Mittwoch, 11. Juli 2012

Operation Hinkelstein

Sonne!

Meine Augen kamen erst überhaupt nicht klar. Tränend blinzelten sie ins ungewohnte Licht. Wo kam das denn jetzt her. Sonnenbrille auf! Schnell!
Seit der Jubiläumsfeier hatte es auf der Insel fast ununterbrochen geregnet.

"Normaler englischer Sommer", sagen die Engländer, aber nicht mehr komplett überzeugt, denn die Wetterreporte von den letzten zwanzig Jahren zeigen die traurige Wahrheit, dass es dieses Halbjahr schon mehr geregnet hat als in so manchem ganzen Jahr. Die Stimmen, die vor ein paar Wochen noch tönten "Die Farmer brauchen den Regen!" sind mittlerweile verstummt, weil die Ernten gerade alle kaputt gehen. Über die Dürre, in der wir uns angeblich befinden, spricht plötzlich auch niemand mehr. Und das Gartenschlauchverbot ist jetzt auch aufgehoben. Pah, als wenn das jemand brauchen würde. Alles ist saftig grün geregnet. Außer meine ertrunkenen Balkonpflanzen. Die sind braun.

Und dann dieser eine Samstag. Mit Sonne. Da entschieden wir uns, mal wohin zu fahren. Und zwar Richtung Westen. Zum berühmtesten Steinhaufen der Welt.


Angekommen traf mich eine seltsame Erkenntnis. Stonehenge ist wirklich nur ein Haufen Steine. Sonst nichts. Drumherum ein paar duzend Schafe, eine Straße, ein Parkplatz, und sehr viel grünes Gras bis zum Horizont. Englische Nichtsigkeit. Und auf dem Steinhaufen-Parkplatz stapeln sich die Reisebusse, Touristenautos, Parkplatzeinweiser, und hunderte Touristen. Mitten im Nichts. Wie hergezaubert. Und das wiederum ließ die Steine dann doch ein wenig magischer erscheinen.


Dann war es aber doch wieder vorbei mit der Magie. Am Eingang bezahlten wir £7.80 pro Nase und bekamen dafür nicht nur Zugang zum Steinhaufenrundweg, sondern auch noch jeder ein seltsames Gerät in die Hand gedrückt, dass ein wenig entfernt an ein uraltes, klumpiges Nokia Handy erinnerte. "English, press 99, English, press 99, English, press 99..." leierte ein Steinhaufen-Einweiser ohne Pause herunter. Ich presste 99. Nichts geschah. Ich schüttelte es. Nichts geschah. Vielleicht funktionierte es ja doch wie ein Telefon. Ich hielt es probehalber ans Ohr. Und da war auch eine sehr sympathische Frauenstimme, die darüber rätselte, wie die Steine an diesen Ort gebracht wurden. Ach so ging das. In einer dichtgedrängten Herde Touristen fingen wir an die Hinkelsteine zu umrunden. Es sah irgendwie komisch aus. Hunderte von Leute drückten sich den Nokia Klumpen ans Ohr, und marschierten langsam um einen fünftausend Jahre alten Steinkreis. Es sah aus, als wäre ausnahmslos jeder am Telefon in ein anregendes Gespräch verwickelt und spazierte in einem Trauermarsch durch die englische Nichtsigkeit.


Die Stimme aus dem Gerät wunderte sich immernoch darüber, wie denn wohl die Steine an diesen Ort transportiert wurden.
Ich weiß es ja. Natürlich wurden sie von Obelix angeliefert, ist ja klar. Und diese Theorie ist nicht mal abwegig, vor allem weil wir in der Nähe des Nichts noch einen Pub entdeckten, der ganz hervorragenden Zaubertrank ausschenkte. 

Prost Stonehenge!

6 Kommentare:

  1. Diese englische Nichtsigkeit werden wir demnächst auch angucken - jetzt bin ich schonmal vorgewarnt. Vielleicht sollten wir den Zaubertrank zuerst zu uns nehmen? ;-)

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    1. Aber lasst die Steine lieber dort stehen, sonst bleibt in der Nichtsigkeit wirklich nicht mehr viel übrig. Die Stimme in den Nokia Klumpen könnte dann über die Vielfalt der Grashalme philosophieren.
      Cool, wann geht ihr denn und wohin geht's denn noch?

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    2. Einmal quer durch den Süden, immer an der Küste entlang (gut, ein kleiner Abstecher nach Bath ist auch dabei). Dann eine Woche Ferienhaus in Cornwall - da freue ich mich schon tierisch darauf.

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    3. Schön :-) Ich drücke alle Daumen, dass das Wetter mitspielt. Aber Cornwall ist ja auch im Regen wunderwunderschön (außerdem gibt es mehr Grund irgendwo einzukehren und ganz viele Cream Teas zu haben, hmmmm)

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  2. Hallo liebe Sarah :)
    Ich bin über geschätzte fünf Ecken auf deinen Blog gekommen - und habe alles in einem Rutsch durchgelesen. Du hast mir meinen Montag geklaut... Aber das war es eindeutig wert.
    London hat mich nie besonders interessiert, aber...allmählich verstehe ich die Begeisterung einer Freundin für "deine" Stadt. Wenn ich hier so lese, wünsche ich mir, auch mal in einen Pub zu gehen, grüne Türen zu sehen (ich muss gestehen...Ich hab hier noch nie eine entdeckt) und und und...
    Dein Blog macht richtig Lust auf England im Allgemeinen und London im Speziellen ^-^ Danke dir dafür!
    Nun gut. Das war's erst mal. Liebe Grüße

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  3. DEN GANZEN BLOG GELESEN!? Wow, nicht schlecht!
    Ja, lustigerweise hab ich mich auch nie für London interessiert bevor ich hierher kam. Über England wusste ich nicht viel, nur die üblichen Klischees - Bohnen, Queen, Warteschlangen, Regen - und als ich dann hier ankam, hat mich das Inselfieber voll erwischt. Aber das hast du ja bestimmt gelesen :-)
    Lass mich wissen wenn du mal rüberkommst, ich kenne einen Pub mit einer grünen Tür ;-)

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