Neulich im Charity Shop.
„Am Samstag gehen wir zu den Doggies, bist du dabei?“ fragte Managerin Jane, als wir gerade die Weihnachtskarten ins Regal sortierten.
„Doggies?“ Ich scannte mein Gehirn nach irgendeinem Zusammenhang.
„Na, die Dogs!“ Jane schaute mich an, als hätte ich die Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton verpasst.
„Eishockey?“ Das war das Erste, das mir in den Sinn kam.
Jane schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Eishockey? Mädchen! Du hast die Dogs noch nicht gesehen? Sheila, komm mal her! Die hier ist jetzt schon so lange in England und war noch nie bei den Dogs!“
„Noch nie bei den Dogs??“ fing jetzt auch Sheila mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Da hast du aber etwas verpasst.“
„Oh ja, die Dogs!“ mischte sich plötzlich eine Kundin ein. „Wir sind früher jede Woche gegangen, aber jetzt hab ich Hüfte. Und das lange Sitzen tut meinen Hämorrhoiden auch nicht so gut.“
„Was sind denn nun die Dogs?“ fragte ich mehr als ungeduldig.
Und alle drei antworteten einstimmig:
„Dogs! Hunde! Rennbahn! HUNDERENNEN!“
Hunderennen!
In Deutschland seit einigen Jahren verboten, doch in Großbritannien nach wie vor ein sehr beliebter Sport, und bestens geeignet zum Wetten. Die Briten lieben ja ihre Wetten. Zu jeder High Street gehört auch mindestens ein Wettbüro.
Noch spannender fand ich jedoch die Aussicht auf die Greyhounds, die im Rennen gegeneinander antreten. Manchmal lief mir schon der eine oder andere auf dem Schulweg oder im Park über den Weg Ich finde diese Hunde faszinierend, mit ihren athletischen Körpern und geradezu winzigen Köpfen. Es ist eine Schande, dass so viele von ihnen getötet werden, wenn sie nach drei oder vier Jahren für die Rennen nutzlos werden. Diese Tatsache hat mich auch schwer überlegen lassen, ob ich überhaupt mit auf die Rennbahn gehen sollte, um die Tierquälerei nicht zu unterstützen.
Aber einmal gemacht haben wollte ich es dann doch.
So fand ich mich Samstagabend mit drei meiner Charity Ladies vor der Windhunderennbahn wieder. Man konnte schon von weitem das Bellen und Kläffen von ungefähr 70 aufgeregten Hunden hören, als wir 6 Pfund Eintritt bezahlten und jeder ein Programmheft in die Hand gedrückt bekam. Zwölf Rennen würden stattfinden.
In der Dämmerung passierten wir das Stadion und betraten eine große Halle, von wo aus man die Rennen hinter einer Glasscheibe und auf Monitoren verfolgen konnte. Eine Bar gab es, eine Frittenbude und mehrere Wettschalter.
Der Ehemann von Jane tauchte aus dem Nichts aus und brachte uns zwei Flaschen Wein an unseren Tisch direkt am Fenster. Noch ein paar ‚Nibbles’ zum Knabbern ausgepackt, dann wurde sich mit hoher Konzentration dem Programmheft gewidmet.
In jedem Rennen würden sechs Hunde starten. Im Programm konnte man sehen, in wie vielen Rennen diese schon zuvor gelaufen waren, welche Platzierungen sie erreicht hatten und einige zusätzlichen Informationen mit Einschätzung. So konnte man sich ausrechnen, welcher Hund wohl gute Chancen hatte, das Rennen zu gewinnen. Ich entschied mich 50 Pence auf einen Hund mit dem Namen Mindmeheadmum zu setzen, der schon 10 Mal den ersten Platz erreicht hatte und 14 Mal den Zweiten.
Die Hundenamen waren ja so was von lächerlich. Da gab es Thirsty Rooney, Hush Honcho, Be Nice und Bringinhersunny. Ich setzte außerdem noch weitere 50 Pence auf I Went Whoosshh, einfach nur des Namens wegen.
I Went Whoosshh würde im ersten Rennen starten. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf ihn, als die Trainer die startenden Hunde am Fenster vorbeiführten. Ein fast nachtschwarzes Tier mit Startnummer zwei. Alles klar, es konnte losgehen.
Ich erwischte mich auf der Stuhlkante hibbelnd am Fenster klebend, als mich plötzlich die Atmosphäre ansteckte. Die Halle hatte sich sehr gut gefüllt mit Leuten allen Alters. Familien, Pärchen, Stammtischbrüder, Mädchen in kurzen Röcken und schrillem Lachen, aufgeregt herumrennenden Kindern und Omis mit Gehwägelchen. Vor den Wettschaltern bildeten sich lange Schlangen.
Die Hunde wurden in die Startboxen geführt. Das Signal schrillte und augenblicklich verwandelten sich die bis dahin noch sehr ruhigen Hunde in bellende Furien, die den Start kaum mehr erwarten konnten. Und da kam auch schon der Hase. Ein orangenes Plüschteil, das nur entfernt an einen Hasen erinnerte, wurde auf einer Schiene entlang der Rennbahn gefahren. Die Boxen öffneten sich, als der Hase auf selber Höhe war, und schon kamen sechs zähnefletschende Bestien herausgestürzt und jagten dem Stück Fell hinterher. Die Stimme des Kommentators überschlug sich, man verstand nur geleierte Bruchstücke wie „oneonetwooneboooneoneone…“ und nach 23 Sekunden war es vorbei. Die Hunde bekamen Leckerli und durften für eine Weile an einem großen Plüschtier kauen, für das Erfolgserlebnis. I Went Whoosshh kam übrigens als Letzter ins Ziel. Man hörte links und rechts das Zerknüllgeräusch von Wettscheinen. Nur ich behielt meinen als Andenken.
Nach jedem Rennen war 10-15 Minuten Pause, somit zog sich der Abend sehr lange. Aber meine Ladies waren eine tolle Gesellschaft. Wir tranken Wein und aßen Bombay Mix und fettige Pommes. Ich versuchte immer wieder ein Foto der rennenden Hunde zu machen, aber meine Kamera konnte diesen Bruchteil einer Sekunde nicht wirklich einfangen.
Im 8. Rennen gewann mein Hund! Mindmeheadmum hatte nach Zielfoto als Erstes die Linie überquert. Stolz bin ich zum Wettschalter und nahm meinen Gewinn von 1 Pfund 20 Pence in Empfang.
Hunderennen in England. Es war auf jeden Fall eine tolle Erfahrung, auch wenn sie einmalig bleiben wird. Es tut mir so sehr Leid um diese wunderschönen Tiere.
Vielleicht wird es hier ja auch eines Tages verboten.
Hunderennen... habe ich auch einmal mitgemacht. Ist aber... lassen Sie mich nachdenken... schon 22 Jahre her. War damals in der Nähe von London. Ach, das waren noch Zeiten.
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