Montag, 18. Juli 2016

Summer in the City

Sommer in England geht folgendermaßen:

358 Tage im Jahr über das Wetter seufzen.
Wenn dann die alljährliche Woche Sommer stattfindet, umso mehr seufzen. Es ist zu heiß, zu trocken, zu schwül, die falsche Art von Sonne, die Bahnschienen werden weich und biegen sich, Züge sind gecancelled, die Autobahn in Richtung Küste ist komplett verstopft (und Abends noch einmal dasselbe in Gegenrichtung), T-Shirts werden vom Leib gerissen, blasse tätowierte Bierbäuche wandern in Herden zum Park, ungesund aussehende Aggro-Mums kramen dieses eine unvorteilhafte Sommerkleid aus dem Schrank, das eigentlich mal ein Rock war, und jetzt bis unter die Achseln hochgezogen so viel Haut wie möglich freilegt für sonnenbedingten Flächenbrand, Geschäfte machen am ersten Tag des Sommers einen Millionenumsatz mit Sonnencreme, am zweiten Tag mit Après Creme, die Liegewiesen im Park sind mit leeren Flaschen und Chipspackungen übersät, auch der Strand gleicht am späten Nachmittag einer Müllhalde, Arbeiter melden sich krank um dann einen Tag später mit signalrot verbrannter Nase wieder genesen zu sein, die Fußgängerzone hallt von Flip Flops, die sich anhören als würden hunderte von Hände auf Putensteaks patschen, der Eisvan dreht endlose Runden durch die Wohngebiete, die Yankee Doodle Melodie überschneidet sich mit anderen Eisvans und resultiert in ein nervtötendes Krankee Doodle, Menschen in schlecht isolierten Dachwohnungen (ich!) pressen sich platt auf den Boden, der Schweiß fließt, die Klamotten kleben, die Pubs und Restaurants hängen alle Türen und Fenster aus um ein mediterranes Urlaubsgefühl zu schaffen, Rauchschwaden steigen von Wegwerfgrills empor, alte Ömchens kippen an Bushaltestellen in die Horizontale, im Supermarkt benötigt man Schal und Handschuhe, weil die Klimaanlage auf Antarktis gestellt wurde, der Nachbar reinigt seinen Pool, nur in einem winzigen Badehöschen bekleidet, Autofahrer rufen sich durch die geöffneten Fenster laute Beschimpfungen zu, die Sonne brennt und brutzelt, der Asphalt flimmert, flachgetretene Kaugummis erwecken wieder zum Leben und setzen sich Fäden ziehend an den dünnen Flip Flop Sohlen fest, jeder Gang zum Laden um die Ecke wird gut überlegt und abgewogen, zwischen Babykopf und mütterlicher Armbeuge bildet sich triefende Nässe, und sowohl Kind als auch Mutter sind erleichtert, wenn der Körperkontakt sich nur auf das notwendigste beschränkt.

Ein paar Tage später ist der Spuk dann vorbei. Die Sommersachen trocknen noch auf dem Wäscheständer, während man wieder in Wollsocken auf dem Sofa sitzt und die Regentropfen an der Scheibe herunterrinnen sieht. "Wir hatten dieses Jahr mal wieder gar keinen richtigen Sommer", denkt man enttäuscht. Vielleicht ja nächstes Jahr.

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