe Voldi so gerne Sachen. Jedes Mal wenn ich in einen Laden gehe muss ich mich sowas von zurückhalten. Kürzlich habe ich eine Reality Sendung gesehen, in der eine Mutter ihren beiden Kindern jeden Tag ein Geschenk kaufte, das sie nach der Schule auspacken durften. Ich weiß nicht mehr, worum es genau ging, aber die Szene blieb mir in Erinnerung, als die Lütten nämlich am Nachmittag eintrafen flippte eines davon gleich aus, weil es nämlich BEIDE Geschenke haben wollte und nicht nur eines. Rabäääääh.
Für die aktuelle Spielzeuganschaffung für Voldi bestand eher keine Notwendigkeit, allerdings hatte ich damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Das Kind liebt es! Freddie's on the go garden von Lamaze und Voldi sind unzertrennlich. Er verbringt jeden Tag Ewigkeiten damit, die verschiedenen Texturen und Muster zu untersuchen. Die Flügel von Freddie dem Glühwürmchen knistern verlockend. Dann gibt es noch eine kleine Hummel, die ein dezentes Klingelgeräusch macht, wenn angestoßen. Und auf der Blume ist ein kleiner Spiegel angebracht. Wenn wir unterwegs sind, hänge ich das Teil an den Kinderwagen, im Auto an den Babysitz. Wenn wir zum Mamatreff oder Kaffee trinken gehen, ist es immer in der Tasche dabei, beim kleinsten Anzeichen von Quengeln wird Voldi ein happy Baby sobald er Freddie und Konsorten erblickt. So ein guter Kauf, ich klopfe mir immernoch auf die Schulter dafür.
Mummy loves happy Babies |
Es lebe die englische Pubkultur. Niemand wirft einem schiefe Blicke zu, wenn man Sonntag Nachmittags mit Baby einen trinken geht. Tagsüber sind Kinder genau so willkommen, wie der zahlende Gast. Manche Pubs haben Familienbereiche, damit die unschuldigen Kiddies etwas vom obligatorischen Trunkbold an der Theke separiert werden, andere erlauben den Kinderwagen überall.
So hat sich unser Social Life etwas in Richtung Nachmittag vorgezogen.
Familiengedeck |
Spontaner Sommerausbruch, zumindest für ein paar Stunden. Voldi schläft immer dann ein, wenn ich mit dem Kinderwagen in die heimische Straße einbiege. Um ihm etwas mehr notwendigen Mittagsschlaf zu garantieren, drehe ich oft noch eine extra Runde um den Block.
Er wird bald zu groß für die Wanne |
Einfach mal Gras unter den Füßen spüren. Ich finde zusammen mit hochkonzentriertem Schokoeis ist dies ganz oben auf der Glücklich-mach-Skala. Hoffentlich bekommen wir dieses Jahr einen guten Sommer. Momentan ist es wechselhaft. Mal wird man nass geregnet, nur damit kurze Zeit später die Sonne hinter den dunklen Wolken hervorblitzt und hämisch lacht. Dann regnet es wieder.
Gänseblümchen |
Schokoeis, Gras unter den Füßen... wie sieht es aus mit Seifenblasen? Es gibt so viele Dinge, die glücklich machen.
Voldi im Seifenhimmel |
Noch etwas gekauft fürs Kind, diese Sommeranzüge habe ich jedoch im Second Hand Shop abgestaubt. Kurze Ärmel, kurze Beine, ich fühle mich sehr optimistisch.
Rompers |
Zweimal am Tag gehört das Fläschchen machen zu meiner wichtigsten Aufgabe. Es ist so viel zu beachten! Das Wasser muss gekocht werden, und für eine halbe Stunde auf 70 Grad runtergekühlt. Wenn es noch zu heiß ist, tötet es die Nährstoffe im Milchpulver. Wenn es zu kalt ist, sterilisiert es das Pulver nicht. Auch die Flaschen müssen steril sein. Erst das Wasser eingießen bis zur gewünschten Marke. Statt Milliliter habe ich mir jetzt angewöhnt in Unzen zu denken, da ein Messlöffel Milchpulver pro Unze Wasser dazugegeben wird. Verschließen und schütteln. Kurz abkühlen lassen, dann gleich in den Kühlschrank. Wenn Voldi Hunger hat stelle ich die gekühlte Flasche für einige Minuten in ein heißes Wasserbad.
Eigentlich sollte man jede Flasche frisch zubereiten. Allerdings wenn ich nachts ein hungriges Kind im Arm habe, kann ich nicht eine halbe Stunde auf die richtige Wassertemperatur warten. Daher mache ich immer ein paar Flaschen auf Vorrat. Diese Methode hat sich jetzt seit drei Monaten gut bewährt, obwohl verpönt, weswegen man sich öffentlich nicht dazu bekennen sollte. Ups, zu spät.
Vorrat für die Nacht |
Die Queen hat letztes Wochenende ihren 90. Geburtstag gefeiert. 90! Schaut sie euch an, sie ist jung wie nie! Das grüne Kostüm in Signalfarbe stand ihr ganz fantastisch. Man konnte sie sicher auch vom Weltall aus sehen. Stelle mir vor, wie grüne Marsmännchen an ihren Teleskopen sitzen und die Queen of Mars bejubeln.
Happy Birthday Queenie |
Ich hatte ein größeres Kuchenprojekt anlässlich des vierten Geburtstages unseres Neffen. Einen Paw Patrol Kuchen hatte er sich gewünscht. Ich musste das Kinderprogramm erstmal googeln. Es sind Hunde, die irgendwelche Heldentaten vollbringen.
Eigentlich war ich ganz zufrieden mit dem Ergebnis. Der Kuchen war ein Funfetti Cake. Ein Rührkuchen, in dem bunte Streusel eingearbeitet sind, die durch das Backen zerlaufen und bunte Flecken hinterlassen. Um die ganze Sache etwas rutschiger zu machen, hatte ich noch eine Schicht Buttercreme in den Kuchen geschmiert, die ich mit Lebensmittelfarbe blau einfärbte. Etwas zu viel Lebensmittelfarbe, wie ich mir sagen ließ. Alle Kinder, die den Kuchen konsumierten, hatten danach nicht nur blaue Hände, Münder, und Kleidung, sondern schockten auch ihre Eltern am folgenden Tag mit blauen Toilettenhinterlassenschaften. Sorry!!!
I'm blue, daba dee daba die, daba dee daba die |
Oh, das war es ja schon. Hat Spaß gemacht! Ich stell mir gleich mal einen Wecker für nächsten Monat, dass ich den 12. auch nicht verpasse.
Montag, 30. Mai 2016
I'm no Supermum
Geburtsvorbereitungskurs, pah! Säuglingsklassen, buah! Wer hat schon Zeit für so etwas, und vor allem hat Mutter Natur uns nicht mit einem Instinkt versorgt? Die Vogeleltern machen keine Kurse, sie wissen genau wie man ein Nest baut, wie man die Eier warm hält, was man den Nachwuchs in den Schnabel würgt, und wie man die kleinen Racker flügge kriegt. Vor allem ist die Tierwelt so gut durchorganisiert, da kann das als Mensch, als intelligente Rasse, doch nur ein Klacks werden. Oder? Oder?
Ich war mir sicher, dass sich nach der Geburt von Voldi alles von selbst ergeben würde.
Jedoch hatte ich nicht bedacht, dass irgendwelche Instinkte bisher bei mir nur eingesetzt hatten, wenn es darum ging nicht noch einen Tequila nach dem fünften Bier zu bestellen (Überlebensinstinkt), beim Anblick einer Spinne kreischend wegzulaufen (Fluchtinstinkt), und im Badezimmer Raumspray zu benutzen (Urin stinkt).
Jedenfalls hatte ich plötzlich ein Baby, und mein erster und für eine Weile einziger Mutterinstinkt war: Oh Gott. Muss beschützen. Egal wie, aber muss beschützen. Dieses Gefühl setzte mich sowas von unter Druck und Stress, dass mir die ersten paar Wochen nur noch sehr unscharf in Erinnerung sind, außer das Gefühl des absoluten Terrors. Alle paar Minuten überprüfte ich, ob Voldi noch atmete. Ich schlief mit offenen Augen, bei jedem Geräusch aufschreckend, und verbrachte die erste Zeit jede Nacht mit Kind im Arm auf dem Sofa sitzend. Ich aß nicht, ich trank nicht, weigerte mich alleine das Haus zu verlassen, ich starrte nur mit Argusaugen das Baby an und wartete darauf, dass er etwas brauchte. Und ich hatte mich für "cool Mama" gehalten. Tja.
Unerwartet schwierig war auch der Positionswechsel von Voldi. Wenn ich ihn fütterte, in der Armbeuge, und danach zum Rülpser aufrichten und gegen mich lehnen wollte, dann krachte er immer Kopf voran an meinen Hals. Zum Glück war er von Anfang an sehr geduldig und nahm es mit Würde, während ich mich Entschuldigungen stammelnd schämte. Was war dieser Winzling aber auch unhandlich. Der baumelnde Kopf, die dünnen Gliedmaßen, es dauerte einige Zeit bis ich den Bogen raus hatte.
Zum Glück beherrscht Voldi Zeichensprache. Wenn er Hunger hat machte er immer eine Pantomime, die einen alten Mann darstellt, der Suppe löffelte. Ohne Witz. Wenn er Bauchschmerzen hat zieht er die Knie an. Wenn er eine volle Windel hat... naja, das riecht man. Formula Kaka ist sehr geruchsintensiv. So brachte mir zu meiner Schande das Kind alles bei, das ich wissen musste.
Ich habe das Glück, dass Voldi kein Schreibaby ist. Er macht sich bemerkbar wenn er Hunger hat, eine frische Windel möchte oder übermüdet ist. Letzteres kann auch mal in eine längere Quengelattacke resultieren. Und die paar Mal, die ich ihn volle Kanone schreien hören habe, kann ich an einer Hand abzählen. Einmal davon war beim Impfen.
Ich habe mir vor der Geburt nicht groß Gedanken darum gemacht, wie ich welche Situationen einmal regeln werde. Ich mache was sich richtig anfühlt. Am Anfang wurde ich sowas wie kritisiert, weil ich Voldi Tag und Nacht auf dem Arm hatte. Er schlief auf mir, ich immer nur im Halbschlaf, sofort hellwach bei der kleinsten Regung. So verbrachten wir die ersten 6,7,8 Wochen auf dem Sofa. "Du verwöhnst ihn ja schon sehr...", eine gedankenschwere Pause. "Ob er so lernt, dass er mal alleine schlafen muss?"
Kann man einen Säugling wirklich verwöhnen, dachte ich mir. Die arme kleine Kreatur, die keine Ahnung hat wie ihr geschieht. Viertes Trimester nennt man die Zeit nach der Geburt. Es dauert einige Wochen, bis das Baby merkt, dass es vom Körper der Mutter separiert wurde. So lange konnte ich Voldi doch noch größtmöglichen Körperkontakt geben. Oder würde ich eines Tages zurückblicken und mir wünschen, ich hätte ihm weniger Nähe gegeben? Eher nicht.
Ich behielt klein Voldi beharrlich am Körper. Und siehe da, seit der 9. Woche habe ich nun - zu meiner eigenen Überraschung - ein Baby, das jeden Abend friedlich und problemlos in seinem Bett einschläft. Aber auch hier kommt es wohl immer auf das Baby an, aber ich freue mich, dass sich ein Instinkt gemeldet und bewährt hat.
Voldi wächst wie Unkraut. Momentan wird er wieder etwas unhandlich und sehr stark. Mit den Beinen stößt er sich ab, macht sich steif wie ein Brett, und versucht sich im Flachköpper von meinem Arm zu stürzen. Das ist sehr anstrengend und morgens um halb fünf habe ich ihm aus Versehen schlaftrunken beim Abfangen einen Kratzer mit meinem Fingernagel verpasst. Oh Gott, ich fühle mich so schlecht, jedes Mal wenn ich die rote Linie an seiner Schläfe sehe. Beschützen. Muss beschützen.
Mein Instinkt sagt mir, wenn er das hier mal liest, dann kriegt er ein großes Eis spendiert.
Ultimativer Körperkontakt und The Mama hat die Hände frei |
Samstag, 21. Mai 2016
Raumschrott, das Recht am eigenen Foto, und Lord Voldemort
Von Anfang an war mir klar, dass ich die Privatsphäre meines Babys schützen musste. Alle hier veröffentlichen Fotos schweben nämlich ziellos im Internetuniversum wie Raumschrott. Und dieser, weiß man, wird sich niemals in Luft auflösen. Es gibt keinerlei Kontrolle, was mit diesem Schrott passiert. Und deswegen die Entscheidung: Baby bleibt online lieber unsichtbar oder unkenntlich gemacht.
Das Nuf, eine meiner Vorbildsbloggerinnen hat darüber erst kürzlich einen sehr interessanten Artikel geschrieben -> Klick
Einen Blognamen braucht der Lütte natürlich auch noch. Wir hatten bisher schon meine Aupair Kids als Sargnägel, meinen Mann als Gawjus, unter welchem Namen würde wohl das Inselbaby auftreten?
"Der hat ja gar keine Nase, das sieht ja aus wie Voldemort", hatte meine Freundin Jana damals verkündet, als ich ihr ein Ultraschallfoto schickte.
Und so wurde der, dessen Namen vor der Geburt sowieso nicht genannt werden sollte, inoffiziell benannt, in den, dessen Namen nicht genannt werden soll: Voldi
Der, dessen Gesicht nicht gezeigt werden soll. Für diesen Zweck bin ich in Besitz von allerliebsten Baby-Voldi Zeichnungen gekommen, mit denen ich meine Fotos zensieren darf. Angefertigt wurden diese unbekannter- und netterweise von einer talentierten Künstlerin, die sich für die Sache begeistern konnte.
Die Dame ist hier zu finden -> Klick - und auch verlinkt in meiner Sidebar (für Handybenutzer, ganz unten auf "Webversion anzeigen" klicken)
Und hier ist der erste zensierte Voldi. Perfekt.
Das Nuf, eine meiner Vorbildsbloggerinnen hat darüber erst kürzlich einen sehr interessanten Artikel geschrieben -> Klick
Einen Blognamen braucht der Lütte natürlich auch noch. Wir hatten bisher schon meine Aupair Kids als Sargnägel, meinen Mann als Gawjus, unter welchem Namen würde wohl das Inselbaby auftreten?
"Der hat ja gar keine Nase, das sieht ja aus wie Voldemort", hatte meine Freundin Jana damals verkündet, als ich ihr ein Ultraschallfoto schickte.
Und so wurde der, dessen Namen vor der Geburt sowieso nicht genannt werden sollte, inoffiziell benannt, in den, dessen Namen nicht genannt werden soll: Voldi
Der, dessen Gesicht nicht gezeigt werden soll. Für diesen Zweck bin ich in Besitz von allerliebsten Baby-Voldi Zeichnungen gekommen, mit denen ich meine Fotos zensieren darf. Angefertigt wurden diese unbekannter- und netterweise von einer talentierten Künstlerin, die sich für die Sache begeistern konnte.
Die Dame ist hier zu finden -> Klick - und auch verlinkt in meiner Sidebar (für Handybenutzer, ganz unten auf "Webversion anzeigen" klicken)
Und hier ist der erste zensierte Voldi. Perfekt.
Der halbdunkle Lord grinst fies vergnügt |
Freitag, 20. Mai 2016
Das Inselbaby V - Möpse, Milch, und Mentaler Maschinenschaden
Die Glanzstunde meiner Brüste war endlich gekommen.
Seit fast zwei Jahrzehnten hatte ich Mutter Natur verflucht, weil sie bei der Vergabe der Oberweite bei mir gleich eine Vierfachportion auf den Genteller geschöpft hatte, die Beilage der Körperlänge aber komplett unter den Tisch fallen ließ. Riesenmöpse sind sehr unpraktisch. Der Kauf von Oberbekleidung kann einen da schonmal in den Wahnsinn treiben. Wenn sich die Bluse endlich zuknöpfen lässt, sind die Ärmel drei Meter zu lang. Im hochgeschlossenen Kleid sieht man aus wie ein Pornostar, im Ausgeschnittenen sowieso. Auch die Schwangerschaft hatte nicht hilfreich dazu beigetragen und mir sowieso schon gut bestückter Person noch ein, zwei zusätzliche Körbchengrößen beschert. Ein neuer Tiefpunkt war erreicht, als ich am Esstisch mit der Brust ein Stück Pizza von meinem Teller fegte, und im Bus unbeabsichtigterweise mit Oberweite den Stopknopf drückte. Letzteres führte dazu, dass ich einige Haltestellen zu früh ausstieg, um mich nicht zu blamieren.
Jetzt aber los, seid endlich zu etwas nütze, dachte ich, als ich versuchte meinem Baby endlich die notwendige Nahrung zukommen zu lassen. Doch Blutverlust und Flüssigkeitsmangel hatten mich ausgetrocknet wie eine Dörrpflaume. Es war nichts zu holen. Der kleine Kerl hatte dazu auch keine Ahnung was er machen sollte und schluchzte herzzerreißend. Ich hatte noch viel weniger Ahnung was ich machen sollte, und blickte die Hebamme hilfesuchend an.
"Haben Sie Ersatzmilch dabei?" Ersatzmilch, selbstverständlich nicht. Ich dachte doch, dass Mutter Natur in den letzten Monaten eine schicke Milchbar eingerichtet hatte. Freier Eintritt und so viele Milkshakes wie man sich nur hinter die Binde schütten konnte. All you can drink.
Gawjus sprintete zum nächsten Supermarkt und kaufte sogenannte Formula, ein fertiggemischter Muttermilchersatz. Durch einen dünnen Schlauch in den Mund wurde das Baby zunächst zufriedengestellt. Danach erfolgte der Auszug aus dem Entbindungszimmer. Erneut packte ich meine Sachen und schob den Behälter mit dem Baby durch den Korridor in ein... Viererzimmer. Schon wieder. Die berühmten blauen Vorhänge teilten den Raum in vier Zellen. Statt der Geburtseinleitungsgesellschaft waren hier nur frischgebackene Eltern, Säuglinge, und jede Menge Besucher. Die Raumtemperatur betrug 48 Grad im Schatten und es gab keine Fenster. Die Zellennachbarn gegenüber stachen ganz besonders auffällig durch ein sehr stimmliches Neugeborenes heraus. Es schrie ohne Unterbrechung. Wäh! Wäh! Wäh! Wäh! Wäh! Wäh! Wäh! Wäh!
Dachte ich, dass meine Würde in der Nacht zuvor schon auf Nimmerwiedersehen verloren gegangen war, so erfuhr ich jetzt noch einmal Behandlung ganz spezieller Art. Ich hatte nämlich zwei Hebammen, die an meinen Brüsten herumdrückten um ihnen auch nur die geringste Menge an Flüssigkeit zu entlocken. Ohne Erfolg. Sie hielten das Baby zu zweit, hielten seinen Kopf wie in einem Klemmeisen und versuchten ihn an mich anzulegen. Ohne Erfolg. Er wimmerte und schluchzte, was mir im Herzen weh tat. Lieber wieder Formula.
Wer mitgezählt hat, weiß dass dies nun die vierte Nacht im Krankenhaus werden sollte. Und auch diese blieb schlaflos. Das Wäh! Wäh! Wäh! Baby hörte nicht auf. Seine gestressten Eltern klingelte alle paar Minuten nach der Hebamme. Mein Baby wimmerte genervt und war hellwach. Ich bereute, dass ich den Gawjus wieder zum Schlafen nach Hause geschickt hatte. Alle zwei Stunden flößte ich meinem Kind Formula ein. Dazu musste ich erst zum stationseigenen Kühlschrank humpeln (Ich fühlte mich, als wäre ich angefahren worden), 20ml Formula in einen Messbecher füllen, wieder zurück zu meiner Zelle humpeln, zum Waschbecken humpeln, warmes Wasser in einen Becher füllen, meine Hände waschen, wieder zurück zur Zelle humpeln, den Messbecher für eine Weile in den Becher mit warmem Wasser stellen, einen kleinen Schlauch mit Klebeband an meinem Finger befestigen, das Ende des Schlauches in den Messbecher stecken, meinen Finger in den kleinen Babymund stecken, durch sanftes Wackeln den kleinen Kerl zum Saugen animieren, die 20ml im Kindchen versenken, ihn durch leichtes Täscheln zum rülpsen animieren, das Baby wickeln, wieder in den Behälter legen, zudecken, den Schlauch enfernen, und zusammen mit dem Messbecher sterilisieren. Das ganze mit Wäh! Wäh! Wäh! als Hintergrundgeräusch in brütender Hitze. Und dann war es schon wieder soweit für die nächste Fütterung.
Am nächsten Tag, Sonntag, war ich fertig mit den Nerven. So richtig. Hormone, Hitze, heulende Babys. Die Hebammen kamen zurück und quetschten wieder an meinen Brüsten herum ohne Erfolg. Das Baby fing an auszuflippen jedes Mal wenn es nur in die Nähe meines Nippels kam. Ich fing es an persönlich zu nehmen und verlor auch noch das letzte Bisschen an Würde: Ich heulte. Ich heulte so lange und so gründlich, dass es sogar in meiner Akte vermerkt wurde. "Patient very teary"
Die blauen Vorhänge machten mich klaustrophobisch, die Hitze ließ den Schweiß nur so an mir runtertropfen. Ich hatte in jedem Arm noch eine Kanüle stecken. Die Hebammen versuchten an mehreren Stellen Blut abzunehmen, aber ich war nach wie vor noch komplett ausgetrocknet. Das Wäh! Wäh! Wäh! Baby hatte immernoch nicht aufgehört. Ständig klingelte jemand wieder nach einer Hebamme und das ständige Ding-Ding-Ding der aufdringlichen Glocke raubte mir auch noch den letzten Verstand.
Ich will nach Hause, schoss es mir plötzlich durch den Kopf. "Ich will nach Hauuuusäääää", heulte ich. Die Hebi schüttelte belustigt den Kopf. "Ich.Will.Nach.Hause." beharrte ich. Und irgendwann "Ich gehe nach Hause!" Dabei war ich so bestimmt, verlangte den Manager, drohte mit sofortigem Aufbruch, packte meine Sachen, bis die Hebis nachgaben. Der Gawjus war eher besorgt, aber mit einer frischgebackenen Mutterfurie mochte er sich auch nicht anlegen. Nur kurze fünf Stunden Wartezeit später hatte ich endlich die Entlassungspapiere in den Händen, packte das Baby in den Autositz und weg waren wir. Es waren nur vier Tage und Nächte gewesen, aber sofort als frischen Sauerstoff um meine Nase wehte, fühlte ich mich, als hätte ich mich für einige Wochen in einer Höhle verlaufen und würde zum ersten Mal wieder das Tageslicht sehen. Als wir im Auto saßen wies ich den Gawjus an noch kurz zu warten. Die Stille, die absolute Stille dröhnte in meinen Ohren wie tausend Presslufthämmer. Es war wunderbar.
Zuhause angekommen fiel sofort der Stress ab. Ich warf den dämlichen Schlauch und Messbecher in den Müll und füllte die 20ml Formula in eine richtige Babyflasche. Das Kindchen saugte so eifrig und dankbar, dass mir schon wieder die Tränen kamen. Scheiß Hormone. Aber dieses Mal Tränen der Erleichterung. Und als wir so auf dem Sofa im Wohnzimmer saßen, das Baby friedlich schlummernd, da stimmte auch der Gawjus zu, dass es eine gute Entscheidung gewesen war das Krankenhaus zu verlassen. Jetzt konnte das Leben losgehen.
Seit fast zwei Jahrzehnten hatte ich Mutter Natur verflucht, weil sie bei der Vergabe der Oberweite bei mir gleich eine Vierfachportion auf den Genteller geschöpft hatte, die Beilage der Körperlänge aber komplett unter den Tisch fallen ließ. Riesenmöpse sind sehr unpraktisch. Der Kauf von Oberbekleidung kann einen da schonmal in den Wahnsinn treiben. Wenn sich die Bluse endlich zuknöpfen lässt, sind die Ärmel drei Meter zu lang. Im hochgeschlossenen Kleid sieht man aus wie ein Pornostar, im Ausgeschnittenen sowieso. Auch die Schwangerschaft hatte nicht hilfreich dazu beigetragen und mir sowieso schon gut bestückter Person noch ein, zwei zusätzliche Körbchengrößen beschert. Ein neuer Tiefpunkt war erreicht, als ich am Esstisch mit der Brust ein Stück Pizza von meinem Teller fegte, und im Bus unbeabsichtigterweise mit Oberweite den Stopknopf drückte. Letzteres führte dazu, dass ich einige Haltestellen zu früh ausstieg, um mich nicht zu blamieren.
Jetzt aber los, seid endlich zu etwas nütze, dachte ich, als ich versuchte meinem Baby endlich die notwendige Nahrung zukommen zu lassen. Doch Blutverlust und Flüssigkeitsmangel hatten mich ausgetrocknet wie eine Dörrpflaume. Es war nichts zu holen. Der kleine Kerl hatte dazu auch keine Ahnung was er machen sollte und schluchzte herzzerreißend. Ich hatte noch viel weniger Ahnung was ich machen sollte, und blickte die Hebamme hilfesuchend an.
"Haben Sie Ersatzmilch dabei?" Ersatzmilch, selbstverständlich nicht. Ich dachte doch, dass Mutter Natur in den letzten Monaten eine schicke Milchbar eingerichtet hatte. Freier Eintritt und so viele Milkshakes wie man sich nur hinter die Binde schütten konnte. All you can drink.
Gawjus sprintete zum nächsten Supermarkt und kaufte sogenannte Formula, ein fertiggemischter Muttermilchersatz. Durch einen dünnen Schlauch in den Mund wurde das Baby zunächst zufriedengestellt. Danach erfolgte der Auszug aus dem Entbindungszimmer. Erneut packte ich meine Sachen und schob den Behälter mit dem Baby durch den Korridor in ein... Viererzimmer. Schon wieder. Die berühmten blauen Vorhänge teilten den Raum in vier Zellen. Statt der Geburtseinleitungsgesellschaft waren hier nur frischgebackene Eltern, Säuglinge, und jede Menge Besucher. Die Raumtemperatur betrug 48 Grad im Schatten und es gab keine Fenster. Die Zellennachbarn gegenüber stachen ganz besonders auffällig durch ein sehr stimmliches Neugeborenes heraus. Es schrie ohne Unterbrechung. Wäh! Wäh! Wäh! Wäh! Wäh! Wäh! Wäh! Wäh!
Dachte ich, dass meine Würde in der Nacht zuvor schon auf Nimmerwiedersehen verloren gegangen war, so erfuhr ich jetzt noch einmal Behandlung ganz spezieller Art. Ich hatte nämlich zwei Hebammen, die an meinen Brüsten herumdrückten um ihnen auch nur die geringste Menge an Flüssigkeit zu entlocken. Ohne Erfolg. Sie hielten das Baby zu zweit, hielten seinen Kopf wie in einem Klemmeisen und versuchten ihn an mich anzulegen. Ohne Erfolg. Er wimmerte und schluchzte, was mir im Herzen weh tat. Lieber wieder Formula.
Wer mitgezählt hat, weiß dass dies nun die vierte Nacht im Krankenhaus werden sollte. Und auch diese blieb schlaflos. Das Wäh! Wäh! Wäh! Baby hörte nicht auf. Seine gestressten Eltern klingelte alle paar Minuten nach der Hebamme. Mein Baby wimmerte genervt und war hellwach. Ich bereute, dass ich den Gawjus wieder zum Schlafen nach Hause geschickt hatte. Alle zwei Stunden flößte ich meinem Kind Formula ein. Dazu musste ich erst zum stationseigenen Kühlschrank humpeln (Ich fühlte mich, als wäre ich angefahren worden), 20ml Formula in einen Messbecher füllen, wieder zurück zu meiner Zelle humpeln, zum Waschbecken humpeln, warmes Wasser in einen Becher füllen, meine Hände waschen, wieder zurück zur Zelle humpeln, den Messbecher für eine Weile in den Becher mit warmem Wasser stellen, einen kleinen Schlauch mit Klebeband an meinem Finger befestigen, das Ende des Schlauches in den Messbecher stecken, meinen Finger in den kleinen Babymund stecken, durch sanftes Wackeln den kleinen Kerl zum Saugen animieren, die 20ml im Kindchen versenken, ihn durch leichtes Täscheln zum rülpsen animieren, das Baby wickeln, wieder in den Behälter legen, zudecken, den Schlauch enfernen, und zusammen mit dem Messbecher sterilisieren. Das ganze mit Wäh! Wäh! Wäh! als Hintergrundgeräusch in brütender Hitze. Und dann war es schon wieder soweit für die nächste Fütterung.
Am nächsten Tag, Sonntag, war ich fertig mit den Nerven. So richtig. Hormone, Hitze, heulende Babys. Die Hebammen kamen zurück und quetschten wieder an meinen Brüsten herum ohne Erfolg. Das Baby fing an auszuflippen jedes Mal wenn es nur in die Nähe meines Nippels kam. Ich fing es an persönlich zu nehmen und verlor auch noch das letzte Bisschen an Würde: Ich heulte. Ich heulte so lange und so gründlich, dass es sogar in meiner Akte vermerkt wurde. "Patient very teary"
Die blauen Vorhänge machten mich klaustrophobisch, die Hitze ließ den Schweiß nur so an mir runtertropfen. Ich hatte in jedem Arm noch eine Kanüle stecken. Die Hebammen versuchten an mehreren Stellen Blut abzunehmen, aber ich war nach wie vor noch komplett ausgetrocknet. Das Wäh! Wäh! Wäh! Baby hatte immernoch nicht aufgehört. Ständig klingelte jemand wieder nach einer Hebamme und das ständige Ding-Ding-Ding der aufdringlichen Glocke raubte mir auch noch den letzten Verstand.
Ich will nach Hause, schoss es mir plötzlich durch den Kopf. "Ich will nach Hauuuusäääää", heulte ich. Die Hebi schüttelte belustigt den Kopf. "Ich.Will.Nach.Hause." beharrte ich. Und irgendwann "Ich gehe nach Hause!" Dabei war ich so bestimmt, verlangte den Manager, drohte mit sofortigem Aufbruch, packte meine Sachen, bis die Hebis nachgaben. Der Gawjus war eher besorgt, aber mit einer frischgebackenen Mutterfurie mochte er sich auch nicht anlegen. Nur kurze fünf Stunden Wartezeit später hatte ich endlich die Entlassungspapiere in den Händen, packte das Baby in den Autositz und weg waren wir. Es waren nur vier Tage und Nächte gewesen, aber sofort als frischen Sauerstoff um meine Nase wehte, fühlte ich mich, als hätte ich mich für einige Wochen in einer Höhle verlaufen und würde zum ersten Mal wieder das Tageslicht sehen. Als wir im Auto saßen wies ich den Gawjus an noch kurz zu warten. Die Stille, die absolute Stille dröhnte in meinen Ohren wie tausend Presslufthämmer. Es war wunderbar.
Zuhause angekommen fiel sofort der Stress ab. Ich warf den dämlichen Schlauch und Messbecher in den Müll und füllte die 20ml Formula in eine richtige Babyflasche. Das Kindchen saugte so eifrig und dankbar, dass mir schon wieder die Tränen kamen. Scheiß Hormone. Aber dieses Mal Tränen der Erleichterung. Und als wir so auf dem Sofa im Wohnzimmer saßen, das Baby friedlich schlummernd, da stimmte auch der Gawjus zu, dass es eine gute Entscheidung gewesen war das Krankenhaus zu verlassen. Jetzt konnte das Leben losgehen.
Donnerstag, 19. Mai 2016
Das Inselbaby IV - A star is born
Meine Erinnerung lässt mich hier etwas im Stich. Ich bin davon überzeugt, dass man nach der Geburt geblitzdingst wird, um alles zu vergessen. Das ist das große Geheimnis der Krankenhäuser, dafür zu sorgen, dass die Menschheit nicht ausstirbt und auch noch nach der traumatischsten aller Geburten fleißig Nachkommen zeugt.
Aber viele der Geschehnisse sind mir auch jetzt noch frisch in Erinnerung, oder wurden mir nachträglich vom Gawjus erzählt. Der Ärmste war ja nicht auf Droge, sondern musste alles live miterleben. Nach so einem Ereignis hat man wirklich überhaupt keine Geheimnisse mehr voreinander.
Falls jemand nicht so gut mit Berichten über Nadeln oder Blut umgehen kann, lasst das Lesen lieber bleiben.
Die Wehen mussten mittlerweile wirklich schlimm sein, denn ich spürte trotz PDA einen furchtbaren Druck auf mein Hinterteil. Fast fürchtete ich, das Kindelein würde den falschen Ausgang nehmen.
Dr. W-W war mit meinem Geburtskanal zufrieden. Weniger zufrieden jedoch mit den kindlichen Herztönen. Sie rief noch ein paar Leute dazu, und verkündete mir, dass es jetzt ans Eingemachte ginge. Ich hätte zehn Minuten um das Baby rauszupressen. Wenn es nicht gelänge würde das Baby mit der Geburtszange zu seinem Glück gezwungen werden.
Der Gedanke an Whoopi-Wanda, wie sie mit einer Grillzange in mir herumstocherte beflügelte mich ganz ungemein. Ich Pssscchhhhte noch etwas Wundersirup in mein Rückenmark, spuckte gedanklich in die Hände und presste mal probeweise ein wenig herum. "Halt, jetzt doch nicht!" rief eine der Hebammen. "Erst mit der nächsten Wehe!" Na, das hätte ja einem mal jemand erklären können.
"Don't tell the girl how to push! Girl knows how to push, hmm mmh!" wies Dr. W-W die Hebi zurecht und wackelte mit dem Kopf. Und zu mir: "Go, gimme a push." Und ich pushte. Ich pushte so sehr, wie ich in meinem Leben noch nicht gepusht hatte. Ich pushte so sehr, dass Babys Kopf innerhalb von wenigen Sekunden am Fenster erschien und erstaunt ins Licht blinzelte (ok, das mit dem Blinzeln ist erfunden. Von meiner Position aus konnte ich das unmöglich sehen). Einen Atemzug später kam auch schon der Rest ganz von alleine rausgerutscht, und bevor ich mich versehen konnte hatte ich ein blutiges, verschmiertes Bündel auf meinem Bauch liegen.
Im Film sieht man ja immer, wie tiefstes, inniges Glück durch die verschwitzte Gebärende flutet und sie sofort das perfekt geformte, rosa farbene Baby abknutscht.
In Realität war es bei mir eher so:
Gedanke Nummer 1 - Oh mein Gott, ein Baby!
Gedanke Nummer 2 - Iiih, was ist das schmierige Zeug, das will ich eigentlich nicht an meine Hände bekommen, deswegen halte ich das Baby mal besser nur mit meinen Handgelenken fest, bis es ein wenig abgeputzt ist.
Gedanke Nummer 3 - Ob ich wohl genäht werden muss?
Der Gawjus kappte die Nabelschnur, während ich einfach nur diesen mir komplett unbekannten kleinen Menschen anstarrte. Und der kleine Mensch starrte mit riesigen, wachen Augen zurück.
"Imma gonna get this placenta out!" rief Dr. W-W und schon bekam ich eine Spritze in den Schenkel, presste noch einmal und mein Inneres stülpte sich buchstäblich nach außen. Mir fiel irgendwann auf, dass an meinem anderen Ende geschäftiges Schweigen und schnelle Handgriffe stattfunden.
"Muss ich genäht werden?", fragte ich.
"Ähmm", antwortete eine junge Hebi, "Das wissen wir noch nicht." Anscheinend war die Sicht versperrt, da sich mit der Plazenta noch ein Sturzbach an Blut abgelöst hatte. Mehr Leute betraten bemüht langsam den Raum und an meinem Fußende hatte sich eine beachtliche Zuschauermenge eingefunden, die mein Trümmerfeld betrachtete als wäre ich ein Flachbildschirm auf dem eine Naturkatastrope live gesendet wurde. Noch während ich "Wie geht's uns denn?" fragen wollte, wurde mir schwummerig und kalt. So kalt. Ich bat Gawjus schnell das Baby zu nehmen, denn sollte ich ohnmächtig werden, dann sicher nicht mit meinem Kind im Arm.
Es kam Bewegung in die Zuschauer. Mit einer dicken Nadel stach mir jemand mitten in den Arm zwischen Handgelenk und Ellbogeninnenseite. Ich weiß noch, dass ich entgeistert die Kanüle betrachtete, die an solch ungewöhnlicher Stelle platziert zu sein schien. Mein Blutdruck hatte ich wohl zur Abwechslung mal in die andere Richtung begeben und ich fing an zu faseln. Laut Gawjus sagte ich: "Nein danke, ich möchte wirklich keinen Nachtisch."
Ein fremder Typ betrachtete nachdenklich meine Füße. Ich trug schicke Trombosestrümpfe, doch mein linker großer Zeh hing aus dem Loch an der Fußspitze. "Och wie süß, er rückt mir die Strümpfe zurecht", dachte ich noch. Da hatte er schon zugestochen. Mit einer Nadel. In meinen großen Zeh. Blutzucker wollte er messen, das weiß ich jetzt. Aber im Halbdelirium fand ich das einfach nur gemein.
Ich lag für gefühlte Ewigkeiten da, die Beine immernoch in Geburtsposition, Leute auf- und ab laufend. Die junge Hebi flickte mit Nadel und Faden ein paar Risse in meinem Hautanzug. Meine Augen fielen zu, doch ich hielt mich krampfhaft wach. Was für eine Rabenmutter wäre ich, die ersten Lebensstunden meines Kindes zu verschlafen?
Gawjus hatte den brandneuen Inselbewohner gesäubert. Er wurde gewogen, mickrige 2370g und gemessen, mickrige 46cm. Der erste Strampler, den ich in irgendeiner weiser Voraussicht extra eine Größe kleiner als Neugeboren gekauft hatte, war trotzdem viel zu groß.
Als mein Blutdruck wieder in normalen Sphären schwebte konnte ich wieder das Baby halten. Er war perfekt. Alles dran, nur mickrig. Die Beine wie so Hühnerfüße mit Falten. Als wenn die Haut noch viel zu groß für das kleine Wesen wäre.
Aus Nacht wurde Tag, Dr. W-W ging nach Hause, also waren endlich meine Lady Bits sicher. Der Gawjus holte Kaffee und Baby lag auf dem Wärmebett, als plötzlich sein Wimmern an mein Ohr drang. Dieses Baby brüllte nicht, es war nur zu einem winzigen Wimmern fähig.
Da-da-da, Super-Mum! Mein Kind brauchte mich. Wie eingeölter Blitz altes Mütterchen schälte ich mich aus dem Bett. Siehe da, mein linkes Bein hatte den Betrieb wieder aufgenommen. Es war durch die PDA in der Nacht zeitweise komplett nutzlos gewesen. Langsam schlurfte ich in Richtung Wimmern, wurde aber durch etwas zurückgehalten. Ach ja, der Katheter. Umständlich löste ich den Urinbehälter vom Bettgestell, wickelte noch eine Decke um meinen Körper, mir fiel nämlich auf dass ich splitterfasernackt war. So machte ich mich auf den Weg und erreichte nach ein paar Metern, die sich wie Kilometer anfühlten, meinen Sohn.
Die Hebamme, die den Raum betrat staunte nicht schlecht. Da stand ich, das Leintuch wie eine römische Toga um mich gewickelt, mit dem Urinbehälter, dämlich grinsend mein Baby betrachtend. Kopfschüttelnd scheuchte sie mich zurück zum Bett und befahl mir ja liegen zu bleiben. Ich würde erst noch ein paar Bluttransfusion benötigen, bis ich zu Ausflügen irgendeiner Art in der Lage sein würde.
Ich weiß nicht wessen Blut es war, das in meinen Arm gepumpt wurde, aber ich stellte mir vor es sei das eines Extremsportlers. Mit jeder Minute fühlte ich mich nämlich kräftiger und fitter. Außerdem war ich am verhungern. Ich stopfte eine ganze Rolle Pringles in meinen Hals, danach beantragte ich eine Dusche. Es klebte immernoch Geburtsblut an meinen Handgelenken, vom ersten Kontakt mit dem Baby. Auf den Zustand meiner Beine und generellen Unterkörpers möchte ich mal gar nicht eingehen, aber als ich endlich ins Badezimmer unter die ersehnte Dusche durfte, zog ich eine Blutspur hinter mir her.
"Jetzt sollten wir aber mal das Baby füttern", meinte die Hebamme, als ich wieder in meinem Bett geparkt war. Oh Gott, Rabenmutter des Jahres. Es war mir gar nicht aufgefallen, dass mein Kind noch überhaupt nichts zu sich genommen hatte. War das normal? War das schlimm? Die Hebamme schien sich jedoch nichts dabei zu denken. Sie nahm das Baby und trat an meine Seite.
"Links oder Rechts?" fragte sie.
Ich hatte nichts die gerinste Ahnung, was sie meinte.
Fortsetzung folgt.
Aber viele der Geschehnisse sind mir auch jetzt noch frisch in Erinnerung, oder wurden mir nachträglich vom Gawjus erzählt. Der Ärmste war ja nicht auf Droge, sondern musste alles live miterleben. Nach so einem Ereignis hat man wirklich überhaupt keine Geheimnisse mehr voreinander.
Falls jemand nicht so gut mit Berichten über Nadeln oder Blut umgehen kann, lasst das Lesen lieber bleiben.
Die Wehen mussten mittlerweile wirklich schlimm sein, denn ich spürte trotz PDA einen furchtbaren Druck auf mein Hinterteil. Fast fürchtete ich, das Kindelein würde den falschen Ausgang nehmen.
Dr. W-W war mit meinem Geburtskanal zufrieden. Weniger zufrieden jedoch mit den kindlichen Herztönen. Sie rief noch ein paar Leute dazu, und verkündete mir, dass es jetzt ans Eingemachte ginge. Ich hätte zehn Minuten um das Baby rauszupressen. Wenn es nicht gelänge würde das Baby mit der Geburtszange zu seinem Glück gezwungen werden.
Der Gedanke an Whoopi-Wanda, wie sie mit einer Grillzange in mir herumstocherte beflügelte mich ganz ungemein. Ich Pssscchhhhte noch etwas Wundersirup in mein Rückenmark, spuckte gedanklich in die Hände und presste mal probeweise ein wenig herum. "Halt, jetzt doch nicht!" rief eine der Hebammen. "Erst mit der nächsten Wehe!" Na, das hätte ja einem mal jemand erklären können.
"Don't tell the girl how to push! Girl knows how to push, hmm mmh!" wies Dr. W-W die Hebi zurecht und wackelte mit dem Kopf. Und zu mir: "Go, gimme a push." Und ich pushte. Ich pushte so sehr, wie ich in meinem Leben noch nicht gepusht hatte. Ich pushte so sehr, dass Babys Kopf innerhalb von wenigen Sekunden am Fenster erschien und erstaunt ins Licht blinzelte (ok, das mit dem Blinzeln ist erfunden. Von meiner Position aus konnte ich das unmöglich sehen). Einen Atemzug später kam auch schon der Rest ganz von alleine rausgerutscht, und bevor ich mich versehen konnte hatte ich ein blutiges, verschmiertes Bündel auf meinem Bauch liegen.
Im Film sieht man ja immer, wie tiefstes, inniges Glück durch die verschwitzte Gebärende flutet und sie sofort das perfekt geformte, rosa farbene Baby abknutscht.
In Realität war es bei mir eher so:
Gedanke Nummer 1 - Oh mein Gott, ein Baby!
Gedanke Nummer 2 - Iiih, was ist das schmierige Zeug, das will ich eigentlich nicht an meine Hände bekommen, deswegen halte ich das Baby mal besser nur mit meinen Handgelenken fest, bis es ein wenig abgeputzt ist.
Gedanke Nummer 3 - Ob ich wohl genäht werden muss?
Der Gawjus kappte die Nabelschnur, während ich einfach nur diesen mir komplett unbekannten kleinen Menschen anstarrte. Und der kleine Mensch starrte mit riesigen, wachen Augen zurück.
"Imma gonna get this placenta out!" rief Dr. W-W und schon bekam ich eine Spritze in den Schenkel, presste noch einmal und mein Inneres stülpte sich buchstäblich nach außen. Mir fiel irgendwann auf, dass an meinem anderen Ende geschäftiges Schweigen und schnelle Handgriffe stattfunden.
"Muss ich genäht werden?", fragte ich.
"Ähmm", antwortete eine junge Hebi, "Das wissen wir noch nicht." Anscheinend war die Sicht versperrt, da sich mit der Plazenta noch ein Sturzbach an Blut abgelöst hatte. Mehr Leute betraten bemüht langsam den Raum und an meinem Fußende hatte sich eine beachtliche Zuschauermenge eingefunden, die mein Trümmerfeld betrachtete als wäre ich ein Flachbildschirm auf dem eine Naturkatastrope live gesendet wurde. Noch während ich "Wie geht's uns denn?" fragen wollte, wurde mir schwummerig und kalt. So kalt. Ich bat Gawjus schnell das Baby zu nehmen, denn sollte ich ohnmächtig werden, dann sicher nicht mit meinem Kind im Arm.
Es kam Bewegung in die Zuschauer. Mit einer dicken Nadel stach mir jemand mitten in den Arm zwischen Handgelenk und Ellbogeninnenseite. Ich weiß noch, dass ich entgeistert die Kanüle betrachtete, die an solch ungewöhnlicher Stelle platziert zu sein schien. Mein Blutdruck hatte ich wohl zur Abwechslung mal in die andere Richtung begeben und ich fing an zu faseln. Laut Gawjus sagte ich: "Nein danke, ich möchte wirklich keinen Nachtisch."
Ein fremder Typ betrachtete nachdenklich meine Füße. Ich trug schicke Trombosestrümpfe, doch mein linker großer Zeh hing aus dem Loch an der Fußspitze. "Och wie süß, er rückt mir die Strümpfe zurecht", dachte ich noch. Da hatte er schon zugestochen. Mit einer Nadel. In meinen großen Zeh. Blutzucker wollte er messen, das weiß ich jetzt. Aber im Halbdelirium fand ich das einfach nur gemein.
Ich lag für gefühlte Ewigkeiten da, die Beine immernoch in Geburtsposition, Leute auf- und ab laufend. Die junge Hebi flickte mit Nadel und Faden ein paar Risse in meinem Hautanzug. Meine Augen fielen zu, doch ich hielt mich krampfhaft wach. Was für eine Rabenmutter wäre ich, die ersten Lebensstunden meines Kindes zu verschlafen?
Gawjus hatte den brandneuen Inselbewohner gesäubert. Er wurde gewogen, mickrige 2370g und gemessen, mickrige 46cm. Der erste Strampler, den ich in irgendeiner weiser Voraussicht extra eine Größe kleiner als Neugeboren gekauft hatte, war trotzdem viel zu groß.
Als mein Blutdruck wieder in normalen Sphären schwebte konnte ich wieder das Baby halten. Er war perfekt. Alles dran, nur mickrig. Die Beine wie so Hühnerfüße mit Falten. Als wenn die Haut noch viel zu groß für das kleine Wesen wäre.
Herr Hühnerfüß |
Da-da-da, Super-Mum! Mein Kind brauchte mich. Wie ein
Die Hebamme, die den Raum betrat staunte nicht schlecht. Da stand ich, das Leintuch wie eine römische Toga um mich gewickelt, mit dem Urinbehälter, dämlich grinsend mein Baby betrachtend. Kopfschüttelnd scheuchte sie mich zurück zum Bett und befahl mir ja liegen zu bleiben. Ich würde erst noch ein paar Bluttransfusion benötigen, bis ich zu Ausflügen irgendeiner Art in der Lage sein würde.
Ich weiß nicht wessen Blut es war, das in meinen Arm gepumpt wurde, aber ich stellte mir vor es sei das eines Extremsportlers. Mit jeder Minute fühlte ich mich nämlich kräftiger und fitter. Außerdem war ich am verhungern. Ich stopfte eine ganze Rolle Pringles in meinen Hals, danach beantragte ich eine Dusche. Es klebte immernoch Geburtsblut an meinen Handgelenken, vom ersten Kontakt mit dem Baby. Auf den Zustand meiner Beine und generellen Unterkörpers möchte ich mal gar nicht eingehen, aber als ich endlich ins Badezimmer unter die ersehnte Dusche durfte, zog ich eine Blutspur hinter mir her.
"Jetzt sollten wir aber mal das Baby füttern", meinte die Hebamme, als ich wieder in meinem Bett geparkt war. Oh Gott, Rabenmutter des Jahres. Es war mir gar nicht aufgefallen, dass mein Kind noch überhaupt nichts zu sich genommen hatte. War das normal? War das schlimm? Die Hebamme schien sich jedoch nichts dabei zu denken. Sie nahm das Baby und trat an meine Seite.
"Links oder Rechts?" fragte sie.
Ich hatte nichts die gerinste Ahnung, was sie meinte.
Fortsetzung folgt.
Das Inselbaby III - Wehe wenn Wehen weh tun
Die Hebamme, die mich in das neue Zimmer begleitet hatte, übergab mich an eine dort wartende. Als wenn ich nicht anwesend wäre berichtete sie meine ganze bisherige Geschichte. Ich lauschte interessiert der Erzählung über mich in dritter Person. Die ganze Blutdruck-Bronchitis-Sache hörte sich sehr dramatisch an, stellte ich zufrieden fest.
"Ach ja, und außerdem hat sie von Dr. Whoopi-Wanda gerade einen Sweep verpasst bekommen", schloss die Hebi den Bericht ab. Die andere riss entsetzt die Augen auf, und für ein paar Sekunden fand ein stummer Dialog zwischen den beiden statt, den ich nur so interpretieren konnte, dass Frau Doktor W-W (weh-weh, get it, haha) dafür wohl berühmt berüchtigt war.
Die Wehen ließen mich übrigens mittlerweile zusammenkrümmen. Ich zwang mich auf jede einzelne zu konzentrieren. Schloss die Augen und stellte mir die Berge und Täler auf dem Monitor-Ausdruck vor. Hoch den Berg ging die Wehe, bis sie ganz oben angekommen nur noch wieder nach unten gehen konnte. Die Talfahrt war ganz wunderbar.
"Etwas Lachgas?" fragte Hebi und hielt mir einen Schlauch hin, an dem vorne ein schmales Mundstück wie von einem Saxophon angebracht war. Ich nahm einen Zug, und paffte das Zeug wie bei einer Zigarette wieder aus. Uaaahhgaaah, mein Hals brannte!
"In das Mundstück ausatmen!" korrigierte Hebi schnell. Ich zog das Gas in die Lunge und entließ es brav wieder in den Schlauch. Hörte sich an wie Darth Vader. Sofort wurde mein Kopf ganz leicht und ich blinzelte benebelt ins Tageslicht. Das Bergsteigen war jedoch nach wie vor schmerzhaft.
Mir war nahe gelegt worden eine PDA zu akzeptieren. An den genauen Grund dafür kann ich mich nicht mehr erinnern - Danke Lachgas - aber mir war in der Zwischenzeit alles egal. Bringt die Drogen. Ich hatte sowieso keine Kontrolle mehr, wie die Geburt vonstatten gehen würde. Gut, dass ich keinen Geburtsplan geschrieben hatte. Ich habe Frauen gesehen mit seitenweise handschriftlichen Aufsätzen, in denen die Wunschgeburt peinlich genau beschrieben wurde. Sowas wie sanfte Klänge einer peruanischen Okarina als Hintergrundmusik, während die Gebärende in lauwarmer Schnabeltiermilch badet und mit einem leisen Seufzer gerade lange genug presst, bis das perfekt geformte und rosafarbene Baby mit schillernden Blubberbläschen ins Becken flutscht, selbst an die Oberfläche schwimmt und sich mit einem adretten Knicks bei den frischen Eltern vorstellt.
Geburtsplan, dass ich nicht lache. Natürlich hatte ich eine gewisse Vorstellung. Immer wenn mich jemand danach fragte ratterte ich runter:
08:00 Uhr, Geburt Anfang
10:00 Uhr, Geburt Ende
12:00 Uhr, Mittagessen
Ich hatte vor der Bronchitis damit gerechnet, dass ich die Geburt einfach so kurz hinter mich bringen würde und dann gleich nach Hause gehen. Idealerweise auch nicht im medizinischen Bereich des Krankehauses, sondern in der Gebär-Oase (heißt wirklich so), wo alles wunderschön ist und man eine Art Hotelsuite zum Entbinden hat, mit freistehender Badewanne, extra gemütlichem Bett und Naturgeräuschen. Naja.
Mir war alles egal. Ich war viel zu beschäftigt mit den Wehen. Hört doch mal kurz auf, wollte ich sagen, ich muss nachdenken. Aber natürlich ging die Berg- und Talfahrt immerzu weiter.
Der Anästhesist war ein kleiner alter Inder. Ich bekam ein geblümtes Nachthemd, das hinten offen war und nur wenige Minuten später piekste er mir eine Nadel ins Rückenmark. "Hee, wir kennen uns doch kaum!" wollte ich aus Spaß rufen. Danke, Lachgas. Ich war jedoch dazu verdonnert worden mich auf keinen Fall auch nur einen Millimeter zu bewegen. Sobald er dies ausgesprochen hatte gingen mir die seltsamsten Sachen durch den Kopf und ich musste mich so sehr zwingen nicht zu lachen, aufzuspringen, zu jodeln, Hampelmann zu hüpfen, dass ich mir fast die Lippe abbiss vor Anstrengung. Hebi dachte, das sei eine besonders gemeine Wehe und fuchtelte mit dem Lachgasschlauch vor meinem Gesicht herum, was nicht wirklich beim Zusammenreißen half.
Kurze Zeit später passierte etwas magisches: Die Wehen waren weg. Mein Körper fühlte sich warm und wohlig an. Ich musste wohl von einem Ohr zum anderen grinsen, denn der Anästhesist nickte wissend. "Das ist nun Ihr neuer, allerbester Freund", sagte er und drückte mir eine kleine Fernsteuerung in die Hand. "Sobald die Betäubung nachlässt, einfach den Knopf drücken und ein neuer Schuss Flüssigkeit tropft ins Mark." Er hätte mir keine größere Freude machen können. "Nein", sagte ich, "SIE sind mein neuer bester Freund." Dann drückte ich seine Hand ganz fest und wurde fast schon sentimental als er sich schließlich verabschiedete.
Der Nachteil am neuen Einzelzimmer war, dass ich unter ständiger Beobachtung stand. Direkt neben meinem Bett war ein kleiner Tisch mit Stuhl, an dem eine Hebamme saß. Das Gesicht mir zugewandt. Sie schaute abwechselnd mich und den Monitor an. Sie legte mir einen Katheter. Sie schloss einen Tropf an meinen Arm mit Wehenbeschleuniger an. Sie wies mich abwechselnd an, mich auf die linke oder rechte Seite zu drehen um das Baby aufzuwecken. Das kleine Herz schlug sehr langsam. Etwas zu langsam. Ständig schrieb sie neue Zeilen in einen immer länger werdenen Report.
Die Hebi war jedoch sehr nett. Ich schaffte es auch für eine Stunde zu schlafen in meiner neuen Wohligkeit. Dann philosophierte ich lang und breit darüber, warum sich Frauen heutzutage diese Geburtsschmerzen antun, wenn es doch so einfach ist totale Schmerzlosigkeit zu erreichen. Wem versuchen wir eigentlich etwas zu beweisen? Die Hebi schrieb, wahrscheinlich darüber, dass ich langsam den Plot verlor und faselte.
Da das Baby-Herz nicht sehr gut auf den Wehenbeschleuniger reagierte, musste ein anderer Weg gefunden werden um die ganze Sache unter Beobachtung zu behalten. Hebi rief nach einem Arzt. Und wer kam? Natürlich, Dr.Whoopi-Wanda. "Imma gonna stick a clip on baby head!" rief sie und streckte auch schon wieder den Arm nach meiner armen Geburtskiste aus. Dem noch ungeborenen Baby sollte also eine Sonde in den Kopf gesteckt werden um den Herzschlag zuverlässig zu hören. Die ganze Sache gefiel mir überhaupt nicht, doch Dr. W-W versicherte mir, dass es nur der Sicherheit und dem Schutze des Babys diente. Ihr Zeigefinger wackelte mit ihrem Kopf um die Wette. Also gut.
Wenige Momente später hatte ich nicht nur den Katheter aus meiner Privatzone hängen, sondern auch noch ein Kabel. Und das verrückte war, jedes Mal wenn Baby den Kopf drehte, bewegte sich auch die Leitung. Mein Kind hatte ein Loch im Kopf, Ich fühlte mich der Ohnmacht nahe und drückte schnell den Knopf nach einem weiteren Schuss Betäubungsmittel. Pfffffschhhh.
Es wurde dunkel, ich dümpelte irgendwo zwischen Schlaf und Wachigkeit. Hebi war abgelöst worden von einer anderen Hebamme. Es war die knarzende Stimme von Dr. W-W, die mich wieder ins Bewusstsein brachte: "Imma gonna have a look!"
Die Frau war besessen mit meiner Unterseite. Wieder war es ihre Hand mit dem wackelnden Zeigefinger, die auf Entdeckungsreise zum Mittelpunkt der Erde ging. "All da way!" rief sie erfreut. Das waren wirklich gute Nachrichten. Die Warenausgabe war nun weit genug geöffnet, so dass die lang ersehnte Lieferung erfolgen konnte.
Fortsetzung folgt.
"Ach ja, und außerdem hat sie von Dr. Whoopi-Wanda gerade einen Sweep verpasst bekommen", schloss die Hebi den Bericht ab. Die andere riss entsetzt die Augen auf, und für ein paar Sekunden fand ein stummer Dialog zwischen den beiden statt, den ich nur so interpretieren konnte, dass Frau Doktor W-W (weh-weh, get it, haha) dafür wohl berühmt berüchtigt war.
Die Wehen ließen mich übrigens mittlerweile zusammenkrümmen. Ich zwang mich auf jede einzelne zu konzentrieren. Schloss die Augen und stellte mir die Berge und Täler auf dem Monitor-Ausdruck vor. Hoch den Berg ging die Wehe, bis sie ganz oben angekommen nur noch wieder nach unten gehen konnte. Die Talfahrt war ganz wunderbar.
"Etwas Lachgas?" fragte Hebi und hielt mir einen Schlauch hin, an dem vorne ein schmales Mundstück wie von einem Saxophon angebracht war. Ich nahm einen Zug, und paffte das Zeug wie bei einer Zigarette wieder aus. Uaaahhgaaah, mein Hals brannte!
"In das Mundstück ausatmen!" korrigierte Hebi schnell. Ich zog das Gas in die Lunge und entließ es brav wieder in den Schlauch. Hörte sich an wie Darth Vader. Sofort wurde mein Kopf ganz leicht und ich blinzelte benebelt ins Tageslicht. Das Bergsteigen war jedoch nach wie vor schmerzhaft.
Mir war nahe gelegt worden eine PDA zu akzeptieren. An den genauen Grund dafür kann ich mich nicht mehr erinnern - Danke Lachgas - aber mir war in der Zwischenzeit alles egal. Bringt die Drogen. Ich hatte sowieso keine Kontrolle mehr, wie die Geburt vonstatten gehen würde. Gut, dass ich keinen Geburtsplan geschrieben hatte. Ich habe Frauen gesehen mit seitenweise handschriftlichen Aufsätzen, in denen die Wunschgeburt peinlich genau beschrieben wurde. Sowas wie sanfte Klänge einer peruanischen Okarina als Hintergrundmusik, während die Gebärende in lauwarmer Schnabeltiermilch badet und mit einem leisen Seufzer gerade lange genug presst, bis das perfekt geformte und rosafarbene Baby mit schillernden Blubberbläschen ins Becken flutscht, selbst an die Oberfläche schwimmt und sich mit einem adretten Knicks bei den frischen Eltern vorstellt.
Geburtsplan, dass ich nicht lache. Natürlich hatte ich eine gewisse Vorstellung. Immer wenn mich jemand danach fragte ratterte ich runter:
08:00 Uhr, Geburt Anfang
10:00 Uhr, Geburt Ende
12:00 Uhr, Mittagessen
Ich hatte vor der Bronchitis damit gerechnet, dass ich die Geburt einfach so kurz hinter mich bringen würde und dann gleich nach Hause gehen. Idealerweise auch nicht im medizinischen Bereich des Krankehauses, sondern in der Gebär-Oase (heißt wirklich so), wo alles wunderschön ist und man eine Art Hotelsuite zum Entbinden hat, mit freistehender Badewanne, extra gemütlichem Bett und Naturgeräuschen. Naja.
Mir war alles egal. Ich war viel zu beschäftigt mit den Wehen. Hört doch mal kurz auf, wollte ich sagen, ich muss nachdenken. Aber natürlich ging die Berg- und Talfahrt immerzu weiter.
Der Anästhesist war ein kleiner alter Inder. Ich bekam ein geblümtes Nachthemd, das hinten offen war und nur wenige Minuten später piekste er mir eine Nadel ins Rückenmark. "Hee, wir kennen uns doch kaum!" wollte ich aus Spaß rufen. Danke, Lachgas. Ich war jedoch dazu verdonnert worden mich auf keinen Fall auch nur einen Millimeter zu bewegen. Sobald er dies ausgesprochen hatte gingen mir die seltsamsten Sachen durch den Kopf und ich musste mich so sehr zwingen nicht zu lachen, aufzuspringen, zu jodeln, Hampelmann zu hüpfen, dass ich mir fast die Lippe abbiss vor Anstrengung. Hebi dachte, das sei eine besonders gemeine Wehe und fuchtelte mit dem Lachgasschlauch vor meinem Gesicht herum, was nicht wirklich beim Zusammenreißen half.
Kurze Zeit später passierte etwas magisches: Die Wehen waren weg. Mein Körper fühlte sich warm und wohlig an. Ich musste wohl von einem Ohr zum anderen grinsen, denn der Anästhesist nickte wissend. "Das ist nun Ihr neuer, allerbester Freund", sagte er und drückte mir eine kleine Fernsteuerung in die Hand. "Sobald die Betäubung nachlässt, einfach den Knopf drücken und ein neuer Schuss Flüssigkeit tropft ins Mark." Er hätte mir keine größere Freude machen können. "Nein", sagte ich, "SIE sind mein neuer bester Freund." Dann drückte ich seine Hand ganz fest und wurde fast schon sentimental als er sich schließlich verabschiedete.
Der Nachteil am neuen Einzelzimmer war, dass ich unter ständiger Beobachtung stand. Direkt neben meinem Bett war ein kleiner Tisch mit Stuhl, an dem eine Hebamme saß. Das Gesicht mir zugewandt. Sie schaute abwechselnd mich und den Monitor an. Sie legte mir einen Katheter. Sie schloss einen Tropf an meinen Arm mit Wehenbeschleuniger an. Sie wies mich abwechselnd an, mich auf die linke oder rechte Seite zu drehen um das Baby aufzuwecken. Das kleine Herz schlug sehr langsam. Etwas zu langsam. Ständig schrieb sie neue Zeilen in einen immer länger werdenen Report.
Die Hebi war jedoch sehr nett. Ich schaffte es auch für eine Stunde zu schlafen in meiner neuen Wohligkeit. Dann philosophierte ich lang und breit darüber, warum sich Frauen heutzutage diese Geburtsschmerzen antun, wenn es doch so einfach ist totale Schmerzlosigkeit zu erreichen. Wem versuchen wir eigentlich etwas zu beweisen? Die Hebi schrieb, wahrscheinlich darüber, dass ich langsam den Plot verlor und faselte.
Da das Baby-Herz nicht sehr gut auf den Wehenbeschleuniger reagierte, musste ein anderer Weg gefunden werden um die ganze Sache unter Beobachtung zu behalten. Hebi rief nach einem Arzt. Und wer kam? Natürlich, Dr.Whoopi-Wanda. "Imma gonna stick a clip on baby head!" rief sie und streckte auch schon wieder den Arm nach meiner armen Geburtskiste aus. Dem noch ungeborenen Baby sollte also eine Sonde in den Kopf gesteckt werden um den Herzschlag zuverlässig zu hören. Die ganze Sache gefiel mir überhaupt nicht, doch Dr. W-W versicherte mir, dass es nur der Sicherheit und dem Schutze des Babys diente. Ihr Zeigefinger wackelte mit ihrem Kopf um die Wette. Also gut.
Wenige Momente später hatte ich nicht nur den Katheter aus meiner Privatzone hängen, sondern auch noch ein Kabel. Und das verrückte war, jedes Mal wenn Baby den Kopf drehte, bewegte sich auch die Leitung. Mein Kind hatte ein Loch im Kopf, Ich fühlte mich der Ohnmacht nahe und drückte schnell den Knopf nach einem weiteren Schuss Betäubungsmittel. Pfffffschhhh.
Es wurde dunkel, ich dümpelte irgendwo zwischen Schlaf und Wachigkeit. Hebi war abgelöst worden von einer anderen Hebamme. Es war die knarzende Stimme von Dr. W-W, die mich wieder ins Bewusstsein brachte: "Imma gonna have a look!"
Die Frau war besessen mit meiner Unterseite. Wieder war es ihre Hand mit dem wackelnden Zeigefinger, die auf Entdeckungsreise zum Mittelpunkt der Erde ging. "All da way!" rief sie erfreut. Das waren wirklich gute Nachrichten. Die Warenausgabe war nun weit genug geöffnet, so dass die lang ersehnte Lieferung erfolgen konnte.
Fortsetzung folgt.
Das Inselbaby II - Die Ausnüchterungszelle
Goodbye Einzelzimmer. Ich galt offiziell als genesen und damit gehörte ich wieder zum gewöhnlichen Volk. Mit einer unglaublichen Anzahl von Taschen und Gepäck zog ich in die Gesindekammer - einem Vierbettzimmer, das mit blauen Vorhängen abgetrennt war. Jede Vorhangzelle war gerade weit genug für ein Bett und einen Besucherstuhl. Wie würde ich diese klaustrophobische Zelle zu hassen lernen.
Es war Mittwoch Abend, ich saß auf dem Bett, der Gawjus auf dem Stuhl, und nach mehrstündiger Wartezeit wurde uns mitgeteilt, dass die Einleitung doch erst am nächsten Tag stattfinden würde. Super, eine total unnötige Nacht im Krankenhaus.
Aus jeder Zelle tönten andere Geräusche. Gegenüber schaute eine Krankenhausserie. Krankenhausserie! Im Krankenhaus! "Weg vom Bett!" Gefolgt vom Defibrillator-Britzel, das konnte man deutlich hören. Schräg gegenüber hatte Besuch von Mutter, Schwägerin, Schwester, dem Papst, der Bäckersfrau und der manisch depressiver Nachbarin, jedenfalls hörte sich das hysterische Gegacker und Gelache so an. Ich konnte mir nicht vorstellen wie all diese Leute in die kleine Zelle passten, aber es schien zu funktionieren. Und Nebenan lag in den Wehen, stöhnte wie eine Pornofabrik und zog rasselnd am Lachgas wie eine Abhängige. Würde man die Geschichte aus der Perspektive einer der Zellenkameraden erzählen, dann würde ich sicher als die mit Lungenkrätze im Endstadium bezeichnet werden, da ich immernoch regelmäßig von Hustenanfällen geschüttelt wurde. An Schlaf war nicht zu denken. Aber niemand von uns Zellenkameraden bekam auch nur eine Sekunde Schlaf in dieser Nacht.
Die Geburtseinleitung fand am nächsten Nachmittag statt. Bis dahin hatte ich zwei Bücher gelesen, Gegenüber hatte Findet Nemo, Toy Story 3 und der König der Löwen gesehen, und holte sich gerade einen Nachschub an Kartoffelchips für Ice Age. Schräg gegenüber wurde von einer Menschenmasse unter großem Jubel zum Kreissaal begleitet. Wie Clowns aus einem Mini kam eine Person nach der anderen hinter dem Vorhang hervor. Nebenan war sicher schon mit Baby nach Hause gegangen. Sie war in der Nacht tierähnliche Laute ausstoßend etwas eilig abtransportiert worden.
Die Einleitung war erstaunlich Unspektakulär. Ein Tampon. Ein hormongefüllter Tampon. Das wars. Das Warten ging weiter. Ich machte mir Sorgen, hatte ich doch nur noch weitere drei Bücher mit dabei. Aus Langeweile setzte ich mich zum Lesen auf einen Gymnastikball, der gerade noch so in der Vorhangzelle Platz hatte. Ich hüpfte herum während nebenan und schräg gegenüber neue Nachbarn einzogen. Letztere verhielten sich so still, es bestätigte meinen Verdacht, dass sich hinter diesem Vorhang eine geräumige Dreizimmerwohnung befand, und die neuen Bewohner hatten sich gemütlich ins Obergeschoss zurückgezogen.
Nebenan war ein Paar, das zunächst unauffällig zu sein schien, vor allem als sich der Mann nach einer Weile verabschiedete. Herrliche Ruhe, nur das Hintergrundsummen von den Gegenübers, die Madagaskar und Ab durch die Hecke sahen und amüsiert kicherten.
Irgendwann beschloss ich auf meinem Handy Eastenders zu schauen, das ist so eine Art englische Lindenstraße. Den Ton gedämpft waren die Anfangstakte des Vorspanns gerade so mit menschlichen Ohren zu vernehmen. Duff-Duff-Duff.
Drei Minuten später ertönte auch nebenan Duff-Duff-Duff, nur zwölfmal so laut. Vorbei war es mit meiner Konzentration, das selbe Programm drei Minuten versetzt zu hören ist sehr anstrengend. Ich hüpfte wieder Ball und las meinen Thriller, als Herr Nebenan wieder erschien mit einer Plastiktüte aus der Schwaden von Currygeruch drangen. Er selbst stank nach abgestandenem Bier und hatte rot unterlaufene Augen. Natürlich hätte ich das nicht sehen können, wegen des Vorhangs, hätte er sich nicht darin verheddert und wäre versehentlich in meiner Zelle gelandet. Verwirrt sah er sich um. Ich zeigte nur in Richtung nebenan, und er wankte ein Stück weiter, sich am blauen Stoff festhaltend, dessen Ringaufhänger gefährlich knirschten. Der Typ war sternhagelvoll.
Schmatzend aß Herr Nebenan sein Curry, rülpste, lallte, und schmiss sich röchelnd auf seinen Besucherstuhl, der genau an der Stelle stand, die meinem Bett am nächsten war. Ich blieb mal lieber auf meinem Ball sitzen. Herr Nebenan schnarchte, lallte im Schlaf, grunzte und machte noch eine Vielzahl anderer Körpergeräusche. Seiner Frau war es offensichtlich peinlich, doch alles das sie sagen konnte war "Psssssst, psssssss, pschhhhhh..."
Wieder kein Schlaf. Und um kurz vor Mitternacht, gerade in eine Schnarchpause des Herrn Nebenan hinein erfüllte das Platschen von Wasser den Raum. Meine Fruchtblase, da ging sie hin.
Och manno, mein gemütlicher Schlafanzug. Mein einziger Schlafanzug. Aber ich war auch sehr erleichtert, die spontane Entleerung hieß sicher, dass ich bald aus der Zelle rausdurfte. Oder? Oder? Zunächst wurde ich an den Monitor gefesselt, der meine Wehenaktivität auf ein kilometerlanges Stück Papier druckte. Herzlich Willkommen im technisch fortgeschrittenen 2016.
"Na, da geht ja schon was", stellte die Hebamme fest. Ach so, deswegen hatte ich so seltsame Bauchkrämpfe. Das waren Wehen. Ich dachte schon, das Zellenessen hätte mir eine Magenverstimmung beschert. Hilfe, das wurde ja tatsächlich Ernst. Ich rief Gawjus an, den ich am frühen Abend nach Hause geschickt hatte, damit wenigstens einer von uns etwas Schlaf bekäme. Er nahm auch schon nach 14 Versuchen das Telefon ab. Ich empfahl ihm wieder zurückzukommen, vielleicht stünde die Geburt schon unmittelbar bevor? Diese Hoffnung wurde aber zerschmettert, als eine Hebamme einen kurzen Blick in das Feuchtraumbiotop warf und mir eine gute Nacht wünschte. Nacht und gut im selben Satz? Naja. Ich las weiterhin mein Buch, obwohl ich gegen Morgen bei jeder Wehe kurz innehalten musste, und danach den letzten Absatz noch einmal wiederholen. Es fing an schmerzhaft zu werden. Alle paar Minuten röchelte ich mit Herr Nebenan um die Wette, der immernoch im Bierrausch lag.
Am späten Morgen kam eine Ärztin. Sie erinnerte mich an Whoopi Goldberg mit der Stimme von Wanda Sykes. Ihre Haare waren kunstvoll toupiert und sie erfüllte jedes Big Mama Klischee mit wackelndem Kopf und erhobenem Zeigefinger und sehr vielen "Hmm Hmmmm"s
"2 Centimeters", so ihre Diagnose, als sie prüfte wie weit mein Muttermund geöffnet war. "Imma gonna give you a sweep."
Bevor ich herausfinden konnte was ein Sweep war, hatte sie schon den Arm bis zum Ellbogen in meiner Kriegszone versenkt und stocherte gewalttätig darin herum. Ich sah aus dem Augenwinkel noch den Gawjus entsetzt vom Stuhl hochspringen, da setzte auch schon der Schmerz ein "JESUS BLOODY CHRIST WHAT THE FUCK!!!" brüllte ich. Whoopi-Wanda runzelte die Stirn und gab mir den Zeigefinger und ein Hmm-mmh für das Fluchen. Den Hebammen gab sie die Anweisung, mich in ein Entbindungzimmer zu verlegen. Traumatisiert packte ich meine Sachen und machte mich mit Gawjus auf den Weg durch die Korridore.
Das Trauma war jedoch verarbeitet beim Anblick des Zimmers. Einzelzimmer, mit einem echten Fenster, das sich sogar öffnen ließ. Blick auf den Parkplatz und ein eigenes Badezimmer. Kein einziger blauer Vorhang weit und breit. War ich im Himmel?
Fortsetzung folgt.
Es war Mittwoch Abend, ich saß auf dem Bett, der Gawjus auf dem Stuhl, und nach mehrstündiger Wartezeit wurde uns mitgeteilt, dass die Einleitung doch erst am nächsten Tag stattfinden würde. Super, eine total unnötige Nacht im Krankenhaus.
Aus jeder Zelle tönten andere Geräusche. Gegenüber schaute eine Krankenhausserie. Krankenhausserie! Im Krankenhaus! "Weg vom Bett!" Gefolgt vom Defibrillator-Britzel, das konnte man deutlich hören. Schräg gegenüber hatte Besuch von Mutter, Schwägerin, Schwester, dem Papst, der Bäckersfrau und der manisch depressiver Nachbarin, jedenfalls hörte sich das hysterische Gegacker und Gelache so an. Ich konnte mir nicht vorstellen wie all diese Leute in die kleine Zelle passten, aber es schien zu funktionieren. Und Nebenan lag in den Wehen, stöhnte wie eine Pornofabrik und zog rasselnd am Lachgas wie eine Abhängige. Würde man die Geschichte aus der Perspektive einer der Zellenkameraden erzählen, dann würde ich sicher als die mit Lungenkrätze im Endstadium bezeichnet werden, da ich immernoch regelmäßig von Hustenanfällen geschüttelt wurde. An Schlaf war nicht zu denken. Aber niemand von uns Zellenkameraden bekam auch nur eine Sekunde Schlaf in dieser Nacht.
Die Geburtseinleitung fand am nächsten Nachmittag statt. Bis dahin hatte ich zwei Bücher gelesen, Gegenüber hatte Findet Nemo, Toy Story 3 und der König der Löwen gesehen, und holte sich gerade einen Nachschub an Kartoffelchips für Ice Age. Schräg gegenüber wurde von einer Menschenmasse unter großem Jubel zum Kreissaal begleitet. Wie Clowns aus einem Mini kam eine Person nach der anderen hinter dem Vorhang hervor. Nebenan war sicher schon mit Baby nach Hause gegangen. Sie war in der Nacht tierähnliche Laute ausstoßend etwas eilig abtransportiert worden.
Die Einleitung war erstaunlich Unspektakulär. Ein Tampon. Ein hormongefüllter Tampon. Das wars. Das Warten ging weiter. Ich machte mir Sorgen, hatte ich doch nur noch weitere drei Bücher mit dabei. Aus Langeweile setzte ich mich zum Lesen auf einen Gymnastikball, der gerade noch so in der Vorhangzelle Platz hatte. Ich hüpfte herum während nebenan und schräg gegenüber neue Nachbarn einzogen. Letztere verhielten sich so still, es bestätigte meinen Verdacht, dass sich hinter diesem Vorhang eine geräumige Dreizimmerwohnung befand, und die neuen Bewohner hatten sich gemütlich ins Obergeschoss zurückgezogen.
Nebenan war ein Paar, das zunächst unauffällig zu sein schien, vor allem als sich der Mann nach einer Weile verabschiedete. Herrliche Ruhe, nur das Hintergrundsummen von den Gegenübers, die Madagaskar und Ab durch die Hecke sahen und amüsiert kicherten.
Irgendwann beschloss ich auf meinem Handy Eastenders zu schauen, das ist so eine Art englische Lindenstraße. Den Ton gedämpft waren die Anfangstakte des Vorspanns gerade so mit menschlichen Ohren zu vernehmen. Duff-Duff-Duff.
Drei Minuten später ertönte auch nebenan Duff-Duff-Duff, nur zwölfmal so laut. Vorbei war es mit meiner Konzentration, das selbe Programm drei Minuten versetzt zu hören ist sehr anstrengend. Ich hüpfte wieder Ball und las meinen Thriller, als Herr Nebenan wieder erschien mit einer Plastiktüte aus der Schwaden von Currygeruch drangen. Er selbst stank nach abgestandenem Bier und hatte rot unterlaufene Augen. Natürlich hätte ich das nicht sehen können, wegen des Vorhangs, hätte er sich nicht darin verheddert und wäre versehentlich in meiner Zelle gelandet. Verwirrt sah er sich um. Ich zeigte nur in Richtung nebenan, und er wankte ein Stück weiter, sich am blauen Stoff festhaltend, dessen Ringaufhänger gefährlich knirschten. Der Typ war sternhagelvoll.
Abendstimmung in der Zelle |
Wieder kein Schlaf. Und um kurz vor Mitternacht, gerade in eine Schnarchpause des Herrn Nebenan hinein erfüllte das Platschen von Wasser den Raum. Meine Fruchtblase, da ging sie hin.
Och manno, mein gemütlicher Schlafanzug. Mein einziger Schlafanzug. Aber ich war auch sehr erleichtert, die spontane Entleerung hieß sicher, dass ich bald aus der Zelle rausdurfte. Oder? Oder? Zunächst wurde ich an den Monitor gefesselt, der meine Wehenaktivität auf ein kilometerlanges Stück Papier druckte. Herzlich Willkommen im technisch fortgeschrittenen 2016.
Hier war mein Pyjama-Unterteil noch intakt |
Oben Baby Herzschlag, unten Berge und Täler meiner Stimmung |
"Na, da geht ja schon was", stellte die Hebamme fest. Ach so, deswegen hatte ich so seltsame Bauchkrämpfe. Das waren Wehen. Ich dachte schon, das Zellenessen hätte mir eine Magenverstimmung beschert. Hilfe, das wurde ja tatsächlich Ernst. Ich rief Gawjus an, den ich am frühen Abend nach Hause geschickt hatte, damit wenigstens einer von uns etwas Schlaf bekäme. Er nahm auch schon nach 14 Versuchen das Telefon ab. Ich empfahl ihm wieder zurückzukommen, vielleicht stünde die Geburt schon unmittelbar bevor? Diese Hoffnung wurde aber zerschmettert, als eine Hebamme einen kurzen Blick in das Feuchtraumbiotop warf und mir eine gute Nacht wünschte. Nacht und gut im selben Satz? Naja. Ich las weiterhin mein Buch, obwohl ich gegen Morgen bei jeder Wehe kurz innehalten musste, und danach den letzten Absatz noch einmal wiederholen. Es fing an schmerzhaft zu werden. Alle paar Minuten röchelte ich mit Herr Nebenan um die Wette, der immernoch im Bierrausch lag.
Am späten Morgen kam eine Ärztin. Sie erinnerte mich an Whoopi Goldberg mit der Stimme von Wanda Sykes. Ihre Haare waren kunstvoll toupiert und sie erfüllte jedes Big Mama Klischee mit wackelndem Kopf und erhobenem Zeigefinger und sehr vielen "Hmm Hmmmm"s
"2 Centimeters", so ihre Diagnose, als sie prüfte wie weit mein Muttermund geöffnet war. "Imma gonna give you a sweep."
Bevor ich herausfinden konnte was ein Sweep war, hatte sie schon den Arm bis zum Ellbogen in meiner Kriegszone versenkt und stocherte gewalttätig darin herum. Ich sah aus dem Augenwinkel noch den Gawjus entsetzt vom Stuhl hochspringen, da setzte auch schon der Schmerz ein "JESUS BLOODY CHRIST WHAT THE FUCK!!!" brüllte ich. Whoopi-Wanda runzelte die Stirn und gab mir den Zeigefinger und ein Hmm-mmh für das Fluchen. Den Hebammen gab sie die Anweisung, mich in ein Entbindungzimmer zu verlegen. Traumatisiert packte ich meine Sachen und machte mich mit Gawjus auf den Weg durch die Korridore.
Das Trauma war jedoch verarbeitet beim Anblick des Zimmers. Einzelzimmer, mit einem echten Fenster, das sich sogar öffnen ließ. Blick auf den Parkplatz und ein eigenes Badezimmer. Kein einziger blauer Vorhang weit und breit. War ich im Himmel?
Fortsetzung folgt.
Mittwoch, 18. Mai 2016
Das Inselbaby I - Bronchiale Gewalteinwirkung
Wir spulen von November nach Februar, bwlblblblblllblblblb (das ist ein Kassetten-Spulgeräusch)
Ich war 34 Wochen schwanger und bis hier war alles Ponyhof. Ich ging jeden Morgen vergnügt zur Arbeit, aß auf was ich Lust hatte, konnte noch den gelegentlichen Sprint einlegen um einen Zug nicht zu verpassen, und kam nur außer Atem wenn ich Treppen steigen musste, oder zu schnell und viel redete. Die Vorbereitungen für den kleinen Insler liefen prächtig, das Kinderzimmer war fertig, ich wusch und faltete winzige Klamotten, und die Wohnung wurde langsam aber sicher von Babyzeug verschluckt. Im Wohnzimmer war ein ganzer Parkplatz für Kram: Kinderwagen, Kindersitz, Stubenwagen, Spielmatte, und ein vibrierender Sitz, der später mal zu Stuhl-Stuhl umbenannt werden sollte, aber das wusste ich zu dieser Zeit noch nicht.
Bis ich am Morgen des dritten Februars mit einem leichten Kratzen im Hals aufwachte. Genau sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin und vier Wochen bevor mein Mutterschutz anfangen würde. Oh nee, die blöde Büroerkältung, jetzt hat es mich auch erwischt. Das dachte ich auf dem Weg zur Arbeit. Ich weiß noch, dass das ganze Zugabteil am Husten und Schniefen war. Jeder hatte es.
Wenige Stunden später fühlte ich mich etwas schwach auf den Beinen, meine Glieder schmerzten. Ich entschied mich nach Hause zu gehen und die Erkältung richtig auszukurieren. Am nächsten Tag würde es vielleicht schon wieder besser gehen. Spätestens am Übernächsten Tag. Ich blätterte noch kurz durch ein paar Papiere, beantwortete zwei, drei dringliche Emails und verließ meinen Schreibtisch. Nicht ahnend, dass es das letzte Mal sein würde.
Das Kratzen im Hals entwickelte sich innerhalb weniger Stunden zur bösartigsten Bronchitis, die ich jemals erlebt hatte. Der Husten schüttelte mich und mein Bauch wie ein Wackelpudding, ich konnte nicht liegen, nicht schlafen, nicht atmen. Ich verbrachte Tage und Nächte auf dem Sofa sitzend, starke Minzbonbons lutschend. Der Doktor hatte mir ein Antibiotikum verschrieben, und die Woche darauf noch eines, aber es war keine Besserung in Sicht. Der heftige Husten verletzte mich an den Rippen. Ein Knackgeräusch und ich konnte mich kaum mehr bewegen. Die einzige Position, in der ich es noch aushielt war in der Badewanne liegend.
Dann am Sonntag, zwei Wochen nach Beginn der Krankheit spürte ich das Baby nicht mehr. Ich dachte wirklich das Schlimmste. Wir fuhren sofort ins Krankenhaus, wo ich nach gefühlt ewiger Wartezeit an den Monitor angeschlossen wurde. Und zum Glück, da war der kleine Herzschlag. Ich war erleichtert, bis sich eine Gruppe Hebammen und ein Arzt um mich aufbauten. "Wir müssen Sie hierbehalten", sagte der Arzt. Mein Blutdruck betrug 180/120 mmHg. Ups. Sofort wurde ich mit Tabletten gefüttert und in ein Zimmer gelegt. Einzelzimmer, in dem ich in Ruhe husten konnte. Mir war es mittlerweile egal ob ich im Krankenhaus nicht schlief, oder Zuhause nicht schlief. Es wurde diskutiert, ob die Geburt eingeleitet werden musste. Bitte bitte bitte nicht, dachte ich nur. Ich war in keinem Zustand mich um ein Baby zu kümmern. Ich konnte mich kaum um mich selbst kümmern.
Nach zwei Tagen und Nächten wurde ich schließlich entlassen, musste aber zweimal in der Woche zurück ins Krankenhaus, damit das Baby überprüft werden konnte. Die Bronchitis dauerte und dauerte. Ich verlor Geruchs- und Geschmacksinn, damit auch meinen Appetit. Mein Blutdruck war immernoch haushoch und ich musste ständig in irgendwelche Behälter pinkeln um auf Präeklampsie untersucht zu werden. "Sie haben ne Blasenentzündung", rief die Hebamme fröhlich. Natürlich. Es gab kein Körperteil mehr, das nicht mit irgendetwas entzündet war. So langsam stellte alles den Betrieb ein. Ich hoffte nur, das Baby würde sich sehr viel Zeit lassen. Mittlerweile ware es nur noch zwei Wochen bis zum Termin. Meine Mutter kam, putzte die Wohnung und kochte Hühnersuppe. Dann endlich der Durchbruch, ich fühlte mich langsam etwas besser. Mittlerweile war ich auch im Mutterschutz angelangt und meine Schwägerinnen organisierten eine Babyparty für mich, auf der ich mich sogar ganz sachte wieder amüsieren konnte. Upps, da fiel mir erst auf, wie groß mein Bauch in der Zwischenzeit geworden war. Das war komplett unbemerkt geblieben.
Drei Tage nach der Party war ich wieder zur Routine im Krankenhaus. Es wurde noch ein weiterer Ultraschall für den selben Tag organisiert um die Größe des Babys zu überprüfen. Und als ich das ernste Gesicht der Schallerin sah, da wusste ich schon, dass dies das Ende meiner Genesung war: Das Baby war seit drei Wochen keinen Zentimeter gewachsen.
"Am Besten Sie bleiben gleich hier", sagte der Arzt wie schon ein paar Wochen zuvor. Die Geburt sollte noch am selben Tag eingeleitet werden.
Fortsetzung folgt...
Ich war 34 Wochen schwanger und bis hier war alles Ponyhof. Ich ging jeden Morgen vergnügt zur Arbeit, aß auf was ich Lust hatte, konnte noch den gelegentlichen Sprint einlegen um einen Zug nicht zu verpassen, und kam nur außer Atem wenn ich Treppen steigen musste, oder zu schnell und viel redete. Die Vorbereitungen für den kleinen Insler liefen prächtig, das Kinderzimmer war fertig, ich wusch und faltete winzige Klamotten, und die Wohnung wurde langsam aber sicher von Babyzeug verschluckt. Im Wohnzimmer war ein ganzer Parkplatz für Kram: Kinderwagen, Kindersitz, Stubenwagen, Spielmatte, und ein vibrierender Sitz, der später mal zu Stuhl-Stuhl umbenannt werden sollte, aber das wusste ich zu dieser Zeit noch nicht.
Bis ich am Morgen des dritten Februars mit einem leichten Kratzen im Hals aufwachte. Genau sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin und vier Wochen bevor mein Mutterschutz anfangen würde. Oh nee, die blöde Büroerkältung, jetzt hat es mich auch erwischt. Das dachte ich auf dem Weg zur Arbeit. Ich weiß noch, dass das ganze Zugabteil am Husten und Schniefen war. Jeder hatte es.
Wenige Stunden später fühlte ich mich etwas schwach auf den Beinen, meine Glieder schmerzten. Ich entschied mich nach Hause zu gehen und die Erkältung richtig auszukurieren. Am nächsten Tag würde es vielleicht schon wieder besser gehen. Spätestens am Übernächsten Tag. Ich blätterte noch kurz durch ein paar Papiere, beantwortete zwei, drei dringliche Emails und verließ meinen Schreibtisch. Nicht ahnend, dass es das letzte Mal sein würde.
Das Kratzen im Hals entwickelte sich innerhalb weniger Stunden zur bösartigsten Bronchitis, die ich jemals erlebt hatte. Der Husten schüttelte mich und mein Bauch wie ein Wackelpudding, ich konnte nicht liegen, nicht schlafen, nicht atmen. Ich verbrachte Tage und Nächte auf dem Sofa sitzend, starke Minzbonbons lutschend. Der Doktor hatte mir ein Antibiotikum verschrieben, und die Woche darauf noch eines, aber es war keine Besserung in Sicht. Der heftige Husten verletzte mich an den Rippen. Ein Knackgeräusch und ich konnte mich kaum mehr bewegen. Die einzige Position, in der ich es noch aushielt war in der Badewanne liegend.
Dann am Sonntag, zwei Wochen nach Beginn der Krankheit spürte ich das Baby nicht mehr. Ich dachte wirklich das Schlimmste. Wir fuhren sofort ins Krankenhaus, wo ich nach gefühlt ewiger Wartezeit an den Monitor angeschlossen wurde. Und zum Glück, da war der kleine Herzschlag. Ich war erleichtert, bis sich eine Gruppe Hebammen und ein Arzt um mich aufbauten. "Wir müssen Sie hierbehalten", sagte der Arzt. Mein Blutdruck betrug 180/120 mmHg. Ups. Sofort wurde ich mit Tabletten gefüttert und in ein Zimmer gelegt. Einzelzimmer, in dem ich in Ruhe husten konnte. Mir war es mittlerweile egal ob ich im Krankenhaus nicht schlief, oder Zuhause nicht schlief. Es wurde diskutiert, ob die Geburt eingeleitet werden musste. Bitte bitte bitte nicht, dachte ich nur. Ich war in keinem Zustand mich um ein Baby zu kümmern. Ich konnte mich kaum um mich selbst kümmern.
Nach zwei Tagen und Nächten wurde ich schließlich entlassen, musste aber zweimal in der Woche zurück ins Krankenhaus, damit das Baby überprüft werden konnte. Die Bronchitis dauerte und dauerte. Ich verlor Geruchs- und Geschmacksinn, damit auch meinen Appetit. Mein Blutdruck war immernoch haushoch und ich musste ständig in irgendwelche Behälter pinkeln um auf Präeklampsie untersucht zu werden. "Sie haben ne Blasenentzündung", rief die Hebamme fröhlich. Natürlich. Es gab kein Körperteil mehr, das nicht mit irgendetwas entzündet war. So langsam stellte alles den Betrieb ein. Ich hoffte nur, das Baby würde sich sehr viel Zeit lassen. Mittlerweile ware es nur noch zwei Wochen bis zum Termin. Meine Mutter kam, putzte die Wohnung und kochte Hühnersuppe. Dann endlich der Durchbruch, ich fühlte mich langsam etwas besser. Mittlerweile war ich auch im Mutterschutz angelangt und meine Schwägerinnen organisierten eine Babyparty für mich, auf der ich mich sogar ganz sachte wieder amüsieren konnte. Upps, da fiel mir erst auf, wie groß mein Bauch in der Zwischenzeit geworden war. Das war komplett unbemerkt geblieben.
Drei Tage nach der Party war ich wieder zur Routine im Krankenhaus. Es wurde noch ein weiterer Ultraschall für den selben Tag organisiert um die Größe des Babys zu überprüfen. Und als ich das ernste Gesicht der Schallerin sah, da wusste ich schon, dass dies das Ende meiner Genesung war: Das Baby war seit drei Wochen keinen Zentimeter gewachsen.
"Am Besten Sie bleiben gleich hier", sagte der Arzt wie schon ein paar Wochen zuvor. Die Geburt sollte noch am selben Tag eingeleitet werden.
Fortsetzung folgt...
Mittwoch, 18. November 2015
Freud, Leid und ein Abschied
Der Sargnagel ist männlich, das hat der letzte Ultraschall eindeutig bestätigt.
Ich freue mich. Natürlich wäre jedes Geschlecht willkommen gewesen, aber ein Junge, das ist so sehr viel freundlicher für die Augen. Und damit meine ich, was die hierzuländige Babymode angeht. In so gut wie jedem Laden sind die Jungen- und Mädchensachen nämlich strengstens getrennt. Und wenn man in Richtung GIRLS schaut, wird man sofort von einer pinken Keule erschlagen. Alles ist pink. PINK! Ich weiß nicht, ob den Babymodendesignern entgangen ist, dass es durchaus noch andere Farben auf der Palette gibt, und dass auch blau, grün und braun durchaus von Menschen weiblichen Geschlechts getragen werden können. Dies sind nämlich die Farben, die im Gegenregal unter BOYS dominieren. Da schießen einem nicht sofort die Migränetränen in die Augen, aber auch hier stellt sich die Frage, wo den eigentlich die ganzen anderen Farben der Welt sind. Rot? Kein rot? Oder Orange? Gelb? Lila? Shades of Grey? Ich kenne die Pantone Palette, die aus über 1100 verschiedenen Farbtönen besteht. Und nur etwa fünf davon scheinen es in die hiesigen Babyläden geschafft zu haben. Wie unglaublich langweilig.
Als neutrale Farbe für die Leute, die sich entscheiden das Geschlecht bis zur Geburt eine Überraschung zu belassen gibt es dann die Alternative dem Kindchen alles in Weiss einzukaufen. Weiss! Was für eine überaus praktische Farbe für ein Wesen, das nur so von Körperflüssigkeiten sprudelt. Macht auch kaum Umstände, dass man dann strengstens Wäsche sortieren muss, und sobald sich was Rotes einschleicht endet man wieder mit.... PINK.
Warum ist es so wichtig gleich von Geburt an kenntlich zu machen, dass Mädchen nicht gleich Junge und Junge nicht gleich Mädchen ist? Was soll diese Blau/Pink Trennung, und warum sollte mich stören, ob die Omma im Bus mir zu meinem niedlichen Mädel gratuliert, wenn im Kinderwagen eigentlich ein kleiner Junge vor sich hin schlummert? Wird das Kind dadurch psychische Probleme kriegen? In der Krabbelgruppe von einem Mob aggressiver Säuglinge zur Klassenkeile verurteilt? Werden mich die Drachenmütter mit ihren bonbonrosa schleifchentragenden Herzchenstramplis zur Rabenmutter des Jahrhunderts erklären, wenn ich dem Lütten einen geblümten Sonnenhut überstülpe?
Ich gehe jetzt lieber in Second Hand Läden und staube das eine oder andere ungewöhnlich kolorierte Teil zum Spottpreis ab, anstatt mich der Geschlechtertrennung in den Highstreet Läden anzupassen und einen blauen Strampli neben den nächsten in Schrank zu hängen. Mein Kind wird BUNT.
So viel zum Sargnagel-Update. Diese Woche gab es traurige Nachrichten, einer der Pub Freaks ist gestorben und ich möchte die Gelegenheit kurz nutzen um Spexx die Ehre zu erweisen, den ich seit meiner frühesten England-Zeit aus dem Railway Pub kenne, und den ich auch schon im Blog und Buch erwähnt hatte.
Die Sonnenbrille hat er niemals abgenommen. Sie war sein Markenzeichen, und auch sein Schutzschild gegen den Rest der Welt. Ein sanfter, schüchterner Mann dessen Leidenschaft die Musik war. Ein begnadeter Gitarrist und der größte Pink Floyd Fan unter der Sonne.
Shine on.
Ich freue mich. Natürlich wäre jedes Geschlecht willkommen gewesen, aber ein Junge, das ist so sehr viel freundlicher für die Augen. Und damit meine ich, was die hierzuländige Babymode angeht. In so gut wie jedem Laden sind die Jungen- und Mädchensachen nämlich strengstens getrennt. Und wenn man in Richtung GIRLS schaut, wird man sofort von einer pinken Keule erschlagen. Alles ist pink. PINK! Ich weiß nicht, ob den Babymodendesignern entgangen ist, dass es durchaus noch andere Farben auf der Palette gibt, und dass auch blau, grün und braun durchaus von Menschen weiblichen Geschlechts getragen werden können. Dies sind nämlich die Farben, die im Gegenregal unter BOYS dominieren. Da schießen einem nicht sofort die Migränetränen in die Augen, aber auch hier stellt sich die Frage, wo den eigentlich die ganzen anderen Farben der Welt sind. Rot? Kein rot? Oder Orange? Gelb? Lila? Shades of Grey? Ich kenne die Pantone Palette, die aus über 1100 verschiedenen Farbtönen besteht. Und nur etwa fünf davon scheinen es in die hiesigen Babyläden geschafft zu haben. Wie unglaublich langweilig.
Als neutrale Farbe für die Leute, die sich entscheiden das Geschlecht bis zur Geburt eine Überraschung zu belassen gibt es dann die Alternative dem Kindchen alles in Weiss einzukaufen. Weiss! Was für eine überaus praktische Farbe für ein Wesen, das nur so von Körperflüssigkeiten sprudelt. Macht auch kaum Umstände, dass man dann strengstens Wäsche sortieren muss, und sobald sich was Rotes einschleicht endet man wieder mit.... PINK.
Warum ist es so wichtig gleich von Geburt an kenntlich zu machen, dass Mädchen nicht gleich Junge und Junge nicht gleich Mädchen ist? Was soll diese Blau/Pink Trennung, und warum sollte mich stören, ob die Omma im Bus mir zu meinem niedlichen Mädel gratuliert, wenn im Kinderwagen eigentlich ein kleiner Junge vor sich hin schlummert? Wird das Kind dadurch psychische Probleme kriegen? In der Krabbelgruppe von einem Mob aggressiver Säuglinge zur Klassenkeile verurteilt? Werden mich die Drachenmütter mit ihren bonbonrosa schleifchentragenden Herzchenstramplis zur Rabenmutter des Jahrhunderts erklären, wenn ich dem Lütten einen geblümten Sonnenhut überstülpe?
Ich gehe jetzt lieber in Second Hand Läden und staube das eine oder andere ungewöhnlich kolorierte Teil zum Spottpreis ab, anstatt mich der Geschlechtertrennung in den Highstreet Läden anzupassen und einen blauen Strampli neben den nächsten in Schrank zu hängen. Mein Kind wird BUNT.
So viel zum Sargnagel-Update. Diese Woche gab es traurige Nachrichten, einer der Pub Freaks ist gestorben und ich möchte die Gelegenheit kurz nutzen um Spexx die Ehre zu erweisen, den ich seit meiner frühesten England-Zeit aus dem Railway Pub kenne, und den ich auch schon im Blog und Buch erwähnt hatte.
Die Sonnenbrille hat er niemals abgenommen. Sie war sein Markenzeichen, und auch sein Schutzschild gegen den Rest der Welt. Ein sanfter, schüchterner Mann dessen Leidenschaft die Musik war. Ein begnadeter Gitarrist und der größte Pink Floyd Fan unter der Sonne.
Shine on.
Freitag, 30. Oktober 2015
Horror Hormone
Auch wenn ich dachte, dass mich die Schwangerschaftshormone sicher gar nicht beeinflussen würden, schließlich sind Hormone nur etwas für pubertierenden Teenager und man ist ja schließlich schon ausgereift und hat auch so etwas wie Stolz. Da hatte ich die Rechnung ohne das plötzliche Eigenleben meines Hormonhaushaltes gemacht. Zunächst brachte er mich nur zum Niesen. Wahrhaftig. Seit frühestem Zeitpunkt muss ich jeden Tag zuverlässige drei Mal niesen.
Ich bin mir sicher, dass das Wort "Einnistung" im Zusammenhang mit Schwangerschaft damals falsch übertragen wurde, und eigentlich sollte es "Einniestung" heißen. Angeblich ist das eine normale Erscheinung, und auf die Hormone zurückzuführen.
Eine andere Sache, die mich wie ein Knüppel traf, ist das vernunftswidrige Weinen. Folgende Sachen haben mich bisher zum Heulen gebracht :
- Ein Stein, der die Form einer Maus hat
- Ein Foto meines einjährigen Neffen, auf dem er gerade enttäuscht das Gesicht verzieht, weil er nicht mit dem gefährlichen Gegenstand spielen darf
- Mein Optiker, der meine Kontaktlinsen nicht finden konnte.
Vor allem letzteres führte dazu, dass zwei Optikangestellte und der Optiker himself hektisch alle Schränke durchwühlten um die hysterisch schluchzende Schwangere ruhig zu stellen. Stolz? Welcher Stolz? Zumindest führte dieser Zwischenfall zum Erfolg und außer meiner Linsen bekam ich noch ein paar Sachen für komplett umsonst zugesteckt. (Stolz?)
Die Situation mit dem Maus-Stein war die allererste und verunsicherte mich ganz ungemein. Es war ein normaler, entspannter Urlaubstag in Cornwall, als der Gawjus und ich über einen lokalen Künstlermarkt schlenderten. Mein Blick fiel auf einen Stand, an dem die Künstlerin Objekte ausgestellt hatte, die allein aus Fundstücken vom Strand hergestellt waren. Skulpturen aus Treibholz, Schmuckschatullen mit Muscheln beklebt, ihr kriegt eine Idee davon.
Außerdem eine Reihe von diesen tiefen Kastenbilderrahmen, in denen sie mit Steinen, Pflanzen und Seeglas ganze Szenen gestaltet hatte. Diese Bilder weckten sofort mein Interesse. Und zu meinem Entsetzen fand ich den Stein, der wie eine Maus aussah so schön, dass mir die Tränen erst in die Augen schossen und dann dick auf der anderen Seite herausquollen. Na so was. Ich tat so als hätte ich einen spontanen Schnupfen eingefangen und tupfte mit einem Taschentuch herum. Da die Tränenflut nicht stoppen zu schien verabschiedete ich mich spontan in eine öffentliche Toilette. Und da stand ich also, in der müffelnden Kabine, den Kopf über mich selbst schüttelnd während meine Augen immernoch vor sich hin wässerten.
Wieder am Tageslicht brachte ich es schließlich fertig das Bild zu kaufen. Es wird einmal im Babyzimmer hängen, als Erinnerung nicht nur an einen schönen Urlaub, sondern auch daran, dass es mich in ein schniefendes Wrack verwandelt hatte. Ein Andenken an die irrationalen Hormone.
Ich bin mir sicher, dass das Wort "Einnistung" im Zusammenhang mit Schwangerschaft damals falsch übertragen wurde, und eigentlich sollte es "Einniestung" heißen. Angeblich ist das eine normale Erscheinung, und auf die Hormone zurückzuführen.
Eine andere Sache, die mich wie ein Knüppel traf, ist das vernunftswidrige Weinen. Folgende Sachen haben mich bisher zum Heulen gebracht :
- Ein Stein, der die Form einer Maus hat
- Ein Foto meines einjährigen Neffen, auf dem er gerade enttäuscht das Gesicht verzieht, weil er nicht mit dem gefährlichen Gegenstand spielen darf
- Mein Optiker, der meine Kontaktlinsen nicht finden konnte.
Vor allem letzteres führte dazu, dass zwei Optikangestellte und der Optiker himself hektisch alle Schränke durchwühlten um die hysterisch schluchzende Schwangere ruhig zu stellen. Stolz? Welcher Stolz? Zumindest führte dieser Zwischenfall zum Erfolg und außer meiner Linsen bekam ich noch ein paar Sachen für komplett umsonst zugesteckt. (Stolz?)
Die Situation mit dem Maus-Stein war die allererste und verunsicherte mich ganz ungemein. Es war ein normaler, entspannter Urlaubstag in Cornwall, als der Gawjus und ich über einen lokalen Künstlermarkt schlenderten. Mein Blick fiel auf einen Stand, an dem die Künstlerin Objekte ausgestellt hatte, die allein aus Fundstücken vom Strand hergestellt waren. Skulpturen aus Treibholz, Schmuckschatullen mit Muscheln beklebt, ihr kriegt eine Idee davon.
Außerdem eine Reihe von diesen tiefen Kastenbilderrahmen, in denen sie mit Steinen, Pflanzen und Seeglas ganze Szenen gestaltet hatte. Diese Bilder weckten sofort mein Interesse. Und zu meinem Entsetzen fand ich den Stein, der wie eine Maus aussah so schön, dass mir die Tränen erst in die Augen schossen und dann dick auf der anderen Seite herausquollen. Na so was. Ich tat so als hätte ich einen spontanen Schnupfen eingefangen und tupfte mit einem Taschentuch herum. Da die Tränenflut nicht stoppen zu schien verabschiedete ich mich spontan in eine öffentliche Toilette. Und da stand ich also, in der müffelnden Kabine, den Kopf über mich selbst schüttelnd während meine Augen immernoch vor sich hin wässerten.
Wieder am Tageslicht brachte ich es schließlich fertig das Bild zu kaufen. Es wird einmal im Babyzimmer hängen, als Erinnerung nicht nur an einen schönen Urlaub, sondern auch daran, dass es mich in ein schniefendes Wrack verwandelt hatte. Ein Andenken an die irrationalen Hormone.
Dienstag, 27. Oktober 2015
Schwanger? Wen juckt's...
Natürlich habe ich keinen richtigen Vergleich, wie diese Sache in Deutschland so vor sich geht. Einige Sachen weiß ich von meiner Schwester, die vor etwas über einem Jahr ihren kleinen Prachtskerl zur Welt gebracht hat. Ansonsten bin ich sehr uninformiert über alles, das Sargnägel im vorgeburtlichen Alter angeht.
Jedoch das erste, das mir in England auffiel war das ärztliche Desinteresse, als der Zuhause-aufs-Stäbchen-Pinkel-Test das dicke, fette Plus für Positiv anzeigte, da war mein Pinkelstrom noch nicht einmal versiegt, so schnell ging das. Ohnmachtsanfall, Tanzanfall, panisch um den Couchtisch renn Anfall. Was nun?
Anruf in der Artztpraxis, Termin für irgendwann in drei, vier Wochen vereinbart. Früher ging nicht. Das gab mir Zeit noch auf mehrere Stäbchen verschiedener Fabrikate zu pinkeln, die alle das selbe Endergebnis vorzeigten. Ja, Pinkeln war und ist sowieso noch ein großes Thema.
Schließlich, der Termin. Ich rechnete mit Bluttest, Urintest, irgendetwas das nachweisen würde, dass die unscheinbaren Plastikstäbchen die Wahrheit prophezeit hatten. Doch dem sollte nicht so sein. Gähnend fragte die Ärztin in welcher Woche ich mich den befinden würde. Äh... ok. Waghalserische Rechnerei, wahrscheinlich 7 oder 8. Ok, gähnte die Ärztin wieder. Sie würden mir einen Brief schicken mit Ultraschalltermin. Das wars.
Nach Hause geschickt mit weiteren fünf Wochen Ungewissheit. War ich echt? Echt jetzt?
Morgenübelkeit begegnete mir keine. Allein der Hunger, der mich alle zwei Stunden befiel wies darauf hin, dass etwas nicht ganz normal war. Auch die Müdigkeit, die Unfähigkeit nur zehn Treppenstufen zu steigen ohne schwer atmend einen Mittagschlaf herbeizusehnen. Mittagschlaf, also wirklich. Trotzdem fehlte mir der hieb- und stichfeste Beweis.
In der Zwischenzeit flatterte ein Brief ins Haus - Termin bei der Hebamme. Schön ins nachbarörtliche Krankenhaus getuckert und in einen Wartesaal gesteckt worden. Tausend Fragen zu krankheitlichen und familiären Vorgeschichte beantwortet. Endlich auch Blut und Urin abgenommen, aber immernoch kein professioneller Test. Bis hierhin hatte allein mein Wort gereicht.
Der erste Pinkelstab war Mitte Juli. Anfang September dann endlich ein Ultraschalltermin. 12 Wochen war ich mittlerweile. Und bis zu dem Moment, als ein zappelnder menschlicher Umriss auf dem Bildschirm zu erkennen war, konnte ich mir nicht vorstellen, dass da tatsächlich ein echtes Lebewesen in meinem Unterbauch herumschwimmen sollte. Aber da war er: Der Sargnagel.
Und nun, in der 20. Woche wird mein Bauch dicker, meine Hüften breiter, mein Hunger wieder kleiner, die nächtlichen Pinkelpausen öfter, und die ganze Sache immer echter. Wir kriegen ein Kind. Zu Hülf!!! Wie geht das? Ich glaube, das werde ich jetzt doch langsam einmal herausfinden müssen.
Jedoch das erste, das mir in England auffiel war das ärztliche Desinteresse, als der Zuhause-aufs-Stäbchen-Pinkel-Test das dicke, fette Plus für Positiv anzeigte, da war mein Pinkelstrom noch nicht einmal versiegt, so schnell ging das. Ohnmachtsanfall, Tanzanfall, panisch um den Couchtisch renn Anfall. Was nun?
Anruf in der Artztpraxis, Termin für irgendwann in drei, vier Wochen vereinbart. Früher ging nicht. Das gab mir Zeit noch auf mehrere Stäbchen verschiedener Fabrikate zu pinkeln, die alle das selbe Endergebnis vorzeigten. Ja, Pinkeln war und ist sowieso noch ein großes Thema.
Schließlich, der Termin. Ich rechnete mit Bluttest, Urintest, irgendetwas das nachweisen würde, dass die unscheinbaren Plastikstäbchen die Wahrheit prophezeit hatten. Doch dem sollte nicht so sein. Gähnend fragte die Ärztin in welcher Woche ich mich den befinden würde. Äh... ok. Waghalserische Rechnerei, wahrscheinlich 7 oder 8. Ok, gähnte die Ärztin wieder. Sie würden mir einen Brief schicken mit Ultraschalltermin. Das wars.
Nach Hause geschickt mit weiteren fünf Wochen Ungewissheit. War ich echt? Echt jetzt?
Morgenübelkeit begegnete mir keine. Allein der Hunger, der mich alle zwei Stunden befiel wies darauf hin, dass etwas nicht ganz normal war. Auch die Müdigkeit, die Unfähigkeit nur zehn Treppenstufen zu steigen ohne schwer atmend einen Mittagschlaf herbeizusehnen. Mittagschlaf, also wirklich. Trotzdem fehlte mir der hieb- und stichfeste Beweis.
In der Zwischenzeit flatterte ein Brief ins Haus - Termin bei der Hebamme. Schön ins nachbarörtliche Krankenhaus getuckert und in einen Wartesaal gesteckt worden. Tausend Fragen zu krankheitlichen und familiären Vorgeschichte beantwortet. Endlich auch Blut und Urin abgenommen, aber immernoch kein professioneller Test. Bis hierhin hatte allein mein Wort gereicht.
Der erste Pinkelstab war Mitte Juli. Anfang September dann endlich ein Ultraschalltermin. 12 Wochen war ich mittlerweile. Und bis zu dem Moment, als ein zappelnder menschlicher Umriss auf dem Bildschirm zu erkennen war, konnte ich mir nicht vorstellen, dass da tatsächlich ein echtes Lebewesen in meinem Unterbauch herumschwimmen sollte. Aber da war er: Der Sargnagel.
Und nun, in der 20. Woche wird mein Bauch dicker, meine Hüften breiter, mein Hunger wieder kleiner, die nächtlichen Pinkelpausen öfter, und die ganze Sache immer echter. Wir kriegen ein Kind. Zu Hülf!!! Wie geht das? Ich glaube, das werde ich jetzt doch langsam einmal herausfinden müssen.
Frischer Wind... oder frische Windeln?
Folgende Themen hat dieser Blog schon behandelt:
Und jetzt brandaktuell der Beginn einer neuen Ära:
Liebe Leserschaft, es gibt Nachwuchs. Ein ganz eigener Sargnagel hat sich alienartig in meinem Unterkörper eingenistet, und wartet geduldig auf den richtigen Zeitpunkt um mit einem dramatischen Auftritt ans Tageslicht zu treten, und die Fäden meines Lebens in seine kleinen dicken Fäuste zu nehmen. Gerade einmal 15cm lang schon das Zentrum des Universums. 250g geballte Menschlichkeit, die einmal Einfluss auf den Verlauf der Welt nehmen könnte.
Coming soon... Windelkacker März 2016
- Aupair in London
- Nicht mehr Aupair in London
- Jobsuche in England
- Wohnungssuche in England
- Mit einem Engländer zusammenleben
- Besagten Engländer heiraten
Und jetzt brandaktuell der Beginn einer neuen Ära:
- Schwanger in England
Liebe Leserschaft, es gibt Nachwuchs. Ein ganz eigener Sargnagel hat sich alienartig in meinem Unterkörper eingenistet, und wartet geduldig auf den richtigen Zeitpunkt um mit einem dramatischen Auftritt ans Tageslicht zu treten, und die Fäden meines Lebens in seine kleinen dicken Fäuste zu nehmen. Gerade einmal 15cm lang schon das Zentrum des Universums. 250g geballte Menschlichkeit, die einmal Einfluss auf den Verlauf der Welt nehmen könnte.
Coming soon... Windelkacker März 2016
Montag, 25. Mai 2015
Schaffen, schaffen, Häusle bauen
Der nächste Schritt im fortgeschrittenen Spießerstadium ist natürlich der Erwerb eines Eigenheims.
Schaffen, schaffen, Häusle bauen ist ein Slogan dem man im Schwabenländle schon immer große Bedeutung gegeben hatte, und zusammen mit der ersten Rassel bekommt man auch den Bausparvertrag in die Wiege gelegt.
Ich persönlich finde Mieten sehr angenehm. Sobald etwas schief geht, Vermieter anrufen und in Ordnung bringen lassen. Nur Dank des Mietens können wir uns die Wohnung unter dem Dach leisten, die nach englischem Standard gemessen gerade zu luxuriös ist. Die Vermieter lassen uns in Ruhe, sind aber trotzdem abrufbereit wenn die Waschmaschine kaputt geht, der Boiler komische Geräusche macht und die Haustür mal wieder gestrichen werden könnte.
"Totes Geld!" mahnt jedoch ein jeder, der sich nach unserer Wohnsituation erkundigt, und tätschelt stolz sein eigenes mikroskopisch kleines Haus, neben dem sogar der Urlaubs-Schuhkarton vom Gawjus Vater wie ein Palast wirkt. Häuser sind verdammt teuer. Oder wenn sie nicht teuer sind, dann haben sie keine Fenster, undichte Dächer, und man hätte mehr davon in einem Baum zu leben als in den sogenannten eigenen vier Wänden.
Von der Idee eines freistehenden Hauses im Grünen mit Garten und keinen allzu direkten Nachbarn habe ich mich im vollgestopften Londoner Vorstadtring schon verabschiedet. Viel zu viele Menschen leben hier. Auf jedem noch verfügbaren Platz werden Wohnblöcke mit Wohnungen in der Größe von Gefängniszellen gebaut, die sich verkaufen wie warme Semmeln. Menschen leben dicht an dicht an dicht, und keiner scheint sich wirklich daran zu stören. Ist ja LONDON. Die Stadt kriecht immer näher und sogar in unserem malerischen Örtchen haben die Abrissbirnen Einzug gehalten, reißen alles nieder, das als Platzverschwendung eingestuft wird, bauen fünfstöckige Betonkisten in dem achtundvierzig Familien wie in einer Legebatterie leben können, geben dem Ortskern schicke neue Namen, Straßen und Geschäfte, und lassen die Renten und Hauspreise nach oben schnalzen wie mit einem Gummiband.
In den letzten zwei Jahren hat sich hier so viel getan. Sogar unser Vermieter ist auf den Zug aufgesprungen und hat die einst so erschwingliche Miete erhöht. Jetzt haben wir doch das Gefühl, "totes Geld" zu bezahlen. Vielleicht wird es doch Zeit für etwas eigenes. Aber nach oberflächlicher Durchsicht der Immobilienseiten wird schnell klar, der Gawjus und ich können uns offiziell nicht mehr leisten hier zu wohnen. Wenn wir nicht gerade in eine Legebatterie ziehen wollen, jedoch kommt das nicht in die Tüte.
Wir haben beschlossen, etwas weiter von London weg zu ziehen. Irgendwohin wo man wieder frei atmen kann, wo man vielleicht einmal fünf Minuten durch die Natur laufen kann ohne jemandem zu begegnen, und wo es eine gute Zuganbindung gibt um immer noch in der großen Stadt arbeiten zu können, aber abends wieder in die Ruhe und Beschaulichkeit zu entflüchten.
Nach einem Gespräch mit einem Berater haben wir ausgerechnet, dass wir grünes Licht haben, die erste Sprosse der Immobilienleiter zu erklimmen. Die Bank ist bereit, uns eine Mortgage zu geben. Sozusagen eine Hypothek, mit der wir uns ein Eigenheim anschaffen können, und dann über die nächsten 30 Jahre abbezahlen.
Die Suche nach einem passenden Haus ist aufregend. Wir durchforsten die gängigen Internetseiten, treffen unsere Auswahlkritieren, setzen das Preislimit fest und drücken die Suchtaste, die das Tor zu einer neuen, unbekannten Welt öffnet. Auf den ersten Blick erscheint alles so passend und hübsch und guck mal, ein riesiger Garten, und der tolle Kamin, und so vereinbaren wir auch schon die ersten Besichtigungstermine.
Wir würden schnell lernen. Vor allem, dass nichts so ist wie es scheint. Immobilienmakler verwenden Weitwinkelobjektive, Selfie-Sticks und tricksen geschickt mit dem Licht um alles wunderschön und riesig aussehen zu lassen. Die ersten beiden Häuser haben die Grundfläche eines VW Transporters. So fühlt es sich jedenfalls an. Kein Vergleich zur "großzügigen, sonnendurchfluteten Wohnküche", die im Internet angepriesen wurde. Bei manchen ist Tag des offenen Hauses und zusammen mit uns quetschen sich weitere zwanzig Menschen durch die Korridore und Zimmerchen, alle sich krampfhaft ignorierend, denn Immobilienkauf erfordert absolute Undurchsichtigkeit.
Nach drei, vier dieser eher enttäuschenden Besichtigungen haben wir jedoch eine Menge dazu gelernt. Wir studieren Grundrisse, befragen Google Maps, und setzen ein paar neue Kritieren (Garage mit Einfahrt), und gehen die Sache etwas langsamer an.
Und dann kommt der Tag, an dem wir tatsächlich ein Angebot machen.
Das Haus ist nichts besonderes. Nicht viktorianisch gemauert mit Holzeinfassungen, das mir so insgeheim vorschwebt, nein, überhaupt nichts schönes an diesem Klötzchen. Die Fassade ist sandfarben und hat einen Belag, der etwas wie Kies aussieht. Der fachliche Begriff dafür ist mir nicht bekannt.
Es hat jedoch drei Schlafzimmer in akzeptabler Größe (was haben wir für Besenkammern gesehen...), einen gläsernen Ausbau nach hinten, einen pflegeleichten Garten mit Teich, Garage, und hinter dem Haus befindet sich ein Friedhof, der sich durch die ganze Länge der Straße zieht. Vom Schlafzimmerfenster hat man Aussicht auf alte Grabsteine.
Was wohl für andere gruselig wirken könnte bedeutet für mich eines: Die stillsten Nachbarn, die man sich vorstellen kann.
Das Haus ist perfekt. Alles scheint intakt, keine Risse, keine Löcher, die einzige Arbeit wäre neue Bodenbeläge und ein Klecks Farbe, scheint das Interior doch noch aus den Achzigern zu stamen. Der Gawjus und ich grinsen wie blöd, als wir wieder im Auto sitzen und rufen noch auf der Fahrt nach Hause bei den Maklern an um unser Angebot zu unterbreiten.
Ich muss hier mit Zahlen reden, ansonsten wird der nächste Teil der Geschichte nicht ganz einfach zu verstehen.
Das Haus war ausgeschrieben mit 295.000 Pfund. Ein stolzer Preis. Und natürlich sind wir totale Immobilien-Anfänger, aber wir wissen, dass man erstmal sehr viel weniger anbietet. Deswegen bezog sich unser Angebot auf 275.
Am nächsten Tag rief die Maklerin an, fröhliche Säuselstimme, wie sie alle haben, und meinte wir sind etwas niedrig, könnten wir vielleicht mehr anbieten? Kurze Beratschlagung mit Gawjus, und wir beschließen auf 278 zu erhöhen. Die Säuselstimme klingt überglücklich und verspricht, mich nach dem Wochenende zurückzurufen.
Plötzlich bekommen wir Zweifel. Ein nagendes Gefühl macht sich breit. Wir sind Anfänger. Haben wir das richtig angepackt? Ist das Haus wirklich so viel Geld wert?
Wir fangen an zu recherchieren. Das Internet zeigt sich sehr gnädig, und wir bekommen mit ein paar Mausklicks heraus, zu welchem Preis sich andere Häuser in der Nachbarschaft verkauften. Die Häuser sehen in der ganzen Straße gleich aus. Und sofort finden wir eines in unmittelbarer Nähe, das sogar noch ein Schlafzimmer mehr hat, und einen größeren Garten, und einen Ausbau. Der Verkaufspreis vor einem halben Jahr war deutlich unter unserem Angebot. Auch ein paar andere Verkäufe in den letzten zwei Jahren wurden sehr viel niedriger abgewickelt als unser Angebot.
Wir haben zu viel geboten. Die Erkenntnis trifft uns ganz eindeutig. Ich beschließe sofort am Montag anzurufen und unser Angebot zurückzuziehen, oder zumindest zu verniedrigen.
Leider kommt mir Säuselstimme zuvor. Als ich ans Telefon gehe ist sie außer sich vor Freude mir zu verkünden zu können, dass unser Angebot akzeptiert wurde.
Es ist mir etwas peinlich, aber ruhig erkläre ich ihr, dass wir die Sache noch einmal überdacht haben, und nach etwas Recherche festgestellt haben, dass das Haus nicht so viel wert sein kann.
Die Säuselstimme hört sich überhaupt nicht mehr säuselig an. "Fine" sagt sie. Aber "fine" bedeutet im Englischen mit der richtigen Betonung normalerweise alles andere als "fine"
Zwei Minuten ruft sie wieder an. Was wir denn denken, was das Haus wert sei? 255 schlage ich vor. "Fine" sagt sie wieder etwas säuseliger. Sie wird sich die Sache ansehen und mich wieder anrufen.
Am selben Abend klicke ich vor dem Schlafengehen noch einmal auf meine super tolle Immobilien App, die mir immer schön auflistet, was denn gerade so auf dem Markt unseren Kriterien entspricht. Und da fallen mir fast die Augen aus dem Kopf, als plötzlich "unser" Haus als erster Treffer auftaucht mit der fetten Aufschrift "Preisreduziert", und 265.000 als Verkaufspreis. Na so was.
Der Gawjus und ich haben nun endgültig kalte Füße bekommen. Das Haus stammt aus einer Erbschaft, und Rechtsanwälte sind involviert. Anwälte und Makler sind sicher gleichermaßen daran interessiert, so viel wie möglich Profit für sich selbst herauszuschlagen und sind bestimmt sehr gut darin uns blutige Anfänger auszupressen wie so Zitronen. Ich habe Angst um mein Geld.
Wir werden das Angebot nicht erhöhen. Falls sich kein Käufer findet, und die Makler sich mit 255 zufrieden geben, dann werden wir noch einmal darüber nachdenken. Aber momentan warten wir lieber ab und sehen was passiert. Das Haus ist perfekt, sagt der Kopf. Aber ist es auch das Haus für's Herz?
Wir haben es nicht eilig, deswegen lehnen wir uns jetzt erst einmal gemütlich zurück, klicken durch die Immobilien-App und nutzen unsere neu erworbene Erfahrung für das nächste Angebot.
Schaffen, schaffen, Häusle bauen ist ein Slogan dem man im Schwabenländle schon immer große Bedeutung gegeben hatte, und zusammen mit der ersten Rassel bekommt man auch den Bausparvertrag in die Wiege gelegt.
Ich persönlich finde Mieten sehr angenehm. Sobald etwas schief geht, Vermieter anrufen und in Ordnung bringen lassen. Nur Dank des Mietens können wir uns die Wohnung unter dem Dach leisten, die nach englischem Standard gemessen gerade zu luxuriös ist. Die Vermieter lassen uns in Ruhe, sind aber trotzdem abrufbereit wenn die Waschmaschine kaputt geht, der Boiler komische Geräusche macht und die Haustür mal wieder gestrichen werden könnte.
"Totes Geld!" mahnt jedoch ein jeder, der sich nach unserer Wohnsituation erkundigt, und tätschelt stolz sein eigenes mikroskopisch kleines Haus, neben dem sogar der Urlaubs-Schuhkarton vom Gawjus Vater wie ein Palast wirkt. Häuser sind verdammt teuer. Oder wenn sie nicht teuer sind, dann haben sie keine Fenster, undichte Dächer, und man hätte mehr davon in einem Baum zu leben als in den sogenannten eigenen vier Wänden.
Von der Idee eines freistehenden Hauses im Grünen mit Garten und keinen allzu direkten Nachbarn habe ich mich im vollgestopften Londoner Vorstadtring schon verabschiedet. Viel zu viele Menschen leben hier. Auf jedem noch verfügbaren Platz werden Wohnblöcke mit Wohnungen in der Größe von Gefängniszellen gebaut, die sich verkaufen wie warme Semmeln. Menschen leben dicht an dicht an dicht, und keiner scheint sich wirklich daran zu stören. Ist ja LONDON. Die Stadt kriecht immer näher und sogar in unserem malerischen Örtchen haben die Abrissbirnen Einzug gehalten, reißen alles nieder, das als Platzverschwendung eingestuft wird, bauen fünfstöckige Betonkisten in dem achtundvierzig Familien wie in einer Legebatterie leben können, geben dem Ortskern schicke neue Namen, Straßen und Geschäfte, und lassen die Renten und Hauspreise nach oben schnalzen wie mit einem Gummiband.
In den letzten zwei Jahren hat sich hier so viel getan. Sogar unser Vermieter ist auf den Zug aufgesprungen und hat die einst so erschwingliche Miete erhöht. Jetzt haben wir doch das Gefühl, "totes Geld" zu bezahlen. Vielleicht wird es doch Zeit für etwas eigenes. Aber nach oberflächlicher Durchsicht der Immobilienseiten wird schnell klar, der Gawjus und ich können uns offiziell nicht mehr leisten hier zu wohnen. Wenn wir nicht gerade in eine Legebatterie ziehen wollen, jedoch kommt das nicht in die Tüte.
Wir haben beschlossen, etwas weiter von London weg zu ziehen. Irgendwohin wo man wieder frei atmen kann, wo man vielleicht einmal fünf Minuten durch die Natur laufen kann ohne jemandem zu begegnen, und wo es eine gute Zuganbindung gibt um immer noch in der großen Stadt arbeiten zu können, aber abends wieder in die Ruhe und Beschaulichkeit zu entflüchten.
Nach einem Gespräch mit einem Berater haben wir ausgerechnet, dass wir grünes Licht haben, die erste Sprosse der Immobilienleiter zu erklimmen. Die Bank ist bereit, uns eine Mortgage zu geben. Sozusagen eine Hypothek, mit der wir uns ein Eigenheim anschaffen können, und dann über die nächsten 30 Jahre abbezahlen.
Die Suche nach einem passenden Haus ist aufregend. Wir durchforsten die gängigen Internetseiten, treffen unsere Auswahlkritieren, setzen das Preislimit fest und drücken die Suchtaste, die das Tor zu einer neuen, unbekannten Welt öffnet. Auf den ersten Blick erscheint alles so passend und hübsch und guck mal, ein riesiger Garten, und der tolle Kamin, und so vereinbaren wir auch schon die ersten Besichtigungstermine.
Wir würden schnell lernen. Vor allem, dass nichts so ist wie es scheint. Immobilienmakler verwenden Weitwinkelobjektive, Selfie-Sticks und tricksen geschickt mit dem Licht um alles wunderschön und riesig aussehen zu lassen. Die ersten beiden Häuser haben die Grundfläche eines VW Transporters. So fühlt es sich jedenfalls an. Kein Vergleich zur "großzügigen, sonnendurchfluteten Wohnküche", die im Internet angepriesen wurde. Bei manchen ist Tag des offenen Hauses und zusammen mit uns quetschen sich weitere zwanzig Menschen durch die Korridore und Zimmerchen, alle sich krampfhaft ignorierend, denn Immobilienkauf erfordert absolute Undurchsichtigkeit.
Nach drei, vier dieser eher enttäuschenden Besichtigungen haben wir jedoch eine Menge dazu gelernt. Wir studieren Grundrisse, befragen Google Maps, und setzen ein paar neue Kritieren (Garage mit Einfahrt), und gehen die Sache etwas langsamer an.
Und dann kommt der Tag, an dem wir tatsächlich ein Angebot machen.
Das Haus ist nichts besonderes. Nicht viktorianisch gemauert mit Holzeinfassungen, das mir so insgeheim vorschwebt, nein, überhaupt nichts schönes an diesem Klötzchen. Die Fassade ist sandfarben und hat einen Belag, der etwas wie Kies aussieht. Der fachliche Begriff dafür ist mir nicht bekannt.
Es hat jedoch drei Schlafzimmer in akzeptabler Größe (was haben wir für Besenkammern gesehen...), einen gläsernen Ausbau nach hinten, einen pflegeleichten Garten mit Teich, Garage, und hinter dem Haus befindet sich ein Friedhof, der sich durch die ganze Länge der Straße zieht. Vom Schlafzimmerfenster hat man Aussicht auf alte Grabsteine.
Was wohl für andere gruselig wirken könnte bedeutet für mich eines: Die stillsten Nachbarn, die man sich vorstellen kann.
Das Haus ist perfekt. Alles scheint intakt, keine Risse, keine Löcher, die einzige Arbeit wäre neue Bodenbeläge und ein Klecks Farbe, scheint das Interior doch noch aus den Achzigern zu stamen. Der Gawjus und ich grinsen wie blöd, als wir wieder im Auto sitzen und rufen noch auf der Fahrt nach Hause bei den Maklern an um unser Angebot zu unterbreiten.
Ich muss hier mit Zahlen reden, ansonsten wird der nächste Teil der Geschichte nicht ganz einfach zu verstehen.
Das Haus war ausgeschrieben mit 295.000 Pfund. Ein stolzer Preis. Und natürlich sind wir totale Immobilien-Anfänger, aber wir wissen, dass man erstmal sehr viel weniger anbietet. Deswegen bezog sich unser Angebot auf 275.
Am nächsten Tag rief die Maklerin an, fröhliche Säuselstimme, wie sie alle haben, und meinte wir sind etwas niedrig, könnten wir vielleicht mehr anbieten? Kurze Beratschlagung mit Gawjus, und wir beschließen auf 278 zu erhöhen. Die Säuselstimme klingt überglücklich und verspricht, mich nach dem Wochenende zurückzurufen.
Plötzlich bekommen wir Zweifel. Ein nagendes Gefühl macht sich breit. Wir sind Anfänger. Haben wir das richtig angepackt? Ist das Haus wirklich so viel Geld wert?
Wir fangen an zu recherchieren. Das Internet zeigt sich sehr gnädig, und wir bekommen mit ein paar Mausklicks heraus, zu welchem Preis sich andere Häuser in der Nachbarschaft verkauften. Die Häuser sehen in der ganzen Straße gleich aus. Und sofort finden wir eines in unmittelbarer Nähe, das sogar noch ein Schlafzimmer mehr hat, und einen größeren Garten, und einen Ausbau. Der Verkaufspreis vor einem halben Jahr war deutlich unter unserem Angebot. Auch ein paar andere Verkäufe in den letzten zwei Jahren wurden sehr viel niedriger abgewickelt als unser Angebot.
Wir haben zu viel geboten. Die Erkenntnis trifft uns ganz eindeutig. Ich beschließe sofort am Montag anzurufen und unser Angebot zurückzuziehen, oder zumindest zu verniedrigen.
Leider kommt mir Säuselstimme zuvor. Als ich ans Telefon gehe ist sie außer sich vor Freude mir zu verkünden zu können, dass unser Angebot akzeptiert wurde.
Es ist mir etwas peinlich, aber ruhig erkläre ich ihr, dass wir die Sache noch einmal überdacht haben, und nach etwas Recherche festgestellt haben, dass das Haus nicht so viel wert sein kann.
Die Säuselstimme hört sich überhaupt nicht mehr säuselig an. "Fine" sagt sie. Aber "fine" bedeutet im Englischen mit der richtigen Betonung normalerweise alles andere als "fine"
Zwei Minuten ruft sie wieder an. Was wir denn denken, was das Haus wert sei? 255 schlage ich vor. "Fine" sagt sie wieder etwas säuseliger. Sie wird sich die Sache ansehen und mich wieder anrufen.
Am selben Abend klicke ich vor dem Schlafengehen noch einmal auf meine super tolle Immobilien App, die mir immer schön auflistet, was denn gerade so auf dem Markt unseren Kriterien entspricht. Und da fallen mir fast die Augen aus dem Kopf, als plötzlich "unser" Haus als erster Treffer auftaucht mit der fetten Aufschrift "Preisreduziert", und 265.000 als Verkaufspreis. Na so was.
Der Gawjus und ich haben nun endgültig kalte Füße bekommen. Das Haus stammt aus einer Erbschaft, und Rechtsanwälte sind involviert. Anwälte und Makler sind sicher gleichermaßen daran interessiert, so viel wie möglich Profit für sich selbst herauszuschlagen und sind bestimmt sehr gut darin uns blutige Anfänger auszupressen wie so Zitronen. Ich habe Angst um mein Geld.
Wir werden das Angebot nicht erhöhen. Falls sich kein Käufer findet, und die Makler sich mit 255 zufrieden geben, dann werden wir noch einmal darüber nachdenken. Aber momentan warten wir lieber ab und sehen was passiert. Das Haus ist perfekt, sagt der Kopf. Aber ist es auch das Haus für's Herz?
Wir haben es nicht eilig, deswegen lehnen wir uns jetzt erst einmal gemütlich zurück, klicken durch die Immobilien-App und nutzen unsere neu erworbene Erfahrung für das nächste Angebot.
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