Montag, 4. Mai 2015

Mayday Mayhem

Gesetzliche Feiertage sollen auf einen Montag fallen. Das wurde vor langer Zeit beschlossen, und genau deswegen gibt es in England jedes Jahr drei Bank Holiday Mondays. Der erste Montag im Mai, der letzte Montag im Mai und der letzte Montag im August.

Banken, Behörden und die meisten Firmen haben zwar geschlossen, aber Geschäfte und Restaurants sind für gewöhnlich offen, wenn auch mit leicht gekürzten Öffnungszeiten. Und Busse folgen dem Sonntagsfahrplan.

Drei Tage zum Betrinken, da könnte man sich daran gewöhnen. Deswegen nehmen es viele Leute zum Anlass, an den langen Bank Holiday Wochenenden diverse Festivitäten stattfinden zu lassen. Grillparties, Festivals, Jahrmärkte, Konzerte... die Auswahl ist groß. Normal unternehmen wir entweder etwas musikalisches mit den Railway Children oder verbringen Zeit mit der Gawjus-Familie.

Dieses Jahr hatten wir jedoch Lust auf etwas komplett anderes. Am ersten Bank Holiday Monday - Mayday - holen hunderte von Motorradfans ihre staubigen Maschinen aus dem Winterschlaf, polieren sie auf hochglanz, tanken voll, und machen sich in einer riesigen Herde auf den Weg zur Küste nach Hastings. Diese Ansammlung von Zweirädern, Bikern, Sozio... Sozii... Soziussen und Schaulustigen muss so spektakulär sein, das wollten wir uns einfach ansehen.

Wir fuhren früh los um einen guten Parkplatz zu finden. Nichts nervt den Gawjus mehr, als mit dem Auto zu überbevölkerten Veranstaltungen zu fahren, und dann ziellos auf der Suche nach einem Parkplatz herumgurken zu müssen. Das hat uns schon mehr als einmal den Trip gekostet.

Der Plan ging jedenfalls auf, wir parkten mit Meerblick genau in der Altstadt von Hastings. Es füllte sich schon langsam und uns fielen hauptsächlich Menschen mit grün angemalten Gesichtern und Kostümen aus Blättern und Efeu auf. Auf dem Kopf trugen sie Blumenkronen wie aus "Ein Sommernachtstraum".

"Das sind die Jacks in the Green", erklärte Gawjus. "Sie beschwören den Sommer."


Und die Jacks tanzten und trommelten, was es das Zeug hielt und zogen in einer Parade durch die Straßen. Es war das Ähnlichste, das ich in England jemals zum deutschen Karneval gesehen habe.

In der Zwischenzeit warf der Gawjus die Angel aus. Es war herrlicher Sonnenschein und wir saßen am Strand und aßen Fischbrötchen, die mit gebratener Scholle belegt waren. Erst zwei Stunden später sollten wir uns noch einmal auf den Weg durch die Stadt machen. Und was hatte sich dort getan... die Motorräder waren da. Motorräder! Soweit das Auge reichte, Motorräder!


Die Luft war erfüllt von Abgasen und Benzin, knatternden Auspuffen und Fehlzündungen. Jungspunde legten Hochstarter an den Ampeln hin, bärtige Biker ließen ihre Harleys in die Parkplätze gurgeln. Überall wohin man blickte sah man glänzendes Chrom, blankes Metall, poliertes Plastik, Lederwesten mit Aufnäher, Bärte, Gesichtstätowierungen, Rennanzüge, Plastikbecher, grüne Gesichter, Blumenkronen.



Sehen, und vor allem gesehen werden, das stand auf dem Programm. Sobald man stehen blieb um eine Maschine zu betrachten, trat sofort der stolze Besitzer vor und machte ein Erklärgesicht.

Ausnahmslos jeder war freundlich und gelassen. Im Strom der Menschen flossen wir an der Straße entlang und erlebten diese besondere Atmosphäre. An einem Stand bekamen wir Brötchen belegt mit Spanferkel und Apfelsoße. Wir schlenderten wieder an den Strand und beobachteten einige Irren, die der kalten Wassertemperatur trotzten und sich ins Meer warfen.

Ich bekam am Straßenrand eine Blumenkrone als Souvenir, die ich für den Rest des Tages nicht mehr abnehmen würde.


Am späten Nachmittag machten wir uns etwas sonnenverbrannt wieder auf die Fahrt nach Hause. Nur um auf dem ganzen Weg von weiteren geschätzt zweihundert Motorrädern wie Pistolenkugeln überholt zu werden, was gleichzeitig ein wenig beängstigend aber auch beeindruckend war.

Notiz an mich selbst in fünfundzwanzig Jahren: Falls die Midlife Crisis zu hart zuschlägt, mach doch den Zweirad-Führerschein und kauf dir ne schön bequeme Harley. Wäre das nicht cool, so als Rock-Omi?


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