Ich hatte den Fummel schon auf Nimmerwiedersehen in eine Ecke der Wäschekammer geschleudert, wo schon drei schwarze Müllsäcke stehen, die auf Abschiebung in den Altkleidercontainer warten.
Am Abend der Hochzeit klingelte plötzlich mein Telefon. "Ich hab übrigens deinen Schal!" zwitscherte eine Brautjungfernkollegin. Schal?
Anscheinend hatte die Braut bei der Hochzeitprobe - die ich urlaubsbedingt verpasst hatte - an alle Brautjungfern weiße Chiffontücher verteilt, mit denen in der Kirche Schultern und Dekolleté bedeckt werden sollte. Wahrscheinlich hatte sie schon eine leise Ahnung, dass das Kleid an manchen unmöglich aussehen würde. Die Brautjungfernkollegin versicherte mir auch noch, dass das lila Kleid an ihrem eher flachbestückten Oberkörper herumschlotterte wie die Haut an einem gekochten Hühnerbein. Sie würde sich nach Kirche und offiziellem Foto gleich umziehen.
Das war die Idee! Auf diese Weise könnte ich das Kleid dann doch für eine Stunde anziehen, mich schön mit dem Schal verhüllen, und danach ordentliche Klamotten anziehen.
27 Presswürste und Hühnerbeine versammelten sich am Tag der Hochzeit auf dem Kirchenparkplatz. Ich wusste nicht, dass es so viele Brautjungfern sein würden. Jede zupfte und zog am lila Stoff und versuchte so viel Haut wie möglich unter den weißen Schal zu bekommen. Vielleicht lag es am Schneesturm, aber so richtig wohl schien sich niemand zu fühlen. Kleider schleiften am Boden, ich hielt meines hoch bis zu den Knien und entblößte meine weinroten Schuhe, die ich schon in Vorbereitung für mein anderes Kleid angezogen hatte. Die Farbe biss sich mächtig mit dem Lila.
Etwas verwüstet liefen wir in der Kirche ein und besetzten die zwei ersten Reihen komplett. So viele Brautjungfern hatte noch nie jemand gesehen. Den Ministranten klappte die Kinnlade runter, beim Anblick so vieler gequetschten Brüste.
Es folgte die Zeremonie und sehr viel genestle mit Chiffon und billigem Chinesenstoff.
Danach die Fotos. In der Kirche, vor der Kirche, auf der Treppe, im Schneesturm, und endlich bekamen wir unsere Mäntel zurück. Alles schön abdecken und ab ins Lokal, wo die Feier stattfinden sollte.
Das Hotel war wirklich schön. Im alten Landhausstil eingerichtet, in jedem Raum gab es ein gemütliches Kaminfeuer, das wundervoll nach kaltem Wintertag duftete.
Aber auch hier wieder, SCHWEINSKRAM. Und daneben das Kruzifix, hihi.
Ich zog mich erst einmal um. Nichts wie weg mit dem Fummel. Danach erstand ich eine Flasche Wein und die Party konnte losgehen. Ich war übrigens sehr gespannt auf das Essen. 25 Pfund hatten wir pro Person dafür bezahlt, und ich hatte damit gerechnet, dass man vielleicht von einem Set-Menü wählen konnte. Dies war aber nicht der Fall. Die Vorspeise wurde serviert. Gebackener Camenbert, oh nee, mit Käse kann man mich jagen. Verschwand gleich im Magen vom Gawjus.
Hauptspeise war ein paar dünne Scheiben Rindfleisch mit Kartoffeln, Broccoli und einem Yorkshire Pudding. Ganz okay. Aber dann der Nachtisch war mein klarer Favorit - Ein riesiger, warmer Schokobrownie mit Vanilleeis. Oh yes, definitiv sein Geld wert. Ich kaufte mehr Wein und die Feier wurde immer lustiger. Es gab Tanz und Gesang, und irgendwann war ich total knülle und pleite, und der Gawjus brachte mich nach Hause. Schön war's.
Ein paar Tage später bekam ich die Nachricht, dass es Tantchens Hochzeit mit den 27 Presswürsten und Hühnerbeinen auf die Titelseite der Lokalnachrichten gemacht hatte. WAAAAAAS? Tatsächlich!
Und irgendwie scheint die Geschichte jetzt das Interesse der Nationalen geweckt zu haben - nicht so sehr wegen den Brautjungfern, sondern eher wegen dem Namen der Braut. Wenn sie sich für einen Doppelnamen entschieden hätte, dann würde sie jetzt nämlich "pulling your leg" heißen, was so viel bedeutet wie "veräppeln" oder "auf die Schippe nehmen". Hachja, englischer Wortwitz. Aber die Medien springen drauf an.
Ich bin übrigens sichtbar in der zweiten Reihe von hinten auf der linken Seite. Hihihihi, der lila Fummel war doch zu etwas nütze. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben in der Zeitung! Der Gawjus kriegt sich gar nicht mehr ein über das Happy End, das mein lila Drama jetzt doch noch genommen hat.
Eine tolle Geschichte,ganz und gar.
AntwortenLöschenWie kommt man nur auf so viele Brautjungfern?
Bei dem Namen wär ne Hochzeit am 1.April sehr nett gewesen.
Da gibt es sicherlich noch noch viele Lacher für diverse Familienfeiern.
Noch viel Spass mit dem lila Fummel....
Laut der Braut hat sie einfach zu viele Leute gefragt, ob sie Brautjungfern sein wollten. Mit so vielen Zusagen hatte sie gar nicht gerechnet :-) Aber so etwas verrücktes passt auch zu ihr. Nicht umsonst wird sie liebevoll "Auntie Mad" genannt.
LöschenSpitze! Eine Hochzeit, wie man sie bei Little Britain finden könnte: 27 Brautjungfern und ein doppeldeutiger Nachname.
AntwortenLöschenHach, die Briten...
Hihi, stimmt! Little Britain ist nicht an den Haaren herbeigezogen, manche Briten SIND WIRKLICH so.
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