Samstag, 27. Oktober 2012

Lebt dieser Holzmichel denn immernoch?

Kürzlich hab ich mal auf dem guten alten Fratzenbuch ein Foto von selbstgemachten Semmelknödeln veröffentlicht. Fotos von Essen ist ziemlich wichtig in Facebook. Gibt jede Menge 'likes' und sogar Kommentare. Dicht gefolgt von Fotos mit kleinen Kindern und Haustieren. Verlobungsbekanntmachungen gehen auch ziemlich gut. Und betrunkene Partyfotos.

Das Knödelfoto zog einige Aufmerksamkeit auf sich. "Was ist denn daaaaas?", fragte jemand Englisches. Und während ich so erklärte, und nebenher Knödel mampfte, da kam mir plötzlich der Gedanke, dass ich doch mal so richtig deutsches Essen für meine Engländer-Freunde kochen könnte. Oder noch besser, wir würden ein deutsches Fest feiern. Ich warf einen Blick in den Terminkalender und fand das erste freie Wochenende im Oktober. Genial! Oktoberfest! Ich würde in der Wohnung under dem Dach ein Oktoberfest veranstalten! Schon ein paar Minuten später verschickte ich die ersten Einladungen. Das geht ja Dank Internet jetzt ratzifatzi. Und das Fest nahm in meinem Kopf Form an.

Ich bin nicht Bayerisch. Und ich kenne das echte Oktoberfest auch nur vom Hörensagen und von den ganzen betrunkenen Partyfotos in Facebook. Meinem eigenen Oktoberfest wollte ich noch einen Baden-Württembergischen Touch geben. Ich stellte das Menü zusammen: Sauerkraut, Bratwurst, Schupfnudeln, schwäbischer Kartoffelsalat. Zum Nachtisch Schwarzwälder Kirschtorte. Von Aldi und Lidl würde ich deutsches Bier besorgen.
Zufälligerweise kam meine Schwester für ein paar Tage zu Besuch. Sie brachte mir Sauerkraut und Schupfnudeln. Bratwürste fand ich bei Aldi, und Kartoffelsalat konnte ich selbst machen. Die Schwarzwälder Kirsch bereitete mir Kopfzerbrechen, aber dann beschloss ich, es einfach zu tun. Rezepte gibt es im Internet jede Menge, und ich hatte auch noch meine Schwester, die Konditorin, die mir am Telefon zur Seite stehen würde.

Dekoration musste sein. Es war ziemlich entspannend, abends nach der Arbeit einfach mal Farben und Pinsel rauszuholen und loszulegen. Deko konnte ich gar nicht genug haben.

 

In Charity Shops und bei Amazon stöberte ich nach Accessoires


Noch ein wenig Tischdekoration



Am Tag vor der Party ging es ans Eingemachte: Die Schwarzwälder Kirschtorte.
Aber Wunder, Wunder, es funktionierte! Das ist mit Abstand das Aufwändigste, das ich jemals zubereitet habe. Ein paar wesentliche Dinge aus dem Rezept fehlten mir zwar - Sahnesteif! Ich bezweifelte, dass ohne Sahnesteif irgendetwas halten würde, aber es hielt. Was mir nicht fehlte, war Schwarzwälder Kirschwasser. Das konnte ich hier tatsächlich kaufen.




Das Kochen unmittelbar bevor dem Fest war ein Klacks. Packungen aufgerupft, in die Pfanne geworfen und anschließend im Ofen warmgehalten. Sauerkraut und Kartoffelsalat hatte ich schon lange vorher vorbereitet.




Meine Schwester schickte mir auch noch einen Link für diverse Internet-Radiosender. Die Auswahl an Volksmusiksendern ist gigantisch.
Das dudelnde Laptop stellte ich in den Flur, so konnte jeder zur Begrüßung gleich mal einen Eindruck bekommen. Sie staunten nicht schlecht, die fünfzehn ausgewachsenen Engländer plus zwei Kids, die sich die Treppe in die Wohnung unter dem Dach hochschlängelten. So viele Leute hat diese Wohnung wahrlich noch nicht beherbergt. Wir klaubten einen bunten Mix aus Stühlen zusammen. Klappstühle, Angelstühle, ich hatte noch das kleine alte Sofa aus dem Gästezimmer in die Küche geschleppt.



Und dann kamen die Reaktionen auf das ungewohnte und teilweise total unbekannte Essen. Bei den Bratwürsten waren sich alle einig: Yum! Aber das Sauerkraut fand nicht ganz so viele Freunde. In einem Land, in dem man Essig auf die Pommes gießt, da gilt Sauerkraut dann komischerweise doch als grenzwertig. Es schien auch kein Mittelding zu geben. Entweder wurde es als ungenießbar oder sehr lecker bezeichnet. Niemand sagte "geht so". Schupfnudeln und Kartoffelsalat waren jedoch ziemlich schnell weg.

Dann Dessert! Die Schwarzwälder Kirsch war sogar genießbar. Mönsch, war ich erleichtert.

Zeit für einen Schnaps! Es war noch genug Kirschwasser da. Einige kippten ihn mutig runter und schüttelten sich danach wie nasse Hunde, um gleich noch einen einzuschenken. Andere nippten vorsichtig, und verzogen angeekelt das Gesicht. Gawjuses Großvater, der jedes Jahr nach Deutschland in den Urlaub geht, war im siebten Himmel. Er trank gleich zwei Schnäpse und beteuerte, jetzt würde er ganz sicher hundert Jahre alt werden. Ich wünsche es ihm!

Der Volksmusiksender dudelte immernoch, als die Party langsam ausklang. Wow, das war wirklich gut. Vielleicht mache ich das jetzt jedes Jahr. Aber vielleicht nicht mehr mit Sauerkraut. Obwohl sich meine Arbeitskollegen über die Reste gefreut haben.

Also, Servus.

2 Kommentare:

  1. Die Schwarzwälder sieht auch richtig lecker aus! Da war aber kein Ketchup drin, oder? ;-)

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  2. Na doch, Ketchup ist der Geheimtipp um die Kirschen viel kirschiger aussehen zu lassen. Geht aber nur mit Heinz. Ach ja, und man muss die Schnapsdosis verzehnfachen :-)

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