Dienstag, 12. Oktober 2010

Tag 542 - Five working Days

Nach wochenlanger Anstrengung, Sorge und Frustration ist es jetzt doch passiert:

ICH HABE EINEN JOB!!!

Anfang letzter Woche saß ich im Bus, als plötzlich mein Handy mit einer Londoner Nummer klingelte. Einladung zum Vorstellungsgespräch! Gleich am nächsten Tag sollte es stattfinden. In einer Apotheke im Süden Londons, unweit Tower Bridge mit Aussicht auf den Gherkin.
So gut wie es ging, hab ich mich am Abend vorher noch vorbereitet. Im Internet die Top 10 meistgestellten Fragen in Job Interviews nachgeforscht. Welches Tier würden Sie gerne sein?
Was sollte ich anziehen? Habe mich für einen grau karierten Rock, schwarze Strumpfhosen und flache Stiefel entschieden.
Bin mit Hilfe von Google Maps die genaue Route von Bahnhof bis Apotheke abgefahren und habe mir gleich schon mal die Umgebung angesehen. Nicht die Beste, wie erwartet. Südlich der Themse ziehen sich die zwielichtigen Gegenden ein wenig wie ein Schmutzgürtel entlang des Flusses. Aber auch nicht die schlechteste Gegend. Es gibt ein relativ großes, einladendes Einkaufszentrum nur zwei Laufminuten entfernt, mit all den gängigen High Street Läden.

Eine ganze Stunde war ich zu früh vor Ort. Die Bahnfahrt war kürzer als erwartet. Die Aufregung wohl auch stärker als angenommen.
Als es dann endlich an der Zeit war, setzte ich mein kompetentestes Gesicht auf und stürmte den Laden… um eine Minute später nervös in einem mit Medikamentenschachteln ausgestopften Raum zu sitzen, kritisch beäugt von einem älteren Herrn indischer Abstammung (eindeutig der BOSS) und seiner Tochter.
Sie fragten mich nicht, welches Tier ich gerne sein würde. Die perfekt englisch sprechende Tochter stellte geschickte Fragen über mich und meinen beruflichen Hintergrund und nickte ihrem brüchig sprechenden Vater immer wieder vielsagend zu. Ich fühlte mich nicht ganz so wohl in diesen Momenten, weil ich nicht deuten konnte, ob das jetzt gut oder schlecht war.
Dann war ich an der Reihe. Ich sollte meine Fragen stellen, wenn ich denn welche hätte. Anfangs stotterte ich noch ein wenig herum, aber dann lief die Sache. Ich traf genau ins Schwarze mit meiner Frage, woher die Familie denn stamme. Der BOSS kam sofort ins erzählen und ausschweifen, über seinen Ururgroßvater, der im Jahre 1842 von Indien nach Kenia ausgewandert war. Und obwohl alle nachfolgenden Generationen in Kenia aufgewachsen seien, hätten sie trotzdem noch einen starken indischen Einfluss. Sogar seine Kinder, die in London geboren seien, sprächen neben Swahili auch noch eine indische Sprache.
In den Siebzigern eröffneten sie die Apotheke. Es war am Anfang schwierig, als Einwanderer das Vertrauen der Leute zu gewinnen. Doch sie gaben nicht auf, bis das Geschäft schließlich lief.

Jemand servierte mir einen starken Tee.
Der BOSS stellte mich dem Teebringer vor als die neue Mitarbeiterin, die am 1. November anfangen würde. Mein kompletter Arm wurde geschüttelt, und ich fühlte mich gar nicht überrumpelt. Wollte ich nicht eine Nacht darüber schlafen? Aber absagen könnte ich ja immer noch, wenn sich etwas Besseres ergeben würde. Und so wurde ich nur eine halbe Stunde nach Gesprächsbeginn in den Kreis der total multikulturellen Mitarbeiter aufgenommen.
„Ich bestehe darauf, dass du ein Stück Kuchen nimmst!“ sagte ein Kollege, dessen Namen ich sofort wieder vergessen habe, und hielt mir einen Teller unter die Nase.
Und so saß ich, trank Tee, aß Kuchen und fühlte mich wie in einem sehr seltsamen Traum.

Ich konnte ewig nicht einschlafen am Abend. So unwirklich war dieser Tag abgelaufen. Hatte ich wirklich einen Job gefunden? Dazu auch noch eine permanente Vollzeitstelle? So richtig mit morgens das Haus verlassen, abends wiederkommen und am Ende des Monats eine Zahl auf dem Kontoauszug zu haben?
Natürlich muss ich aber auch etwas dafür tun. Ich habe einen kleinen Computerarbeitsplatz im Hinterzimmer der Apotheke für verwaltungstechnische Sachen, werde aber auch von Zeit zu Zeit im Verkaufsraum eingesetzt. Manchmal kann es auch sein, dass ich in einer anderen Filiale für jemand anderes einspringe. Meine Aufgaben werden auf jeden Fall abwechslungsreich sein, und so mag ich es auch am Liebsten.
Natürlich ist der Verdienst nicht gerade rosig, aber es ist ein Anfang!

Ich bin noch zu einem zweiten Job Interview eingeladen worden, nur zwei Tage später. Rein aus Interesse bin ich hin. Und was soll ich sagen, im Gegensatz zum Ersten war ich die Ruhe selbst. Mit der Vorgesetzten hab ich zwar auf Anhieb „geklickt“, aber der Verdienst ist weniger, als ich in der Apotheke bekomme, und die Stelle ist ab Januar auch nicht mehr ganz so sicher. ‚Wahrscheinlich ein Teilzeitjob’ mit der ‚eventuellen Aussicht auf Vollzeit’ ist mir dann doch zu vage.

Es ist geschafft! Ich habe Arbeit und kann mich jetzt ganz auf den Auszug aus dem Sargnagelhaus konzentrieren… und in 11 Tagen erstmal in Urlaub nach Island gehen, bevor ich dann meine neue Stelle antrete.

Danke für’s Daumen drücken!

3 Kommentare:

  1. Das ging ja schnell! Toll.
    Bin beeindruckt! Herzlichen Glückwunsch!! Dann kann ich mich ja weiterhin auf Geschichten aus GB freuen.

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  2. WOW!
    Gratulation! :D
    Ich freu mich sehr auf dich und sobald ich in LDN bin, werde ich dich stalken und mit Fakehusten in deine Apotheke stürzen! :P
    Vielleicht erhasche ich dann einen Blick, laufe kichernd davon und schreibe es in meinen Blog.

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  3. Dankeschön! :-)
    Beccy, das wäre klasse :-)

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