Ich schlief nicht ganz so gut in der ersten Nacht. Es war zu heiß im Zimmer. Nick hatte jede Heizung in der Wohnung voll aufgedreht. „Kostet hier doch nichts!“ meinte er fröhlich, und drehte sogar noch eine Stufe höher, als er gleichzeitig die Fenster zum Lüften öffnete. In Island wird so viel Energie produziert, die wissen gar nicht wohin damit. Sogar die Straßen und Gehwege in Reykjavik sind durch unterirdisch verlegte Leitungen beheizt.
Schließlich konnte ich vom Fenster aus den Sonnenaufgang beobachten. Der klare Himmel färbte sich immer blauer und ließ schon bald keinen Zweifel mehr daran, dass dieser Tag wolkenlos und sonnig sein würde.
Kurz darauf gingen wir auch schon wild drauflos, in Richtung Hafen.
Ich hatte im Reiseführer von einem Flohmarkt gelesen, der dort jedes Wochenende in einem Fabrikgebäude stattfindet. Isländische Secondhand Sachen. Auf was für Schätze ich dort wohl treffen würde? Dem Gawjus schwebte ja ein antikes Wikinger-Schild vor… und mir ein typisch isländischer Schafwollpullover. Aber so ganz authentisch war der Flohmarkt dann doch nicht. Sehr auf Touristen abgezielt. Die Kratzpullover kosteten dort gebraucht schon um die 100 Euro, so fing ich gleich an, diesen Wunsch abzuschreiben. Auch etwas Wikingerisches ließ sich nicht auftreiben. Dafür sehr viel Oma-Schrankwand-Nippes, Vasen, Buddha Statuen, Merchandise und so weiter. Einen tollen Stand mit alten Büchern hab ich entdeckt, aber alle in Isländisch.
Wir gingen zum Fischmarkt im hinteren Teil des Flohmarktes, in der Aussicht auf fangfrischen Fisch. Aber auch hier sollten wir enttäuscht werden. Island lebt zwar vom Fischfang… aber alles wird sofort exportiert. Manche Fänge finden nicht einmal den Weg nach Reykjavik, sondern werden gleich auf See umgeladen und weggeschippert.
Natürlich war der Markt und alles Drumherum trotzdem sehr sehenswert! Es waren einige traditionell isländische Snacks zu finden. Harðfiskur zum Beispiel. Getrockneter Fisch, den die Isländer wie Kartoffelchips so nebenher knuspern. Und an einem Stand wurde doch tatsächlich auch Hákarl angeboten. Davon hatte ich schon im Reiseführer gelesen: Verfaulter Haifisch. Sieht furchtbar aus und riecht noch viel ekliger. Das finden sogar die Isländer, die das fermentierte Fleisch mit Schnaps runterspülen. Warum zum Teufel sollte man so etwas essen? Das musste ich herausfinden und kaufte kurzerhand eine kleine Dose. Aus Ermangelung von Schnaps musste es Cola zum Runterspülen tun.
Den Riechtest hätte ich überspringen sollen. Es stank zum Himmel! Aber nicht nach Verwesung, wie ich es erwartet hätte, sondern nach einer Mischung aus Katzenpisse und Haarblondierung. Ammoniak. Aber ich wollte keinen Rückzieher machen. Jetzt oder nie. Todesmutig spießte ich das würfelförmige Stück Abartigkeit auf einen Zahnstocher und versenkte es im Mund. Meine Geschmacksnerven nahmen sich sofort kollektiv das Leben, als ich den Hai nach ein paar hastigen Kauern die Speiseröhre runter presste. War. Das. Eklig. Würg!
Nur wenig später gingen wir an Bord der „Andrea“. Nick hatte uns ein Freiticket für eine Whale-Watching-Tour geschenkt. Trotz des wunderschönen Wetters war es kalt, und ich war froh um den Ganzkörper-Thermoanzug, der auf dem Boot zur Verfügung gestellt wurde.
So standen wir an der Reling und versuchten den einen oder anderen Wal zu entdecken. Die eiskalte Luft nahm einem fast den Atem, aber war so herrlich frisch, dass ich um nichts in der Welt unter Deck gegangen wäre.
Nach einer Stunde zeigten sich ein paar (unfotografierbare) Delfine, die neugierig neben dem Boot auftauchten und uns ein Stück verfolgten. Weit und breit aber kein Wal in Sicht.
Nach einer weiteren halben Stunde fühlte ich mich ein wenig seltsam. Der Wellengang ging mir auf die Nerven und ich hatte auf einmal seltsames Heimweh nach dem Festland. Und nur wenig später war mir klar, dass ich tatsächlich unter Seekrankheit litt. Der verfaulte Hai in meinem Magen machte sich plötzlich bemerkbar und ließ mich nicht wirklich besser fühlen. Ich ging unter Deck und versuchte mich bei einer Tasse Tee zu entspannen.
Es gelang nur mäßig, denn die Asiatin neben mir übergab sich plötzlich lautstark in einen Mülleimer. Die anderen Passagiere sahen auch nicht mehr ganz taufrisch aus. Ich musste hier weg. Scheiß auf die Wale, nichts wie zurück nach Reykjavik! Nur noch kurz durchhalten. Ich ging wieder auf das oberste Deck und stellte mich ganz nach vorne auf die Reling. Es war doch gar nicht mehr so weit, ich konnte sogar schon den Kirchturm sehen. Und so stand ich wie eine Bugstatue und starrte konzentriert auf die Kirchturmspitze, die so gar nicht näher kommen zu schien. Aber auf wundersame Weise ging es mir nach einer Weile besser.
Trotzdem war ich heilfroh, als wir wieder an Land gingen, wo wir von Nick erwartet wurden. Ich konnte die Kälte in jedem Knochen spüren, trotz Thermoanzug. Durchgefroren ließen wir uns in ein kleines Lokal am Hafen fallen. Eine urige kleine Spelunke, die außer ein paar Fischkebabs noch eine Spezialität anboten: Hummersuppe. Und verdammt, das ist die beste Suppe, die ich jemals hatte. Wärmte bis in die Zehenspitzen.
Mit Nick unternahmen wir noch einen Spaziergang durch die Laugavegur. Das ist die Haupt-Einkaufsstraße in Reykjavik, wo sich ein Geschäft an das Nächste reiht. Boutiquen, Souvenirläden, Kunstläden… die Preise! Wahnsinn.
Makaber, so etwas nach der (erfolglosen) Whale-Watch-Tour zu tun, aber etwas später im Apartment hauten wir die Wal-Steaks in die Pfanne.
Schmeckte gar nicht so schlecht. Saftig und nahrhaft. Ein wenig wie Leber im Geschmack. Aber ein schlechtes Gewissen hatte ich trotzdem.
Das Haus verließen wir an dem Tag nicht mehr. So toll die frische Luft auch ist, sie macht verdammt müde. Noch ein kurzes Bad im heißen Schwefelwasser, und ab ins Bett.
hach jaaa... Island :-) ...
AntwortenLöschenich vermisse den Hafen, das kleine indische Restaurant am Stadtpark ,die vielen Schäfchen und vor allem die wundervolle Landschaft! ich muss unbedingt mal wieder hin :-)
die Fish Chips sind absolut lecker!