Mittwoch, 6. Januar 2010

Tag 264 - Are you in the queue?

Das fängt ja gut an!
Kaum hat man den Jahreswechsel überlebt mit dem guten Vorsatz, mehr zu schreiben… und schon steckt man im Krea-tief.
Gerade noch so viele Dinge im Kopf, die man unbedingt loswerden möchte… Dokument geöffnet… Finger auf die Tasten… aber nichts passiert. Der Cursor blinkt geduldig auf dem blendenden Weiß des Bildschirms, setzt sich aber nicht in Bewegung wie er eigentlich sollte, um ein paar Reihen Buchstaben zu hinterlassen. Nichts. Vielleicht ist er kaputt. Blink, blink, blink, geht, geht nicht, geht…

FROHES NEUES JAHR, schreibt er jetzt. Besser als nichts.

Seit genau einer Woche bin ich wieder im Lande. Weihnachten in Deutschland war schön. Es war sehr gut, Familie und langjährige Freunde zu sehen und jede Menge vertrauter Sachen zu essen. Ich hatte einen Weihnachtsdöner von Ali Baba! Und breite Nudeln! Und Spätzle mit Soße!

Es hat ein wenig gedauert, bis ich wirklich angekommen war. Wenn ich spontan angesprochen wurde, antwortete ich grundsätzlich auf Englisch. Meinen Döner wollte ich gedankenlos und gewohnt mit Pfund bezahlen. Überhaupt kam ich mit den Euro- und Centmünzen kaum klar. Faszinierend, wie schnell man so was vergisst. Der Rechtsverkehr brachte mich durcheinander, wenn ich die Straße überqueren wollte. Und plötzlich fällt mir auf, wie unfreundlich die Leute in Deutschland sind. Speziell Verkäuferinnen. Und unhöflich sowieso. Bei Schlecker hab ich etwas für 0,59 € eingekauft und vor dem Bezahlen äußerst höflich um Entschuldigung gebeten, dass ich nur einen 50 Euro Schein habe und damit eventuell Umstände bereiten könnte, was selbstverständlich nicht meine Absicht war… blablabla. Gewinner in der Kategorie „Verkäuferin des Jahres“ war dann die Dame an der Kasse, die mir statt einer Antwort einfach nur den Blick des Todes gab und das Wechselgeld demonstrativ nicht in meine ausgestreckte Hand legte, sondern mit solcher Wucht auf das Band knallte, dass die Münzen in alle Richtungen gesprengt wurden. Ups.

Das Warteschlangen- und Reißverschlussverfahrenphänomen: Die Deutschen können es einfach nicht.
Ich gehe jede Wette ein, dass die Engländer das Reißverschlussverfahren im Straßenverkehr erfunden haben. Ich hab das noch nirgends so flüssig gesehen. Jeder kapiert, was zu tun ist: Wenn zwei Spuren zu einer einzigen zusammengeführt werden, bis zum Ende der endenden Spur fahren, Einordnen.
Nicht wie in Deutschland: Schild zur Kenntnis nehmen „Reißverschluss in 500 Meter“, Augen entsetzt aufreißen, sofort anhalten (ganz wichtig!), in die andere Spur irgendwie reindrücken (zur Not mit Hupe) und damit zwei Fahrspuren mal eben zum Stillstand bringen.

Warteschlangen… es gibt verschiedene Sorten in England und sie funktionieren alle.
Die unsichtbare Warteschlange: Ich gehe zur Bushaltestelle, an der schon ein älterer Herr steht, vertieft in den Fahrplan. Nach ein paar Minuten kommt noch eine Frau angekeucht, gerade noch rechtzeitig bevor der Bus um die Ecke biegt. Der Mann steigt zuerst ein, denn er ist der Erste in der unsichtbaren Warteschlange. His wait. Ich wäre als Nächstes dran, muss aber noch meine Fahrkarte rauskramen. Deswegen gebe ich der Frau ein Zeichen, sie könne vor mir einsteigen. Sie wird sich daraufhin überschwänglich bedanken. Ich hab’s sogar schon erlebt, dass sich jemand beharrlich weigerte vorgelassen zu werden.
Die sichtbare Warteschlange: An Kassen, Schaltern und so weiter. Alle haben den gleichen Abstand zueinander, jeder wartet geduldig, selbst wenn es Jahre dauert. Für gewöhnlich fragt man den Letzten in der Schlange „are you in the queue?“, selbst wenn es offensichtlich ist, dass er in der Schlange steht. Ich hab noch nicht herausgefunden, warum man das macht. Todsünde ist „to jump the queue“... vordrängeln. Macht auch niemand.

Anders wiederum in Deutschland… ich hab noch nie so ein Chaos erlebt wie am Abflughafen. Es gab drei Schalter zum Einchecken. Schön wäre gewesen, wenn es eine einzige Schlange gegeben hätte und sich die jeweils ersten dann an die frei werdenden Schalter verteilt hätten. Nee, es gab VIER Warteschlangen, von denen eine im Nichts endete. Ratet, wo ich war? Die Leute vor mir haben sich dann irgendwo reingedrängelt, aber ich hab’s nicht fertig gebracht und bin genervt wieder zum Ende einer der drei halbwegs funktionierenden Warteschlangen getrottet, wo ich aber auch ständig wieder mal überholt wurde. Kein Anstand!

Wobei ich jetzt aber auch echt genug gelästert und referiert habe, noch kurz ein lustiges Lauscherlebnis, das ich in der Schlange zum Security Check hatte. Hinter mir ein Pärchen, vielleicht Anfang 30.

Er: „Sieh mal Schatz, da steht „Lieber hochschwanger als niederträchtig“, ist das nicht lustig?
Sie: „Haha, in der Tat.“
Er: „Übrigens, ich hätte nichts dagegen einzuwenden, wenn du bald hochschwanger wärst. Was hältst du davon?“
Sie: „Hmm, Kinder sind wundervoll, aber doch mit so viel Arbeit und Stress verbunden.
Er: „Ja, das stimmt allerdings. Sie kosten ein Vermögen an Geld und Nerven.“

Kurzes Schweigen

Er: „Oder sollen wir lieber einen Kühlschrank kaufen?“
Sie: „Kühlschrank!“

Ich hab mich fast weggeschmissen vor Lachen, vor allem weil die letzte Antwort von ihr wie aus der Pistole geschossen kam.
Kinder. Ja Kinder. Sargnägel.
Sie sind zurück!
Und was soll ich sagen, ich hab sie doch ziemlich vermisst. Und bisher ist auch alles noch Harmonie. Die letzten zwei Tage war es kalt draußen und im Haus und überall, so dass wir uns stundenlang in mein Bett eingegraben haben mit Süßigkeiten und Büchern.

Seit letzter Nacht schneit es übrigens wieder… ich hab eben einen Anruf aus Surrey bekommen, da sind es schon fast zwanzig Zentimeter und die Schulen geschlossen, die Straßen gesperrt… das übliche. Hier hält es sich mit 2 Zentimetern noch in Grenzen, aber es soll bis Sonntag durchschneien.
Um mal kurz die SUN zu zitieren: „Lord ALP us!“

So, ich geh Kuchen kaufen. Nach der Schule kommt ein Aupair aus der Türkei zu Besuch, die ich auf dem Schulweg „gefunden“ habe. Sie wohnt nur ein paar Straßen weiter. Der Plan ist, die Kinder miteinander anzufreunden und ein Kaffee-Tratschstündchen abzuhalten, während die Sargnägel friedlich und ruhig miteinander spielen. Naja, ruhig wird es eher nicht zugehen.

3 Kommentare:

  1. Weeßte noch, wo wir mal üerlegt haben, wo Briten und Amis unterschiedliche Worte für dasselbe verwenden??
    Queue ist auch so eins...

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  2. Ha, du hast Recht! Die Briten "queue up" während die Amerikaner "line up"... stimmts?

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  3. Japs, aber "line" ist mir auch wesentlich symphatischer als "queue".^^

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