Sonntag, 21. Oktober 2012

Yeah but no but yeah but!

Weil ich es jetzt schon seit einer Weile nicht mehr erwähnt habe: Ich liebe meinen Job. Ehrlich jetzt.
Vielleicht können sich manche noch erinnern, wie nicht ich den Job fand, sondern er fand mich.
Und jetzt - anderthalb Jahre später - gehe ich morgens immernoch gerne aus dem Haus, pendle als professioneller Berufspendler zur Arbeitsstelle, und mache meinen Job. Die Wochen fliegen, die Monate rasen vorbei, wie schnell doch die Zeit vergeht, wenn man Spaß hat.
Und dann gibt es da diesen Oberboss, der Geschäftsführer des ganzen Ladens. Er scheint einen Heidenspaß daran zu haben, irgendwelche Ideen auszuhecken, mit denen er seine Mitarbeiter beglücken kann. Ehrlich jetzt. Zu Ostern gibt es Gutscheine und Schokolade, zu Halloween kandierte Äpfel. Letzte Weihnachten kam eines Nachmittags ein Partybus angefahren und gab Glühwein und Lebkuchen direkt vor der Firma aus. Zur Arbeitszeit. Einmal machte ein Produkt besonders guten Absatz, da stand morgens plötzlich auf jedem Schreibtisch (und es sind verdammt viele Schreibtische) ein Geschenk.

 Mitarbeitermotivation vom Feinsten. Zu gut um wahr zu sein? Es kommt noch besser. Die Betriebs-Weihnachtsfeiern sind legendär. Und da zwischen Weihnachten und Weihnachten mindestens 365 viel zu arbeitsreiche Tage liegen, da muss man sich natürlich noch ein paar Späße für zwischendurch überlegen.

Diesen Sommer organisierte der Oberboss also eine firmeneigene Olympiade. Wir haben englandweit einige Niederlassungen, auch jeweils eine in Wales und Schottland. Und von jeder Niederlassung wurden neun Teams für neun verschiedene sportliche Disziplinen zusammengestellt und gegeneinander antreten lassen. Ich landete im Go-Kart-Team und wir fuhren nach Bristol, wo wir in einem spektakulär organisierten, zweitägigen Event in einer riesigen Indoor-Kartbahn gegeneinander antraten. Und mein Team gewann!

Diesen Monat fand die Siegerehrung statt. Es wurde nicht viel preisgegeben. Man wusste nur, es würde in einem der luxuriöstesten Hotel Londons stattfinden, und der Dresscode war Abendkleidung. Für die Herren Anzug mit Fliege. Ernsthaft, ich habe ewig gebraucht um ein angebrachtes Kleid zu finden. Die schottischen Kollegen in ihren Kilts hatten da wohl weniger Probleme.
Und das ist, was uns am Abend des Gala-Dinners erwartete:


Ein aufwändig dekorierter Märchenwunderland Saal mit vielen runden Tischen, auf den ein großes Sortiment aus Weingläsern und Besteck aufgebaut war. Schaut mal, wie fröhlich alle aussehen.


So saßen wir also und spießten winzige Hühnchen in Trüffeljus und geräucherten Lachs mit Meerrettich und Apfelmus auf die blitzblanken Gabeln, während hübsche Männer in schwarzen Sakkos die Gläser mit rot, weiß und sprudelnd auffüllten und ständig im Auge behielten, wer nach Nachschub lechzte. Ebenso hübsche Männer in weißen Sakkos servierten Vorspeise, Hauptgericht und Dessert, und während noch das hauchzarte Schokomousse auf der Zunge zerging, wurde plötzlich ein Überraschungsgast angesagt, der die Awardzeremonie moderieren würde. Ach ja, da war ja was.


Mit einem Schuhkarton auf dem Kopf stand Mr. Surprise auf der Bühne und legte ein Tänzchen hin, während man über seine Identität rätselte. Die meisten Leute tippten auf irgendeinen olympischen Medalliengewinner. Vielleicht der Champion im Unterwasser-Fahrrad, oder sonst irgendetwas mehr oder weniger sportliches. Ich kenne keine Sportler, habe überhaupt nichts von den Olympischen Spielen gesehen dieses Jahr. So war ich mir sicher, dass ich keinen Aha-Effekt haben würde, wenn der ominöse Gast den Karton lüftete. Aber so konnte man sich täuschen. Die Kiste schnellte vom Kopf, und in der selben Sekunde als das Gesicht sichtbar wurde, setzte auch schon ohrenbetäubender Jubel ein. Jeder im Raum wusste sofort wer dort auf der Bühne stand. Ich auch. Und ich war hingerissen.


Ich liebe Little Britain! Ich kann ganze Charaktere nachsprechen und tue das oft und gerne. Und noch am selben Morgen des Gala-Dinners habe ich ein Interview mit ihm in der Zeitung gelesen. David Walliams! Unglaublich! Da war er! Keine zwanzig Meter Luftlinie entfernt!

 Er witzte und scherzte und nahm sich selbst und jeden auf die Schippe, und dann fing er an, die Awards zu verteilen. Und plötzlich wurde mir bewusst, dass ich gleich mit meinem Team irgendwie auf diese Bühne gelangen musste. Meine Schuhe waren hoch und stöckelig, mein Kleid bodenlang und hedderig. Es gab vier Treppenstufen zu bewältigen. Dann kam noch dazu, dass ein Kamerateam jede Bewegung der anmarschierenden Sieger filmte und auf Großleinwand übertrug. Das konnte nur schief gehen. Mir war schlecht. Ich war sicher, dass ich entweder stolpern würde, oder mein Kleid verrutschen, oder im Stuhl hängen bleiben, und ich würde nackt auf der Bühne enden, und ich müsste dann leider meinen Job kündigen und mich für den Rest des Jahrtausends in einem Kellerloch verstecken.
 Aber irgendwie klappte es. Ich raffte vor den Treppenstufen mein Kleid an den Seiten irgendwie nach oben, wie ich das mal in einem Sissy-Film gesehen hatte, aber dann war keine Hand frei für David Walliams. Er weihte trotzdem meine beiden tomatenroten Wangen mit seinen Lippen - ich habe keine Erinnerung an das Erinnerungsfoto - und dann war es auch schon überstanden.
Puh, erstmal Sektchen. Einer der hübschen Herren in schwarz hatte gleich reagiert und eine neue Flasche Blubber aufzischen lassen. Ich beschloss noch aufs Klo zu gehen, und den übrigen Angstschweiß vom Gesicht zu wischen. Und dann stand ich ganz unvermittelt schon wieder vor ihm. David. Ahh!!! Ich glaube ich habe angefangen ihn vollzulabern, ob er denn wüsste, dass Little Britain auch ins Deutsche synchronisiert wurde und blabla, aber er ignorierte mich professionell, während er freundlich in diverse Kameras lächelte. Und irgendwie kam noch dieses Foto zustande, in dem meine panikgeweiteten Augen den Rotstich einer Verkehrsampel angenommen haben, aber immerhin.


Viele Tänze und noch viel mehr Gläser exklusiven Fusels später musste dieser Abend leider ein Ende nehmen. Aber die Mitarbeitermotivation hat voll eingeschlagen. Ich liebe meinen Job gleich noch sehr viel mehr, und kann die nächste arbeitsverhindernde Maßnahme des verspielten Oberbosses kaum erwarten. Werde berichten.




1 Kommentar:

  1. Ich hatte auch mal eine Chefin, die uns alle naselang mit was überrascht hat. Solche Wertschätzung fördert die Motivation ungemein.
    Aber David Walliams war nie dabei!
    Du Glückspilzin!
    Sieht nach einem tollen Abend aus.

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