Sonntag, 29. Januar 2012

Du Mixer!



Beim Bücherregal sortieren ist mir ein kleines Büchlein in die Hände gefallen, das ich in meiner England-Anfangszeit mal von einem der Freaks im Pub geschenkt bekommen hatte. Es heißt "Essential English Swear Words" und enthält eine bunte Auswahl englischer Flüche und Schimpfwörter. Ich musste es immer vor den Sargnägeln verstecken, deren Wortschatz noch so herrlich unverdorben war. Twit haben sie sich hin und wieder genannt. Was soviel heißt wie Blödmann. Aber das war es dann auch schon.

Wenn ich da an meine eigene Kindheit zurückdenke, wir haben eigentlich schon recht früh fluchen gelernt. Aufgeschnappt von den Kindern, mit denen wir jeden Tag auf der Straße spielten. Weil es dort sehr viele italienische Kinder gab, war es kein Wunder, dass mein damals so ungefähr fünfjähriger Bruder schnell das Wort Fangulo in seinen Sprachschatz aufnahm. Ich kann mich noch an seine Mundbewegung und die glockenhelle Engelsstimme erinnern, mit der er das Wort ständig wiederholte. "Fangulo. Fangulo. Fangulo."

Und dann wurden wir eingeschult und es ging erst richtig los. Arschloch. Arsch. Leck mich am Arsch. Auch Wörter, die von älteren Geschwistern falsch überliefert wurden und überhaupt keinen Sinn machten. Zum Beispiel kam Anfang der fünften Klasse auf einmal jemand mit dem Wort Mixer an. Du Mixer.

Homosexueller Steckdosenbefruchter hatte nur kurze Überlebensdauer, aber man sagte es oft und voller Überzeugung. Bis es dann ein wenig brutaler wurde. Hurensohn fand den Weg in die Klassenzimmer und auf die Bolzplätze. Aber irgendwie kapierte außer den türkischen Kindern noch niemand, dass damit gleichzeitig auch die Mutter beleidigt wurde.

Shit war schon lange gängig, aber ich erinnere mich noch an den Tag, an dem mir eine drei Jahre ältere Freundin hinter dramatisch vorgehaltener Hand das Wort Fack beibrachte. Fack fand ich ein sehr cooles Wort. Kurz und knackig mit einem energischen ck am Ende. Fack.

Auch die Sargnägel werden notgedrungen die Entwicklung der Fäkalsprache vor sich haben. Spätestens wenn sie in eine höhere Schule kommen. Viele schöne böse Wörter gibt es im Englischen ja. Wobei Fuck wohl das gängigste ist. Als Adjektiv kann es wirklich vor jedes erdenkliche Substantiv gehängt werden. Aber auch als Verb, Adverb oder besonders Imperativ funktioniert es. Universalwort. Überall und ständig in Gebrauch.

Überrascht war ich, dass Bastard im Englischen eigentlich recht harmlos ist. "You bastard" kann man scherzhaft sagen. Mein Büchlein schlägt vor, dass man es sagen soll, wenn jemand zum Beispiel im Lotto gewonnen hat. "You lucky bastard!"
Dasselbe mit Bitch. Im Deutschen gerne mit Schlampe übersetzt, bedeutet es eigentlich mehr sowas wie Zicke. Schlampe als Beleidigung heißt auf Englisch eher Slut. Einen weiblichen Hund nennt man übrigens auch Bitch, was meinerseits hysterisches Kichern auf der Hunderennbahn ausgelöst hat.

Ein gutes Schimpfwort für Männer ist Prick. Beleidigend steht es wahrscheinlich auf der selben Stufe mit Arschloch, obwohl es sich hier mehr um die männliche Vorderseite handelt.

Sie beschimpfen sich gerne mit Geschlechtsteilen, die Engländer. Vor allem mit Weiblichen. Twat ist ziemlich gut. Es ist nicht sehr nett, aber unisex und passt für jeden Vollidioten.

Hingegen, jemanden als Cunt zu bezeichnen - ebenfalls weibliches Geschlechtsteil, ebenfalls unisex - ist der schlimmste Fehler, den man machen kann. Es liegt vielen jungen Leuten ziemlich einfach auf der Zunge, aber man sollte sich ganz genau überlegen, wem gegenüber man es anwendet. Der Beschimpfte hat das Recht sofort zuzuschlagen.

Schöne Ausrufe als alternative zu "Oh Shit!" sind "Oh Bugger!" oder "Oh Bollocks!" Wobei Bugger als harmlos gilt, aber soviel wie Sex mit Tieren bedeutet, und Bollocks sind Hoden.

Und ich muss mir jetzt erstmal die Zähne putzen, oder den Mund mit Seife auswaschen, und trauere der Zeit hinterher, in der man sich noch gegenseitig als Küchengerät bezeichnete. Du blöder Mixer, du.

Unser Boris, der haut sie alle um...



Den Typen hier mit den wirren blonden Haaren habe ich kürzlich in meiner Mittagspause mitten in der High Street getroffen. Das ist Boris. Der Bürgermeister von London. Und was soll ich sagen, der Kerl ist klasse. Er sieht immer aus, als wäre er gerade erst aufgestanden. Seine Gedankengänge finde ich ziemlich nachvollziehbar, und irgendwie normalbürgerlich. Und dadurch, dass er generell immer das sagt, was er gerade denkt, tritt er ständig wieder in irgendwelche politischen Fettnäpfchen.

Bei den Londonern ist er aber trotzdem beliebt. Wie er auf seinem Fahrrädchen durch die Straßen düst, und sogar mal das eine oder andere Leben rettet. Wie er sich vor laufender Kamera aus seinem eigenen Haus ausschließt. Wie er bei einer Folge der englischen "Lindenstraße" auftaucht. Geniale Wahlstrategie oder einfach hoffnungslos abgedreht?

Ich und Politik, das sind ja eigentlich zwei Dinge, die nicht zusammenpassen. Schwarz-gelb, rot-grün, blau-weiß, grünrosagestreift, für mich ergibt das alles nur trübe Suppe. Ist doch wurscht, wer der Anführer ist. Die Steuern senkt ja sowieso keiner mehr. Und wer will eigentlich die Milliardenlöcher stopfen? Und wann? Finanzkrise? Globale Erwärmung? Stuttgart 21? Warum senden wir Soldaten ins Ausland zum Krieg machen? Wäre überhaupt Krieg, wenn niemand mitmachen würde? Warum verdient ein Fußballspieler 50.000 Euro am Tag und ein Krankenpfleger nur etwa 10.000 im Jahr?

Ich verstehe es nicht. Mir fehlt die Lust dazu, es zu verstehen. Ich habe auch ehrlich gesagt keine Zeit dazu, es zu verstehen. Ich bin zu beschäftigt mein Leben zu genießen. So. Nehmt das, ihr Politiker. Ich habe mich entpolitikt. Ihr seid mir egal. Die Steuern sind mir egal. Denn das was zählt, das werdet ihr mir nicht wegnehmen. Meinen Spaß!

Aber weiter so, Boris.