Sonntag, 12. Juni 2011

Tag 780 - So what? I'm still a rock star!

Es ist momentan schwierig, mich vom eisernen Griff des Alltags zu befreien. Und selbst so kleine Sachen, wie eine Email zu verfassen, kommen gerade ein wenig kurz.

Was ist neu auf der Insel? Nicht sehr viel. Ich habe die Befürchtung, dass ich jetzt leider langweilig bin. So mit richtiger Arbeit und eigenem Wohnsitz. Spießig. Aber ich versuche trotzdem mal zusammenzufassen, was sich alles so getan hat in den letzten Wochen und Monaten.

Meine Probezeit ist vorbei. Und auch jetzt nach drei Monaten bin ich immer noch begeistert von meinem neuen Job. Es ist wirklich das Beste, was mir passieren konnte. Ich denke nur noch selten an die Apotheke. Es gab nur den einen Vorfall, dass mir der alte Chef aus Versehen nochmal Lohn bezahlt hatte, obwohl mir keiner mehr zustand. Mensch, war der in Panik. Ich habe es zurückgezahlt, und in den Überweisungsbetreff „PUT IT BACK!“ geschrieben. Obwohl er es bestimmt nicht kapiert hat, es war Genugtuung für mich und wie der Abschluss eines Kapitels.

Arbeit bestimmt momentan das Leben. Die Arbeitszeiten vom Gawjus und mir passen manchmal überhaupt nicht zusammen, so dass es gerade wirklich selten vorkommt, dass wir mal ein komplettes Wochenende zusammen verbringen. Aber wenn, dann machen wir das Beste daraus. An meinem zweijährigen England-Jubiläum sind wir ans Meer gefahren, haben ein kleines billiges Hotelzimmer direkt an der Strandpromenade gemietet und so getan, als wären wir irgendwo weit weg im Urlaub. Es war traumhaft. Den ganzen Tag Strandspaziergänge und frische Meeresfrüchte. Nachts angeln im Schein des Vollmondes.







Angeln ist immer noch sehr aktuell. Das letzte gemeinsame Wochenende waren wir mal wieder an einem See. Aber alles was ich fing, war eine Ente. Der dumme Vogel war nach meinem Köder getaucht und hatte den Haken im Schnabel stecken. Ich musste das hysterische Ding an Land zerren und befreien.




Der Sommer lässt hier immer noch auf sich warten. Es regnet zwar so gut wie nie, was schon einigen Bauern die Ernte gekostet hat, aber es scheint auch noch nicht richtig aufzuwärmen. Hier ist immer ein nerviger Wind, der einen zum Schaudern bringt, wenn man ohne Jacke das Haus verlässt. Naja, mich jedenfalls. Aber mir frieren auch bei 25 Grad noch die Zehen ab.

Die Wohnung unter dem Dach ist immer noch die schönste Wohnung der Welt. Die Bäume hinter dem Haus sind jetzt wie ein saftig grüner Vorhang, der uns von der Straße und den Geräuschen der Stadt abschottet. Und auf der Feuertreppe wächst mein erstes selbstgepflanztes Gemüse. Diese Tomaten enthalten ganz sicher keine Ecoli Erreger.



Im Pub sind immer noch dieselben Freaks vertreten.


Aber ich glaube, es gibt bald mal wieder einen Wechsel des Besitzers. Der Momentane hat nie genug Bier und Cider vorrätig, und jetzt auch noch alle Tresenkräfte entlassen, bis auf den Ex-Knacki. Dessen Tremor-Erkrankung macht ihm das Ausschenken nicht gerade einfach. Wenn man dann nach zwanzigminütiger Wartezeit sein Bier bekommt, ist die Hälfte davon schon auf dem Weg von Zapfhahn zu Tresen verschüttet worden.
Und obwohl der Pub noch nie der wohlriechendste Platz auf Erden war, momentan stinkt es zum Himmel. Nach ungewaschenen Körpern. Was in Zusammenhang mit dem allgemeinen exzessiven Kokainkonsum stehen könnte, bei dem der Landlord wohl eine nicht unwichtige Rolle spielt. Zerstörte Nasenschleimhäute riechen eben den Dreck nicht mehr.
Ich bin jedenfalls enttäuscht, dass einige der ehemals hier und da einen Joint rauchende Freakgemeinschaft plötzlich auf weißes Pulver steht. Auch einige der Leute, für die bisher nur Musik die einzig wahre Droge war. Aber in diesem Pub ist sowieso nichts dauerhaft, und nächsten Monat könnte alles schon wieder ganz anders aussehen.

Unsere Band hatte einen ziemlich guten Auftritt vor ein paar Wochen. Obwohl unsere neue Sängerin noch nicht so der Brüller ist. Aber momentan sind wir zuversichtlich, dass sie einfach ein wenig mehr Übung braucht, und vor allem auch Songs, die mehr auf ihre Stimme zugeschnitten sind. In der Band wollen wir sie auf jeden Fall behalten, weil sie sehr selbstsicher ist, verdammt gut aussieht, und den nötigen Willen mitbringt. Sie ist bei jeder Probe dabei, auch wenn sie dazu ewig im Bus fährt.


Aber natürlich sind nach dem ersten Erfolg auch die Star-Allüren nicht weit… unser Schlagzeuger wird jetzt wohl aussteigen, weil ihm die Sängerin zu peinlich ist. Seufz. Ich lege mir jetzt auch ein paar Allüren zu. Vor dem nächsten Auftritt möchte ich eine Tüte Haribo Goldbären – aber nur die Weißen bitteschön, und zwar genau 31 Stück. Und danach gehe ich ein Hotelzimmer verwüsten. Oder werfe den Fernseher aus dem Aufenthaltsraum des Seniorenheimes schräg gegenüber aus dem Fenster.



Aber ganz besonders erfolgreich kann ich unser 5-Song-Konzert deswegen nennen, weil der Gawjus und ich entdeckt worden sind. Einer der talentiertesten Musiker des Pubs hat uns gefragt, ob wir beide im September mit ihm auftreten, als Vorgruppe einer lokalen Band. Das ist eine riesige Ehre, und ich sterbe jetzt schon vor Aufregung. Der Heimspielbonus fällt nämlich weg, weil das Konzert ganz woanders stattfinden wird. Ich muss üben. Und ich habe das hin und her gerissene Gefühl, dass ich ganz viele Leute einladen will, aber irgendwie möchte ich doch, dass es niemand sieht, wenn alles ganz schrecklich schief geht. Bitte kommt alle! Aber bleibt weg!


Soviel für heute. Draußen scheint es sich gerade einzuregnen… obwohl, ein wenig Sonne ist noch da.


Sehr bilderlastig heute... aber irgendwie musste ich die mal loswerden, bevor sie in hundertjährigen Schlaf auf meiner Festplatte fallen.