Freitag, 27. Juli 2012

Der alte Mann und das... Pub

Der treue Blogleser erinnert sich ja vielleicht noch an den Pub der Freaks.

Ich war in letzer Zeit nicht mehr ganz so oft dort. Der momentane Landlord war so knapp mit dem Bier, dem Toilettenpapier, dem Putzen... Und dann während der EM... ein Freitag Abend. England spielte. Jeder starrte gebannt auf den großen Flachbildschirm auf der Wand. Es lief gerade die letzte halbe Stunde, England war am Gewinnen. Plötzlich schaltete der Landlord ab. Jetzt würde die Band spielen, schließlich bezahlte er dafür. 

Leicht lebensmüde Aktion. Man stellt nicht einfach das England Spiel aus. In England. Im Pub. An einem Freitag Abend.

Das war wohl der Anfang vom Ende. Der Landlord musste richtig die Lust verloren haben, die Lizenz lief auch aus, perfekte Gelegenheit einfach abzuhauen.

Und jetzt hat der Pub geschlossen. Closed. Zu. Seit einer Woche schon. Das ist bisher noch nie vorgekommen. Trotz all den vielen erfolglosen Landlords hat bisher immer ein reibungsloser Wechsel stattgefunden, wenn mal wieder einer das Handtuch warf.
Seit ich hier bin habe ich schon sieben Wirte kommen und gehen sehen. Sieben Personen, die am Anfang wild entschlossen den Pub übernahmen, voller Pläne und Tatendrang. Sie putzten, lüfteten, füllten die Bar auf, polierten die Zapfhähne, organisierten Veranstaltungen, buckelten sich krumm um die große Veränderung zu bringen. Den neuen Schwung, das gewisse Etwas.
Doch nach ein paar Monaten konnte man jedes einzelne Mal den Verfall beobachten. Der Boden klebte, das Toilettenpapier fehlte, kaputte Glühbirnen wurden nicht ausgewechselt, Bands tauchten nicht auf, und vor allem die Getränkevielfalt ging zurück. Erst "Cider ist aus", dann "Guinness ist aus", und irgendwann die verhängnisvollen Worte "Bier ist aus". Dann konnte man sich sicher sein, dass es bald soweit war: "Pub ist aus".

Und jetzt ist zu. Niemand weiß wie es weitergeht. Immer wieder trifft man in der Stadt auf verwirrte Freaks, die planlos durch die Straßen laufen. Haare zerzauster als sonst, fleckige Hemden schräg geknöpft, wie aus der Heimat vertriebene. Schiffbrüchige. Verlorene. Sie wissen nicht wohin sie gehen sollen. Mit der Schließung des Pubs scheinen sie total die Orientierung verloren zu haben. 

Am Freitag drehen wir eine Runde durch die Pubs in der Highstreet. Ein paar Stammgäste finden wir im Pub der Piraten. Der Pub heißt nicht wirklich so, wird aber so genannt, weil sich dort jedes Wochenende eine große Gruppe junger Leute herumtreibt, die als Piraten verkleidet mit vielen "Arrrrrrrrrrrrrs" ihre Rumgläser auf den Tisch hämmern. Die sind sogar den Freaks zu freakig. Da hört man Sprüche wie "What's a Pirate's favourite subject at school? - Arrrrrrrrrrrrrt! Hahaha." Und dann bekämpfen sie sich mit Holzsäbeln.

Ein paar vereinzelte Freaks treffen sich im örtlichen Schwulenpub, wo sie die Bar und die Karaokemaschine in Beschlag nehmen.. Bisschen Adele singen geht immer. 

Die Band Freaks scheinen sich in einem der neuen schnuckelig eingerichteten Szenepubs niedergelassen zu haben. Obwohl es Live Musik gibt, sie sehen total fehl am Platz aus. Freitags gehen viele Banker, Manager und Büroleute auf ein "After Work Beer" und so dominieren die Krawattenträger, die kein Problem damit haben, Vier Pfund Fuffzig für ein Pint Bier auszugeben. "Wiiiiiiie viiiiiiiiel???" kreischen die Freaks entsetzt.

Es sind harte Zeiten. Dabei sind die Ansprüche der Freaks so niedrig. Einfach nur einen Ort mit günstigem Bier, einer sauberen Toilette und ein wenig Musik. Und ohne Krawatten. Ist das so schwer hinzukriegen?

Wenn ich irgendwann einmal im Lotto gewinnen sollte, dann kaufe ich den Laden. Es ist eine Schande, dass dieser Ort so runtergewirtschaftet wird. Das Gebäude ist wunderschön im viktorianischen Stil und super zentral gelegen. Wenn man mal richtig Geld reinsteckt und alles wieder ordentlich herrichtet - die Hotelzimmer, die Küche, den vollgemüllten Keller - dann denke ich, dass aus dem Pub irgenwann mal wieder etwas werden könnte. Ernest Hemingway und David Bowie haben dort schon getrunken. Das behaupten jedenfalls die Alten, und eine Metallplakette an der Tür.


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