Mittwoch, 17. Juli 2013

Dave

Vor ein paar Wochen hat Papa Gawjus einen jungen Papagei auf der Straße aufgesammelt, der heftig von einer Krähe attackiert wurde. Ob das jetzt aus Sicht der Krähe eine gute Tat war, kann man bezweifeln. Schließlich ging ihr ein saftiges Abendessen durch die Lappen. Aber Dave, der indische Halsbandsittich war gerettet.

Von diesen wildlebenden Papageien gibt es im Süden Englands seit den 30er Jahren sehr viele. So viele, dass sie mittlerweile schon gejagt werden, weil sie großen Schaden in Bäumen und Feldern anrichten.

Als ich zum ersten Mal einen Schwarm der exotischen Vögel im Park auf einem Kastanienbaum sitzen sah, dachte ich an eine Halluzination. Grellgrün saßen sie da und krakeelten in einer unglaublichen Lautstärke.

Mittlerweile sind sie Normalität geworden. Vor allem am Morgen oder frühen Abend fliegen sie bei uns in Affengeschwindigkeit um das Haus, wie grüne Blitze. Sie sind recht scheu. Seit Jahren schon habe ich versucht einen vor die Linse zu bekommen. Ohne großen Erfolg. Hier mein bisher bestes Bild:


Da hilft auch kein Instagram mehr. Ganz oben, die abstehenden Blätter an der Spitze. Das ist der Papagei. Hübsch, was?

Aber jetzt gab es ja Dave.

Papa Gawjus kaufte erst einmal viele verschiedene Obstsorten, Samen, Nüsse, Honig und funktionierte sein Wohnzimmer zur Papageienpflegestation um. Die linke Seite Daves Kopfes war von der Krähe kahlgezupft. Ansonsten schien er aber keine Verletztungen zu haben. Schüchtern saß er auf einer Holzstange und blinzelte seinen Pfleger und die schaulustigen Besucher an. Wenn Papa Gawjus seinen Zeigefinger gegen Daves Brust drückte, nahm er artig auf demselbigen Platz. Was für ein höflicher Vogel. Ich fotografierte.


Für Papa Gawjus war es Liebe auf den ersten Blick. Er kümmerte sich mit Hingabe um seinen Pflegefall. Bot ihm immer wieder zerdrückte Beeren auf einem Zahnstocher an, doch Dave wollte nichts. Nur ein wenig Honig leckte er sich vom Schnabel. Wir waren nicht sicher, ob er durchkommen würde. Vögel sind ziemlich empflindlich was Schocks angeht. Doch Dave entpuppte sich als Kämpfernatur. Schon nach kurzer Zeit fing er an zu fressen und schien nicht mehr aufzuhören. "Er frisst mir die Haare vom Kopf!" beschwerte sich Papa Gawjus, aber lachte glücklich. Er zimmerte aus einem ausgedienten Schrank eine Voliere, die Dave vorübergehend beziehen konnte Denn sobald er groß und stark war, sollte er wieder in die Freiheit entlassen werden.

Dave verlor jede Schüchternheit und machte jeden Tag zur Fütterungszeit ein riesiges Gezeter. Er wurde größer und stärker. Papa Gawjus bekam jetzt hin und wieder den roten Schnabel zu spüren, wenn dem kleinen Kerl etwas gegen den Strich ging. Dave wuchs und wuchs.

Nach drei Wochen ließ es sich nicht mehr länger aufschieben: Dave war reif für die Wildnis. Eingesperrte Vögel sind wider der Natur, das wusste auch Papa Gawjus, dem der Abschied schwerer fiel, als er zugeben kommte.

Er schmiss eine Abschiedsparty. Freunde und Familie hingen Zettel mit guten Wünschen für Dave an die Voliere. Und dann kam der Moment. Papa Gawjus stellte sich mit dem Vogel in die Mitte des Gartens und hielt ihn hoch in die Luft. Dave plusterte sich auf und blinzelte irritiert. Erst als Papa Gawjus schüttelte, breitete er schließlich doch die Flügel aus, flog eine Ehrenrunde und verschmolz mit dem Grün der Bäume. Goodbye Dave.

Ich hoffe nur, dass er nicht schnurstracks in den Rachen einer Hauskatze geflogen ist, sondern jetzt noch wie ein grüner Blitz durch die Gegend fliegt und mit seinen Papageienfreunden um die Wette kreischt.

Die Geschichte einer guten Tat.

Und zum Ausklingen noch eines der angedrohten motivierenden Zitatbildchen aus der Instagram Massenproduktion.


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