Mittwoch, 7. August 2013

Alles nur geklaut - jetzt aber richtig

Was ich eigentlich erzählen wollte, wir leben ja in dieser super duper idyllischen Straße.
Als wir eingezogen sind, habe ich mich schon über die drei Schlösser und die Kette an der Haustür lustig gemacht. Ist das nicht ein wenig übertrieben? Ich bin in einem Ort aufgewachsen, in dem man Tag und Nacht alles offen stehen lassen konnte.

Hier nicht. Die super idyllische Straße hat eine Diebesbande/einen Dieb/diverse Diebe, die hier ihr Unwesen treiben. Es verschwinden immer mehr Sachen.
Jeden Sonntag Abend haben wir aus Bequemlichkeit immer die Tür zu unserem Kiesgartenstück aufgelassen, so dass sich die Müllabfuhr am Montag Morgen die Tonnen dort selbst holen konnte. Hat auch immer super geklappt, bis die walisischen Nachbarn plötzlich einen Gartentisch und Stühle, und einen altmodischen Ton-Ofen auf dem Stück aufstellten. Naja, wenn sie gerne neben den müffelnden Mülltonnen sitzen und Pizza backen... dazu kam es aber nicht, denn schon am nächsten Montag Morgen waren Stühle, Tisch und Ofen weg.

Es wurde beschlossen die Tür geschlossen zu halten. Die Tonnen werden jetzt jede Woche mühselig durch den Kies auf die Straße gezerrt. Vier Stück. Eine Papier, eine Dosen, zwei Restmüll.
Und eines Montag Abends kam ich von der Arbeit nach Hause und fand nur noch drei Mülltonnen im Kiesstück. Unsere Restmülltonne war weg. 
Wer klaut denn bitte Mülltonnen?

Eines anderen Tages war der Geschäftswagen vom Gawjus in der Werkstatt und er bekam einen Leihwagen ohne Alarmanlage. Noch in der selben Nacht wurde dieser aufgebrochen. Nichts gestohlen, weil leer, aber trotzdem...

Ich fühle mich beobachtet. Patroulliert da jemand jeden Tag durch unsere Straße und hält Ausschau nach Gelegenheiten?

Jetzt wurden dem Waliser auch noch die Nummernschilder vom Auto geklaut, der Tankdeckel aufgebrochen und Benzin abgezapft.

Was ist nur los? Werden wir gemobbt? Aber es sind ja nicht nur wir. Als sich die Nachbarin drei Häuser weiter kleine Solarlaternen in den Vorgarten gesteckt hatte, die hielten sich nicht einmal zwei Stunden.

Ich habe den Verdacht, dass das Seniorenheim auf der Straßenseite gegenüber etwas damit zu tun hat. Aber natürlich nicht die Senioren. Es sind mehr die Pfleger, die von dort aus sehr gute Aussicht auf unser Haus haben. "Lass im Gästezimmer die Rollos unten, ich will nicht, dass von dort jemand meine Angeln sieht." hat der Gawjus schon seit langem gemahnt. Er schläft übrigens mit einem Jadmesser griffbereit unter dem Bett und kontrolliert jeden Abend die Schlösser.

Nur zu gerne würde ich eine Falle stellen. Vielleicht eine wunderschön saubere Mülltonne aufstellen und sich mit Kamera darin verstecken oder einen GPS Tracker daran befestigen. Es nervt mich total, dass diese Idioten immer ungestraft davon kommen. Woher kommt diese Selbstverständlichkeit, dass man sich einfach alles nehmen kann? Denen sollte man die Löffel langziehen. Echt jetzt.

Sonntag, 4. August 2013

Alles nur geklaut

Wir leben in einer ziemlich guten Gegend. Weit genug von London entfernt, so dass die Mietpreise nicht ganz so sehr weh tun, aber dann doch wieder nah genug, damit man kurz mal mit Bus und Bahn in die Innenstadt düsen kann.
Ich mag unsere Stadt. Großer Park, super Einkaufsmöglichkeiten, Fußgängerzone.... ah, das Stichwort für ein neues motivierendes Zitatbildchen...

Ich wohne gerne hier und fühle mich auch sehr sicher. (Wenn man sich nicht gerade Nachts alleine in der schmalen Gasse neben dem Kino herumtreibt, wo vor zwei, drei Jahren jemand erstochen wurde und auch kürzlich einer der Railway Children ausgeraubt (er hatte aber nur zwei Zigaretten dabei) Und dass man nicht in den Park geht wenn es dunkel ist, gehört wohl auch zum Alltagsverstand)

Aber unsere Straße, ja? Wunderschön. Eine von hohen Eichenbäumen umsäumte Allee mit großen viktorianischen Häusern. Geschotterte Einfahrten (DAS Wohlstandssymbol überhaupt), gepflegte Gärten, Pools, gute Aussicht runter ins Tal, schicke Autos, hübsche Menschen.

Warum WIR dort wohnen? Naja, wir haben etwas Glück gehabt. Die Geschichte unserer Wohnung unter dem Dach habe ich ja damals hier aufgeschrieben. 

Wir haben sogar Nachbarn, die wir beim Namen kennen! Unter uns wohnt ein etwas durchgeknalltes, aber nettes walisisches Ehepaar mit Kleinkind und ganz unten in der riesigen Deluxe-Wohnung leben drei recht gut aussehende Herrn in den Mittdreißigern, deren Namen alle mit J anfangen, und die ihren riesigen Keller zum Männertraum ausgebaut haben. Billiard-Tisch, Kicker, Spielautomaten, Plattensammlung, rote Samtsofas. Das weiß ich, weil wir bei "Triple J" zur megamäßig abgefahrenen Einweihungsparty eingeladen waren. Die durchgeknallte walisische Nachbarin und ich haben es wohl etwas zu sehr krachen lassen und sind seither nicht mehr eingeladen worden. Aber das war total nicht meine Schuld. Soll ich die Geschichte erzählen? Eigentlich wollte ich etwas anderes erzählen, das mehr zum Titel passt, denn geklaut haben wir nichts. Aber egal.

Die Einladung von JJJ flatterte ins Haus. Ich hatte mir schon Wochen vorher den Hals verrenkt, weil ich es nicht glauben konnte, dass da wirklich drei alleinstehende Typen in die Wohnung der guten alten Betty eingezogen waren. Im Wohngemeinschafts-Alter sind sie eigentlich nicht mehr. Aber dann, englische Mietpreise, warum auch nicht?

Der Gawjus musste arbeiten und so ganz alleine wollte ich nicht, deswegen habe ich mal bei den Walisern angeklingelt. Und es endete damit, dass die durchgeknallte Beth und ich ein paar Sixpacks Bier schnappten und uns eine Treppe weiter nach unten begaben. Ach, wie liebenswürdig die drei doch waren. Ein Fitness-Trainer, ein irgendwas mit Online-Poker-Spieler, und ein... habs vergessen. Irgendwas Cooles. Es gab gegrillte Hamburger und wir lernten Triple J's Eltern kennen. Und dann war da sogar noch ein Ehepaar, die ihr deutsches Aupair mitgebracht hatten. Sachen gibt's. Erstmal Sargnagelgeschichten ausgetauscht. Und schon waren ein paar Stunden vergangen, und anständige Menschen hätten sich wahrscheinlich so langsam verabschiedet. Nicht Beth und ich. Wir waren etwas angeschwippst.
Immer mehr Leute kamen und wir mischten uns unter die Gäste, als wenn wir die JJJs schon ewig kennen würden. Ein DJ legte in einem der Schlafzimmer auf, und wir tanzten. Und dann ging es los. Beth merkte plötzlich, dass der DJ direkt unter ihrem Kinderzimmer die Beats hämmern ließ. Ich war schon zu betrunken zum tanzen und beobachtete die durchgeknallte Waliserin, die wild mit allen Gliedmaßen zappelte, dann plötzlich die Tatsache mit dem Kinderzimmer bemerkte und den DJ bekniete, doch bitte die Musik leise zu drehen. Dann tanzte sie wieder, dann flehte sie wieder um Ruhe und dann tanzte sie wieder. Ich fand es lustig.

Ein paar weitere Stunden später fühlten wir uns wie Zuhause. Öffneten Weinflaschen, die in der Küche herumstanden und tranken noch mehr. Wir gingen einfach nicht nach Hause. Im Nachhinein schäme ich mich dafür. Aber dann denke ich, dass sich Triple J bestimmt nichts dabei gedacht haben. Die waren doch sicher selbst knülle.

Auf jeden Fall, wir hatten einen Mordsspaß. Beth und ich tranken auf ewige nie endende Freundschaft und all den Stuß, den man so sagt, wenn man glücklich volltrunken ist, und waren schließlich etwas traurig, als der Gawjus uns abholte.

Wir verfrachteten Beth in ihre eigene Wohnung und das wäre es wohl gewesen. Doch anstatt ins Bett zu gehen, rief die sturzbesoffene Waliserin die Polizei wegen Lärmbelästigung. Und das, kann ich mir vorstellen, kam bei den JJJs wohl doch nicht so ganz gut an. Schlimmer noch, ich sollte das erst in der darauffolgenden Woche herausfinden, als die Polizei wieder weg war, ging Beth wieder runter und lud Triple J kurzerhand in ihr eigenes eheliches Schlafzimmer ein, um sich von der Lärmbelästigung ein eigenes Bild zu machen. Das wiederum fand der von der Deckenbeleuchtung aus dem Schlaf gerissene walisische Ehemann überhaupt nicht gut. Und das Kind war mittlerweile auch schon aufgewacht und starrte mit zitternder Unterlippe die drei fremden Onkels an, die da um Mummys und Daddys Bett herum standen.

Obwohl ich zu dem Zeitpunkt schon im Land der Träume war, fremdschäme ich mich ein wenig. Ich musste am nächsten Morgen meine Jacke und Schuhe abholen, die ich bei den JJJs vergessen hatte, und fühlte mich wie ein Eindringling. Seither habe ich kaum etwas von den Dreien gesehen. Nur Beth geht regelmäßig runter und beschwert sich über den Lärm. Ich glaube so etwas wie ein Schamgefühl gibt es in Wales nicht.

Aber es war eine verdammt gute Party.