Mittwoch, 17. April 2013

Vier

Der Zahl Vier (4) - sprich Fier - wird schon immer große Bedeutung zugemessen.
Vier Jahreszeiten, Vier apokalyptische Reiter, Vier gewinnt, Vier Fragezeichen, Vier Himmelsrichtungen. Und wenn man oft genug Vier schreibt, sieht das Wort nach einer Weile total unwirklich aus. Vier. Vier. Vier.

Vier Jahre England. Und weil das auch so unwirklich aussieht, noch einmal mit Ziffer:

4 Jahre England

Vier Jahre ist es nun her, dass ich aufgeregt im Flugzeug saß und einer unbekannten Zukunft entgegen flog. Es fühlt sich noch gar nicht so lange an. Die Ankunft und der erste Schreck, als ich Mummy und die Kinder nicht gleich finden konnte. Und dann der erste Eindruck von den Sargnägeln, denen ich die nächsten 1 1/2 Jahre beim Wachsen und Gedeihen beistehen würde. Ich weiß noch, wie ich die niedlichen englischen Häuser in der Vorstadtidylle bestaunt habe. Und die roten Postkästen, und den Milchmann, und die Doppeldeckerbusse, und das Fehlen der Türklingeln, und einfach alles war so fremd und neu und wunderbar.
Dann nach einem Jahr der Entschluss - ich bleibe! Die Jobsuche. Auszug aus dem Sargnagelhaus. Mein erster katastrophaler Job in der Apotheke. Der Gawjus. Die neue Wohnung unter dem Dach. Ein neuer Job, der jetzt nach zwei Jahren immernoch Spaß macht.

Die Zeit ist an mir vorbeigerauscht. Ich habe mein dreijähriges England-Jubiläum gar nicht so bewusst mitbekommen. Und nun sind es schon vier Jahre.

Natürlich hat sich die Magie vom Anfang verändert. Ich zahle meine Steuern und mir fällt auf, dass sich sehr viel Geld von meinem Gehalt sehr schnell verflüchtigt. Das Leben ist teuer hier. Und auch nicht gerade sehr fair. Während man hier wohl alles in den Hintern gestopft kriegt, solange man von Sozialhilfe lebt, hat man als braver Arbeiter die Arschkarte gezogen. Obwohl der Gawjus und ich beide Vollzeit arbeiten - ich 40 Stunden, Gawjus des öfteren 60 Stunden und mehr - wir werden uns noch lange keine Anzahlung für ein Haus leisten können.
Der Gesundheitsdienst ist kostenlos, aber Arztbesuche stinken zum Himmel. Überfüllte Wartezimmer, fließbandmäßige Abfertigung von übermüdeten und übelgelaunten Doktoren, die selbst niemals ein Werkzeug in die Hand nehmen, sondern einen nach achteinhalb Sekunden Begutachtung zur Blutabnahme in ein abgelegenes Krankenhaus schicken. Die Wartezeiten dort möchte ich nicht einmal erwähnen. Ach ja, und natürlich muss niemand für Rezeptgebühren aufkommen, außer wieder einmal das arbeitende Volk.
Die Transportkosten werden jedes Jahr erhöht, im längsten Winter der Geschichte schießt der Gaspreis in die Höhe, eigentlich alles wird ständig immer teurer, aber die Zahl auf dem Lohnzettel bleibt trotzdem die gleiche.
Das Wetter... kein Sommer in 2012 und der offizielle Winter überzieht auch noch um zwei Monate. Es ist weniger der Regen als die Kälte, die so auf das Gemüt schlägt.

England hat mich in den letzten zwei Jahren öfter mal frustriert. Aber ich kann die Gedanken derer hören, die den oberen Absatz gerade gelesen haben. Sie denken: "Das alles ist in Deutschland ja auch nicht viel besser."
Und England ist immernoch der Ort, an dem ich leben möchte. Auch wenn sich der Alltag eingeschlichen hat, im letzten Jahr sind so viele tolle Sachen passiert:

Die Queen gesichtet


In Jamie Oliver's Italian Restaurant zu Abend gegessen


Urlaub in Cornwall gemacht


"Yes" gesagt


Mit David Walliams geschäkert


Und diversen anderen Briten


Ein Oktoberfest veranstaltet


Dem schlechten Wetter getrotzt mit Wohnzimmer-Camping


Auf die Kanaren geflogen


In der Zeitung erschienen


Ob das im fünften Jahr zu toppen ist? Ich hoffe doch.

Aber es gibt noch viel zu sehen und erleben auf der Insel. Werde berichten.

9 Kommentare:

  1. Ich liebe deine England-Berichte, auch wenn ich eher die stille Leserin bin, und danke für all die spannenden Einblicke. Und wenn ich das über euer Gesundheitssystem lese, dann bin ich mit unserem fast wieder versöhnt und denke, dass hier eben auch nicht alles nur blöd ist. ;)

    Wie auch immer: Ich wünsche dir, dass Jahr Nr.5 ein wunderbares Jahr wird und freue mich über weitere England-Häppchen. ;)

    LG Anna

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    1. Vielen Dank! Ob still oder laut, ich freue mich, dass du mitliest und mich begleitest!

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  2. Schließe mich Annas Worten komplett an!
    Cheerio Miss Sarah!!

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  3. Hallo Sarah,
    ich lese bei dir auch immer mit und freue mich auf weitere Berichte aus dem verrückten England, naja eigentlich ja GB. Alles gute fürs 5. Jahr.
    Susann

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    1. Vielen Dank, ich werde mir Mühe geben möglichst viel schreibwürdiges zu erleben. Danke fürs mitlesen!

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  4. Herzlichen Glückwunsch zu deinem Jubiläum.Natürlich hat alles irgendwo einen Haar in der Suppe,aber es ist erfüllender sich über die Rosinen zu freuen.
    Mit den Fragezeichen ist es aber so ne Sache:Die sind auch nach vier Jahren England nur zu dritt ;-)
    Ich freu mich bald auf vier Wochen England,mehr erscheint mir sehr mutig.Ixh ziehe meinen Hut vor jedem der so einen Schritt wagt.

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    1. Uuups, hahahaha!! Ich könnte ja sagen, dass ich nur die Aufmerksamkeit meiner Leser testen wollte... aber nee, wie kam ich nur auf vier Fragezeichen? Peinlich!
      Wann geht's denn los auf die Insel? Kann ich mich schon auf einen Reisebericht in deinem Blog freuen?

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  5. Natürlich mitten in den Schulferien,hoffe auf einen trockenen Sommer.
    Hab heut grad nen Platz in Ashford(?) empfohlen bekommen von wo aus wir mit dem Zug nach London fahren können.Das ist noch der Knackpunkt,ich mag mit unseren Hunden nicht U-Bahn fahren,die kriegen die Kriese und Rolltreppe fahren geht auch nicht...
    Bin gespannt was auf uns zukommt.
    Brauchst du einen Reisebericht über England ;-)
    Mal sehen,im Moment weis ich gar nicht mehr wo ich fürs bloggen noch Zeit finden soll,soll ja auch noch Spass machen und nicht nur Druck....

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