Dienstag, 18. Februar 2014

Fahrnwermal

Seit zwei Wochen bin ich aktives Mitglied im englischen Straßenverkehr. Wir haben ein Auto gekauft.

Ich bin immer gerne gefahren in Deutschland. Mein Kleinwagen hat mich so gut wie überall hingebracht und ich habe mich immer gefreut, wenn ich mal so richtig Gas geben konnte. Ganze 140 Stundenkilometer hat der 18-jährige Citroen geschafft, auch wenn mir das Lenkrad wegen den Vibrationen fast aus der Hand gesprungen ist. Fahren hat sich so echt angefühlt. Gänge schalten, die Macken und Eigenarten des Autos kennen. Wie ein kleiner airbagloser Kokon schmiegte sich die dünne Karosserie um mich herum und ich kannte jeden Millimeter an Länge und Breite. Parklücken waren ein Klacks. Rückwärtsfahren konnte ich kilometerweit im Slaom.

Und jetzt? Nach fünf Jahren weg vom Steuer habe ich das Gefühl, dass ich wieder bei Null angekommen bin.

Erste Hürde: Das Lenkrad ist auf der falschen Seite. Es ist rechts. Ich muss mit der linken Hand schalten. Es fühlt sich an wie das Unnatürlichste auf der Welt. Meine rechte Hand schnellt ständig nach rechts zum Türgriff oder rüttelt am Sitzhebel, während mein Gehirn überhaupt nicht hinterher kommt.

Währenddessen überwinde ich Hürde zwei und fahre auf der linken Seite. Dies ist eigentlich das kleinste Problem. Nach fünf Jahren als Beifahrer ist das ganz natürlich geworden. Nur manchmal beim rechts abbiegen auf komplizierten Kreuzungen muss ich zweimal überlegen wo ich denn genau hin muss.

Als nächstes kommt das Problem, dass der Wagen riesig ist. Ein Audi A4 Kombi. Ich habe den Gawjus entscheiden lassen, was für ein Auto wir kaufen. Und weil ja das Angelzeug reinpassen muss, kam nur ein Kombi in Frage.
Jedes Mal wenn ich zum Rückwärtsfahren nach hinten schaue, sehe ich nur endlose Länge des Fahrzeugs, Kopfstützen und Nichtsigkeit. Es hat zwar ein Ding das piept wenn ich zu nahe an Hindernisse komme, aber so ganz traue ich dem noch nicht. Zumal weigert sich mein sowieso schon vom Schalten überbeanspruchtes Gehirn beim Parken umzudenken. Ich benutze grundsätzlich die falschen Spiegel, habe keine Ahnung wie weit oder lang mein Auto ist, und nach hinten bin ich geradezu blind. Prost Mahlzeit.

Ein panisch kreischender Gawjus im Beifahrersitz "Nicht so weit liiiiiiiiinks!" macht das Geradeausfahren auch nicht gerade einfacher. Anscheinend ist es hier Gang und Gäbe, dass man ziemlich nahe am Mittelstreifen fährt. Also ich habe mich bisher in meiner fahrerischen Laufbahn immer am Fahrbahnrand der Beifahrerseite orientiert und nie das Gefühl gehabt, das sei falsch. Der Gawjus, auch sehr ungeübt als Beifahrer, denkt immer dass ich jedem Moment an parkenden Autos entlang schleife. Aber ich kann ja im Seitenspiegel sehen, dass da noch mindestens 20cm Platz ist. Vor allem, knapp daneben ist auch vorbei.

Sehr darauf beacht von den parkenden Autos wegzubleiben wenn der Gawjus dabei ist, dazu die rechte Hand am Türgriff nach Gängen tastend, fahre ich in meinen ersten mehrspurigen Kreisverkehr. Die gibt es hier haufenweise. Manchmal sind die Linien, die eigentlich Fahrspuren von einander trennen sollten gar nicht vorhanden. Man muss vorher schon wissen welche Ausfahrt man nimmt, und sich dementsprechend einsortieren, ansonsten kann eine Ehrenrunde anstehen. Leider macht die Tatsache, dass es bei Kreuzungen und Kreisverkehren kaum bis keine Hinweisschilder gibt, dies nicht gerade einfach. Deutschland wird als Schilderwald bezeichnet - zurecht - aber ich sehe nun auch die Notwendigkeit. Es macht das Fahrerleben leichter. Wie oft ich auf meinen paar Fahrten hier schon last-minute Spurwechsel mit viel Winken, Blinken und Bedanken machen musste, weil sich meine Spur plötzlich in eine Abbiegespur verwandelte, kann ich gar nicht zählen.

Auf meiner ersten Fahrt blieb ich versehentlich auf einer Yellow Box Junction stehen. Das ist ein gelbes, mit diagonalen Linien geriffeltes Feld in der Mitte von Kreuzungen und muss immer frei gehalten werden. Das heißt, man kann zwar darüber fahren wenn die Ampel grün ist, aber man darf nie darauf stehen bleiben. Außer, wenn man rechts abbiegt und erst noch den Gegenverkehr abwartet. Hübsche Kameras filmen alles von oben und man kann damit rechnen, dass nach einer fehlgeschlagenen Yellow Box Begegnung ein Strafzettel ins Haus flattert.

Ich werde mir Theroriematerial für englische Fahrprüfungen runterladen müssen. Es gibt doch einige Sachen, die anders sind als in Deutschland. Rote und gelbe Linien, doppelte gelbe Linien, ich weiß nicht einmal was die erlaubte Höchstgeschwindigkeit außerhalb von Ortschaften ist. Natürlich gibt es auch keine Ortsschilder.
Ich amüsiere mich sehr über das Wort SLOW, das immer mal wieder auf die Straße gedruckt ist. Definiere 'langsam'? Warum nicht gleich eine 20 oder 30 oder 40, dann weiß wenigstens jeder Bescheid was 'slow' ist. Oder einfach ein SCHILD?

Schilder gibt es jedoch für Radarfallen. Jeder Blitzer wird lange vorher angekündigt. Hier gibt es das wohl nicht, dass sich die Polizei mit der Messpistole in Mülltonnen am Straßenrand versteckt. Wer hier geblitzt wird muss sich schon sehr dämlich anstellen. 

So, das ist nun also der momentane Stand der Dinge. Ich bin sehr verunsichert durch all die neuen Sachen, die mit Fahren zu tun haben, was ich eigentlich immer sehr gerne gemacht habe. Aber ich werde mich daran gewöhnen. Gewöhnt habe ich mich definitiv schon an die beheizbaren Sitze und den Bordcomputer, der wie ein unscheinbares Autoradio aussieht, und sich auf Knopfdruck ausfährt und aufrichtet, wie eine Spielzeug von James Bond. Hammer! Wenn das Auto noch während der Fahrt Wodka Martinis mixen und servieren würde (geschüttelt, nicht gerührt), dann würden wir sicher schneller Freunde werden. Der Kombi und ich.


Sonntag, 16. Februar 2014

Doomsday

Der jüngste Tag ist gekommen. Der Untergang der Welt. Doomsday.

Die Himmelsschleusen sind aus den Schanieren gesprungen. Die Sintflut ergießt sich unerbittlich auf Felder, Städte und Wälder. Natürliche Feuchtraumbiotope siedeln sich auf Fußballplätzen an. Flüsse verlassen ihre Betten und fließen durch die Innenstadt. Hohe Flutwellen umarmen innig die Häuser in Nähe der Küste. Die Erde öffnet sich und verschluckt genüsslich Straßen, Autos und Bäume. Dicke Äste dekorieren Gehwege und Einfahrten. Der Wind heult wie ein Rudel mondhungriger Wölfe. Kamine spucken Steine und Geröll in die Wohnzimmer.


Es ist Winter.

Oder Doomsday?