Eines hat mich meine Erfahrung als Au Pair auch noch gelehrt: Das Kinderkriegen sollte verdammt gut überlegt sein.
Man hat ja nicht nur jahrelang diese klebrigen, übelriechenden Schreihälse an der Backe. Nein, man muss sich auch noch mit dieser ganzen Schulpolitik herumschlagen, die man wahrscheinlich schon gehasst hat als man selbst ein Kind war. Dazu kommt noch das Auseinandersetzen mit Müttern und Dull-Daddys auf dem Schulhof.
Es ist für mich leider unvermeidbar, denn ich bin diejenige, die beide Sargnägel jeden Morgen zur Schule bringt und auch wieder abholt. So haben Lehrer und Eltern ziemlich schnell beschlossen, dass ich die verantwortliche Person bin und kommen ständig mit irgendwas Neuem angerannt.
Zurzeit werde ich beim Abholen sehr oft von Klein Sargnagels Lehrerin zum Gespräch gebeten. Er hat sie erst seit ein paar Wochen und scheint jetzt schon auf der Unbeliebtheitsskala weit oben zu stehen. Die Liste seiner Schandtaten ist lang: Nicht zuhören, nicht stillsitzen, dazwischenreden, eigentlich ununterbrochen reden, andere Kinder ablenken, nicht vom Klo zurückkommen, sich furchtbar aufspielen, bla bla. Ich persönlich finde das alles ja ziemlich übertrieben, immerhin ist der Kleine Sargnagel gerade mal 5 Jahre alt. Welches Kind in dem Alter mag schon still auf dem Stuhl sitzen und die Klappe halten, wenn es sich mit all seinen Freunden in einem Raum befindet? Für den ist Schule doch nur ein riesiger Spielplatz.
Die Lehrerin ist aber ganz schön furchteinflößend mit ihren geschätzt 1,90 Metern und der strengen Brille. Deswegen sage ich brav „ja“ und „oh“, und erinnere zum 543. Mal daran, dass ich nicht die Mutter bin, aber die Infos gerne weitergebe. Dann schnappe ich Klein Sargnagels Hand und suche das Weite.
Weit komme ich aber nicht.
„Kleiner Sargnagel hat meine Lilly-Cholera geschubst! Ganz, ganz dolle!“ Erwartungsvoller Blick der dauerkalbenden Vollkornmutter.
Und jetzt? Sollen wir uns im Stuhlkreis zusammensetzen und Präventivmaßnahmen ergreifen? Die beiden Kinder in eine Gruppenumarmung einschließen um ihre Beziehung zueinander zu festigen? Anschließend könnten wir auch noch ihre Namen tanzen und uns bei einem Dinkelplätzchen der Ursachenforschung hingeben, was den Schubser denn nun ausgelöst hat.
Boah, geh weg und wisch dir den Milchkotzfleck von der Schulter.
„Klein Sargnagel, sag sorry.“
„Sorry, Lilly-Cholera.“
Die nächste Mutter fängt mich am Tor ab. Es ist Jacky, die Elternvertreterin aus Klein Sargnagels Klasse.
„Du. Zahlen. Geld. Klassenfahrt.“ sagt sie in einer Art Halbzeichensprache und betont jedes Wort überdeutlich mit gespitzten Lippen. Sie hält mich für ein osteuropäisches Kindermädchen, das kein Englisch versteht. Obwohl sie mich jetzt seit anderthalb Jahren kennt.
Ich krame in meinem Portemonnaie, während die Geldeintreiberin heimliche Blicke mit ihrem untertänigen Gefolge austauscht. Wahrscheinlich haben sie den Fleck auf Klein Sargnagels Pullover gesehen und die abgewetzte Stelle an Groß Sargnagels Schuhe. Jaja, diese armen vernachlässigten Kinder.
„Also Jacky. Willst du es passend oder kannst du rausgeben?“ frage ich so gut wie akzentfrei.
Auf dem Weg nach Hause achte ich darauf, nicht dem Dull-Daddy über den Weg zu laufen, der bei uns um die Ecke wohnt. Mit dem rede ich seit über einem halben Jahr nicht mehr, seit er mir wochenlang jeden Tag aufgelauert hat um mir auf dem Schulweg die Ohren vollzuheulen, wie mies ihn seine Frau doch behandelt. Um wiederum ihr dann zu erzählen, ich würde mit ihm flirten, um sie eifersüchtig zu machen. Hat auch funktioniert. Toll gemacht Dull-Dad, mich in deinen Scheiß mit reinzuziehen. Was folgte war ein disaströses Aufeinandertreffen von Dull-Dad, Dull-Frau, Dull-Schwiegermutter und mir. Das Wortgefecht war blutig, und mein Vokabular war nicht einmal das Schwächste. Aus dem Kampf ging ich mit erhobenem Kopf und verteidigtem Stolz. Der Verlierer war Dull-Dad. Ha! Herrlich!
School run, ich werde dich nicht vermissen! Das ist sicher.
Nächste Woche ist Elternabend… was bin ich froh, nur Au Pair zu sein.
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