Dienstag, 6. November 2012

Stars und Sternchen

Dieser Eintrag hat mir ein wenig Kopfzerbrechen bereitet. Ich wusste nicht, und weiß immernoch nicht, wie ich in Worte fassen soll, was mir letzte Woche passiert ist.

Da war ja dieses Gala Dinner, an dem ich vor etwas mehr als drei Wochen teilnehmen durfte. Es war das Event des Jahres. Nie dachte ich, dass irgendetwas diesen Abend jemals übertreffen könnte.
Aber dann kaufte ich dieses Ticket für eine Verlosung. Fünf Pfund kostete es und der Erlös wurde an eine Charity gespended. Und während ich das Geld übergab und das kleine Fetzchen Papier mit Nr. 3 entgegennahm, da hätte ich im Traum nicht gedacht, zu was für einer anderen Welt es mich katapultieren könnte:
Ich gewann ein Ticket zu einer Fernsehshow, in der Helden des Alltags für ihre Tapferkeit ausgezeichnet werden. Die Pride of Britain Awards.


Aber nicht nur für die Awardverleihung, sondern auch für den Sektempfang, 3-Gänge-Menü, und die Party danach. Woop woop, ich war geschockt.
Zum Glück war die was-soll-ich-anziehen-Frage schnell geklärt, ich zog einfach das Kleid vom Gala Dinner noch einmal an, bekam meine Haare irgendwie hingezwirbelt- und geflochten, kaufte noch eine elegante Handtasche, in die ich so gut wie nichts hineinbekam, einen Über-die-Schulter-werf-Schal, und dann ging es auch schon los. Ich wurde per Taxi von der Arbeit abgeholt und machte mich mit acht weiteren Ticketgewinnern auf den Weg zum Grosvenor Hause in London. Zufälligerweise hatte das Gala Dinner dort auch stattgefunden. Ich fühlte mich schon wie ein Stammgast.

Das Taxi hielt allerdings nicht am Haupteingang in der Park Lane, sondern umrundete das Gebäude. Ach so, der Hintereingang war eigentlich der Haupteingang. Dort war ein roter Teppich, vor dem das Taxi zum Stehen kam. Ein roter Teppich!
Es regnete, aber das nahm ich kaum wahr.  Ich fühlte mich plötzlich wie in einer anderen Welt. Hinter uns auf der Straße waren Absperrungen angebracht, hinter denen zumeist jüngere Menschen standen und kreischten. Entlang des roten Teppichs befanden sich Kamerateams und Fotografen, die wild herumblitzten.
Kurz die Einladung und Ausweis vorgezeigt, und dann wurde ich auf Reise über den Teppich geschickt. Oh Gott, ich war so nervös. Jemand machte Fotos. Von mir? Bloß nicht stolpern.



Ich schaffte es ins Gebäude. Noch einmal Einladung vorzeigen, Sicherheitskontrolle - in meine Tasche passte ganz bestimmt keine Bombe - und los zum Sektempfang.
Hunderte LED-Lichtpunkte waren im Boden angebracht und blinkten hypnotisierend. Genauso hypnotisierend waren die weißgekleideten Servierleute, die in einer Reihe standen und einladend den Sekt hinhielten. Sekt! Nie hatte ich ein Glas des sprudelnden Nervenreparierers nehr nötig gehabt. Ich trank das erste Glas viel zu schnell und ging gleich für Runde zwei.
Ich beobachtete Leute. Viele hübsch gekleidete Mädels mit Funkgeräten und Headset liefen wichtig und irgendwie total ausgestresst hin und her. "Robbie zieht sich gerade um", hörte ich jemanden  erklären.

Wirklich viele Menschen waren mittlerweile eingetroffen. Ich sah Gesichter, die mir irgendwie bekannt vorkamen, aber mein Gehirn konnte so viel Information gar nicht auf einmal fassen. Nach etwas Smalltalk mit einer Herausgeberin irgendeiner Frauenzeitschrift - sie sah aus wie Meryl Streep in "Der Teufel trägt Prada" - wurden wir zum Saal gebeten, in dem die Awards und das Dinner stattfinden würden. Tisch 40.
Wir hatten nicht die beste Bühnensicht von unserem Platz, aber dafür hatte ich perfekte Aussicht auf diese Treppe.


Und das war die Treppe, die jeder Gast hinunter schweben musste, um in den Saal zu gelangen. Und jeder, der die Treppe hinunter ging, musste auch an unserem Tisch vorbei. Ziemlich schnell wurde klar, dass wir damit den Hauptgewinn gezogen hatten. Meine Tischnachbarin stieß immer wieder unkontrollierte Quietscher aus, denn plötzlich kamen die Promis. Ehrlich gesagt, erst war ich ein wenig unbeeindruckt. Ich kannte die meisten Leute nicht. Schauspieler und Möchtegern-Stars von schrecklichen Fernsehprogrammen, wie "The only way is Essex" und "X-Factor"... Sachen, die ich niemals gucken würde. Aber dann fing ich doch an, das eine oder andere Gesicht zuzuordnen. Schauspieler von "EastEnders" (sowas wie die englische Lindenstraße), Peter Andre, der Ex-Mann von Katie Price, Gok Wan, alles Trash TV.
Die Gesichter wurden bekannter und bekannter. Ich sah Susan Boyle, die ungewöhnliche Gewinnerin einer dieser Talentshows, Ed Milliband, der Oppositionschef, ich sah einen Typen bei dem ich zweimal hingucken musste, und dann als Bon Jovi identifizierte - mönsch, ist der alt geworden - zwei von den Spice Girls, und plötzlich quetschte sich der Primeminister an unserem Tisch vorbei. Er sah in meine Richtung, und ich konnte es nicht aufhalten, meine Hand schnellte plötzlich in die Höhe zu einem fuchtelnden Winken und mein Mund öffnete sich automatisch und brüllte "Hello Mister Cameron!!!!" Und was machte der Primeminister? Er lächelte und winkte zurück. So, jetzt konnte ich mich endlich auf mein Essen konzentrieren. Zubereitet von Fernsehkoch Nick Nairn natürlich eine Wucht.


Alles ging jetzt ziemlich schnell. Wenn der Teller leer war, wurde er einem gleich entrissen und der nächste Gang hingestellt. Die Awardszeremonie musste pünktlich um acht Uhr anfangen. Dessert, Kaffee, und dann die Chance nochmal kurz aufs Klo zu gehen. Ich schwang mich die berühmte Treppe hinauf und bekam erstmals einen Überblick. Wow, so viele Leute. Tisch 40 war ganz unten rechts in der Ecke.


Die Show ging los. Carol Vorderman, die Moderatorin trat auf die Bühne. Ihre Haare wie eine Löwenmähne. Über unserem Tisch fing ein Kamerakran an lebendig zu werden und machte halsbrecherische Schwinger durch den Saal.

Und die Show war ganz unglaublich. Die Helden des Alltags waren allesamt so wundervolle Leute. Da war das kleine Mädchen, das ihre noch kleiner Schwester aus dem Weg schubste, als ein Auto unkontrolliert auf sie zugerast kam. Da war der Soldat, der sein Leben riskierte um drei kleine Buben aus dem Kreuzfeuer zu retten. Da war das 16-jährige Mädchen mit Blutkrebs, das so viele Leute dazu inspierierte, sich für Knochenmarkspenden zur Verfügung zu stellen. So viele inspirierende Menschen, es blieb kaum ein Auge trocken. Robbie Williams kam auf die Bühne, um einen Award zu verleihen (mönsch, ist der alt geworden). Und Piers Brosnan (mönsch, ist der...), Prince Charles (mönsch...), Sir Ian McKellen (Gandalf!!!)
Es waren drei herrliche Stunden. Obwohl unserem Tisch nach zwei Stunden alle Getränke inklusive Wasser ausgingen.

Nach der Show mischten sich alle Gäste wild untereinander. Ich machte mich auf die Suche nach Ian McKellen, weil ich ihn nach einem Foto fragen wollte, konnte ihn aber nicht finden. Dafür stieß ich auf Jimmy Carr, der ein wenig abseits an einem Tisch saß und mir zulächelte. Jimmy ist ein englischer Comedian und hat dieses Jahr ein wenig an Beliebtheit eingebüßt, weil er in irgendsoein "Steuervermeidungssystem" verwickelt war. Naja, wenn ich die Chance hätte irgendwie das Steuernzahlen zu vermeiden, dann würde ich das wohl auch machen.
Auf jedenfalls wollte ich gerade ein paar Worte mit ihm wechseln, als mir auffiel, wer da noch an seinem Tisch saß. Und da verschlug es mir die Sprache. Es war Stephen Hawking. DER Stephen Hawking. Einer der brilliantesten Köpfe unserer Zeit.
Für eine Minute oder so stand ich einfach nur da und kam mir total blöd vor. Offensichtlich kann sich der ganzkörpergelähmte Hawking nur durch einen Computer verständlich machen - und ich hatte keine Ahnung, wie oder ob ich ihn begrüßen sollte. Ich muss sagen, dass Jimmy Carr mal kurz die Situation rettete. Er fragte, ob ich gerne ein Foto machen würde - ich nickte so heftig, dass meine Nackenwirbel knackten - und dann übernahm er das Ruder. Gab meine Kamera zu irgendjemandem und zog mich in die Mitte zwischen sich und Stephen Hawking. Das Foto des Jahrhunderts.


UN-GLAU-BLICH!!!!

Ich hatte später, als ich meine Sprache wiederfand, noch kurz die Gelegenheit mich bei Jimmy Carr zu bedanken. Was für ein netter, netter Mann.
Der Rest des Abends verlief irgendwie in einem nebligen Schleier für mich. Ich holte mir einen Drink und schwang das Tanzbein auf der Afterparty


Gegen halb zwei Nachts taten meine Füße weh, aber richtig. Gut, dass die Taxis draußen bereitstanden. Noch eine halbe Stunde fahrt durch das nächtliche London, dann hatte ich die kunterbunte Bonbonwelt von Stars und Sternchen endgültig verlassen, und schloss ein wenig erleichtert die Tür zur Wohnung unter dem Dach auf. Viel zu nervenaufreibend, diese Promiwelt. Aber gut, es einmal erlebt haben zu dürfen.




7 Kommentare:

  1. Wow, das war ja wirklich ein ganz besonderes Erlebnis! Schön, dass Du das mit uns geteilt hast!

    Zumindest hast Du für das Bild mit Stephen Hawkins kein Zimmermädchenkostüm anziehen müssen. *g* :sheldon:

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    1. Arrrgh, wenn ich die Big Bang Episode angeschaut hätte, bevor ich auf Stephen Hawking traf, dann wäre ich bestimmt besser vorbereitet gewesen. Ach soooo funktioniert der Computer! Danke Sheldon!

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  2. Wie toll!
    An Jimmy Carr hätte ich mich ja NIE herangetraut, ist er doch für sein äußerst rotziges Mundwerk bekannt.
    Du trägst auch eine von diesen roten Blüten, die man auch an Kate & Willie sieht. Was hat das zu bedeuten?

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  3. Ich glaube Carr muss immernoch sein Image ein wenig aufpolieren. Jedenfalls waren am Tisch von ALAN Carr bedeutend mehr Leute. Aber Jimmy war wirklich nett. Gespielt arrogant, aber nett.
    Oooooh, gut dass du fragst, ich schreibe gerade etwas über die roten Blüten. Erklärung folgt bald :-)

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  4. Respekt, Respekt, ich glaube in meinem Fall hätte angesichts der ganzen Promisichtungen und -begegnungen auch kein noch so heldenhafter Comedian die Situation retten können, ich wäre vermutlich nach einer kurzen Hyperventilation von einer Ohnmacht in die nächste gefallen!
    (Und gut, dass ich jetzt endlich weiß, zu welcher Folge das Zimmermädchenkostüm gehört, dass im Moment ständig in der Vorschau eingeblendet wird, wobei man vielleicht sogar drauf hätte kommen können, dass es unter dem Level von Stephen Hawking wohl kaum irgendetwas geben könnte, das Sheldon zu sowas veranlassen könnte).

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    1. Noch eine BBT Guckerin :-)
      Komischerweise war es im Moment des Erlebens weniger aufregend als hinterher, als sich alles gesetzt hatte und mir erstmals bewusst wurde, WAS ich da eigentlich erlebt habe.

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  5. WAHNSINN!!! Das vergisst du dein Lebtag nicht. Bin grad neidisch... aber: Benedict Cumberbatch war nicht dabei, also hab ich mich nochmal beruhigt, grins. DEN würde ich gerne mal treffen/kennen lernen ;)
    ganz herzliche Grüße
    Dani
    ich les bestimmt nochmal bei dir, so schön geschrieben!

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