Freitag, 27. Mai 2016

Das Auge fährt mit

In freier Wildbahn sieht man den gemeinen Kiwa am häufigsten ab zehn Uhr morgens. Meist in Rudeln statten sie den beliebten Wasserstellen, auch genannt Coffeeshops, den alltäglichen Besuch ab. Hier werden die Jungen gesäugt, Sozialverhalten gepflegt, sowie die Energiereserven mit größeren Mengen Decaf Latte mit Sojamilch ohne Zucker und extra Schuss Espresso wieder aufgefüllt.

Danach geht es in den Dschungel der Shops und es wird alles gejagt und gesammelt, was nur ansatzweise nützlich erscheint, und in Säcken und Tüten an den Hörnern des Kiwa befestigt.

Gegen drei Uhr nachmittags machen sich die meisten schwer beladenen Kiwä auf den sogenannten school run, um den älteren Nachwuchs abzuholen. Dieser hängt und klammert sich an den Kiwa, bis er sicher wieder zu seinem Bau zurücklgelangt ist, wo er sich für die Nacht niederlässt.

Jetzt bin ich also auch so eine Kiwa-Tante. Nur ohne school run.

Dies war die Anschaffung für Voldi, über die ich mir am meisten Gedanken gemacht hatte: Ein Kinderwagen. Der Erwerb eines solchen war unumgänglich, da ich das Baby ja schlecht in der Handtasche herumtragen konnte. Es gab nur so schrecklich viel Auswahl. Und die Preisklassen gingen in die Autowelt übertragen von Renault Clio bis Lamborghini. Es gab Range Rover mit hochtechnischer Federung an jedem Rad. Mit einem solchen Gefährt konnte man sicher Mount Everest besteigen. Wie überaus nützlich in Flach-London. So schlimm sind die Schlaglöcher dann auch wieder nicht. Es gab schicke Cabrios mit verchromtem Gestänge, die wahrscheinlich schon gestohlen würden bevor ich den Laden damit verließ. Es gab ausgeflippte Modelle - wahrscheinlich die Elektroautos unter den Kinderwägen - mit Namen wie "Egg" und "iCandy", deren Preise mir ein Gefühl von Höhenangst gaben. Die Gegenseite dazu waren die Renault Twingos der Babytransportwelt. Bezahlbar, jedoch qualitativ furchterregend.

Ich rechnete aus, dass der Kiwa sowieso nur ein Jahr, höchstens anderthalb in Benutzung sein würde. Danach war die Anschaffung eines handlichen Buggys viel einleuchtender. Vor allem der Behälter ganz am Anfang, in dem das Baby liegt, dieser hat nur eine Lebensdauer von etwa sechs Monaten. Selbst wenn Voldi längenmäßig noch darin Platz hätte, in dem Alter würde er sicher schon die große Welt sehen wollen und nicht nur eine handbreit Himmel und meinen Haaransatz.

Mehrere Male lief ich den Fuhrpark im örtlichen Babygeschäft ab, bis ich bei den Wägen der Kompaktklasse hängenblieb. Da stach mir schon wiederholt etwas ins Auge: Bunt.

Ehrlich gesagt entsprach der Wagen nicht meinen Suchkriterien. Er hatte nur drei Räder, nicht viel Stauraum, aber da war etwas das mich faszinierte. Er war sehr leicht, dicker Pluspunkt mit unzähligen Treppenstufen, er hatte einen lächerlich kleinen Wendekreis, schien super lenkbar, und vor allem kam er mit gemustertem Bezug und in den leuchtendsten Farben. Sterne, Tropfen, Pixel, Regenbogenfarben, Grüntöne, Streifen, Punkte, Äpfel... Ich schäme mich nicht zu sagen, dass ich hier etwas mitgerissen wurde und die bunte Fröhlichkeit meine Entscheidung beeinflusste.

Der Cosatto Giggle


Des Weiteren war er im Angebot und kam als komplettes Travel System mit Kindersitz fürs Auto, Liegebehälter (wie heißt denn sowas nur auf deutsch?), Sitz mit Fußsack, Wickeltasche und dem coolen MUSTER. Gekauft. Auch wenn es vor ein paar Jahren mal eine Rückrufaktion gab wegen Problemen mit dem Vorderrad, wie Google mir noch an Ort und Stelle verriet, diese sind mittlerweile behoben.
Nur ein Problem habe ich nun. Seit Voldi an Farben und Formen interessiert ist, kriege ich ihn im Kiwa nicht mehr zum Einschlafen. Staunend liegt er da und betrachtet den farblichen Kontrast in der Innenseite der Haube. Er flirtet mit den blümchenartigen Abbildungen und grinst sich eins, als wenn nur er ihre Bedeutung verstünde. Kind! Schlaf!
 
Faszinierend...
 
Sogar Strandtauglichkeit. Da staunt der Range Rover.

2 Kommentare:

  1. ... das Liegedings heißt "Wanne" oder "Wannenaufsatz"... Klingt komisch, ist aber so...

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    1. Danke für die Aufklärung. Wenn das mal nicht zu Missverständnissen führt:
      Mutter: "Schatz, leg das Baby in die Wanne"
      Vater: Lässt Badewasser ein

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