So, dieser Teil des Eintrages ist eigentlich von letzter Woche. Mittlerweile hat sich das Wetter eingependelt und es ist gleichmäßig kalt und trocken. Die Sargnägel haben immer noch Hummeln im Hintern und ich bin schon in Startposition für den Spielplatz, wenn sich die Sonne mal so halbwegs blicken lässt.
Sonnig war es dafür am Sonntag, als ich eine andere beliebte Freizeitaktivität der Engländer ausprobiert habe: Angeln
Angeln hat für mich bisher bedeutet: Zur Forellenzucht fahren, Maiskörnchen am Haken befestigen, Angel auswerfen, drei Minuten warten, Forelle an Land ziehen, totknüppeln, vom Profi ausnehmen lassen, kochen, essen. Nicht sehr zeitaufwendig, einfach und effektiv.
Mein englisches Angelerlebnis unterschied sich gleich von Anfang an darin, dass allein der Köderfisch schon die Größe einer Forelle hatte. „Äh, nach was fischen wir noch mal?“ hab ich ein wenig skeptisch Adam gefragt, mein wandelndes Angel-Lexikon. Die Antwort war Hecht.
Gut, ich lernte also wie man auswirft und einholt immer mit dem grusligen Gefühl, dass da gleich ein 15 Kilo Oschi anfangen könnte am Haken zu zerren. Würde ich ins Wasser fallen? Würde ich die Angel loslassen?
Hier ein Hebel drücken, Leine festhalten, auswerfen, auf halbem Weg loslassen, Hebel drücken, noch ein Hebel, Kurbeln, vorsichtig sein.
Aber die ersten Stunden tat sich nichts. Ja, Stunden!
Und irgendwie war’s toll. Absolute Ruhe am idyllisch gelegenen See, ich war schon lange nicht mehr so entspannt. Ab und zu kam ein anderer Angler vorbei, kurz gegrüßt, Smalltalk über das Wetter und die Wassertiefe. Schon was gefangen? Nah!
Was mir hier übrigens ganz besonders am Angeln gefällt ist, man tötet den Fisch nicht. Allen ernstes wird der Fisch an Land gezogen, in den Arm genommen wie ein Baby, Beweisfoto geschossen, dann gewogen, alle Haken entfernt und wieder freigelassen. Es gibt wohl nur ein paar wenige Sorten, die behalten werden dürfen. Forelle und Aal, wenn ich es richtig verstanden hab.
Im örtlichen Angelladen hab ich ein Fotoalbum gesehen. So ein richtig Dickes mit vergilbten Seiten. Darin ungefähr fünfhundert Aufnahmen von ein und demselben Mann, am Anfang mit mehr Haaren, am Ende mit weniger. In immer derselben Position vor dem Wasser knieend, ein Knie auf dem Boden, eines aufrecht als Stütze für den Fisch, den er auf jedem Bild im Arm hielt. Mal einen fetten silbergrauen Brocken mit Punkten, mal einen langen Hecht mit riesigem Maul, jedes Bild fein säuberlich beschriftet mit Datum und Gewicht des Fangs.
Und eigentlich sollte ich hier mein erstes richtiges Angelbild einfügen, wie ich mit einem Hecht ringe, der fast so groß und schwer wie ist wie ich selbst. Er hat das Maul weit aufgerissen und zeigt sein furchterregendes Gebiss und man sieht, dass ich ihn kaum halten kann, aber bezwungen habe, wooohooooo!
Naja, man kann ja träumen.
Wir hatten kein Glück und packten abends im wundervollen Sonnenuntergang wieder zusammen. Frischluftgesättigt, total entspannt… aber doch ein klitzekleines Bisschen enttäuscht. Nächstes Mal fang ich was! Mein Köder war ganz schön angeknabbert, als wenn Herr Hecht da mal dran probiert hätte.
Uaaaah, da ist die Sonne! Ich glaub ich kann heute Nachmittag auf den Spielplatz! Das rettet mich vor Glitzerfee-Klamotten-Bastelarbeit, für die ich einfach etwas zu grobmotorisch bin. Obwohl… das Buch, das großer Sargnagel zu Weihnachten bekommen hat, ist wundervoll. Sie kann aus jeder Menge toll gemustertem Papier nach Schablone oder frei Hand phantasievolle Kleidung entwerfen. Und jetzt kommt gerade raus, wie unglaublich kreativ das Mädchen ist und was für ein gutes Auge für Farben sie hat. Aber hey, ich muss immer diese Winzteilchen ausschneiden, wie unfair! Und wehe, ich verschnippel mich mal aus Versehen. Und kleiner Sargnagel braucht ja auch was zu tun in dieser Zeit. Aber gerade übt er ganz gerne schreiben. Er hat entdeckt, dass er sich mittlerweile mit seinen Dreibuchstabenwörtern prima schriftlich ausdrücken kann. Und so schreibt er mir seitenweise „fat bum“ (Fettarsch) auf alles, was ihm zwischen die Finger kommt.
Sind se nicht süß?
Was hier so gut riecht ist übrigens mein Irish Stew, das auf dem Herd köchelt. Ich hab schon klein Sargnagels halb gebrülltes, halb geweintes „I don’t like potatoes!“ (Ich mag keine Kartoffeln) im Ohr, aber da tricks ich was.




